Schöne neue Vertragsarzt-Welt?

Mit abgestimmten Eckpunkten zu einer großen Gesundheitsreform lässt die Bundesregierung auf sich warten. Doch für Änderungen im Vertragsarztrecht hat das Gesundheitsministerium schon mal einen Referentenentwurf vorgelegt. Der sieht unter anderem vor, dass die Vergütung der niedergelassenen Ärzte erst ab 2009 geändert wird. Von Angela Mißlbeck.

Eine Halbtags-Stelle in einem Berliner Krankenhaus, eine Teilzeit-Zulassung der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) und nebenbei eine Anstellung in einer Brandenburger Landarztpraxis für einen halben Tag pro Woche – so oder ähnlich könnten Augenärzte in Zukunft arbeiten. Möglich machen soll das ein Gesetz mit dem sperrigen Namen „Vertragsarztrechtsänderungsgesetz“, kurz: VÄG. In Abstimmung mit der Union hat das Bundesgesundheitsministerium diesen Teil von der großen Gesundheitsreform abgekoppelt und Ende April einen Referentenentwurf vorgelegt.
Das Ministerium will mit der Flexibilisierung der Arbeitsbedingungen von niedergelassenen Kassenärzten Versorgungsprobleme lösen. Doch ohne die Reform der Vergütung wird das nichts, meint der Vorsitzende des Berufsverbands der Augenärzte Dr. Uwe Kraffel (siehe Interview). So scheint beim Vertragsarztrecht die gleiche Maxime zu herrschen, die Ulla Schmidt für die gesamte Gesundheitsreform ausgegeben hat: erst die Strukturen, dann die Finanzen. Denn der Gesetzentwurf sieht vor, dass das morbiditätsorientierte Vergütungssystem, das die Budgets ablösen soll, erst 2009 eingeführt wird und nicht ab nächstem Jahr wie bisher geplant.

So können Augenärzte im Kassensystem künftig arbeiten
Geht es nach dem Referentenentwurf, so dürfen Augenärzte wie andere Vertragsärzte künftig an mehr als zwei Orten tätig sein. Sie können Ärzte aus anderen Fachgebieten auch dann anstellen oder sich von Ärzten anderer Fachgruppen anstellen lassen, wenn sie keinen Behandlungsauftrag haben, der nur gemeinsam erfüllt werden kann. Und sie dürfen in so genannten „Berufsausübungsgemeinschaften“ über KV-Bezirksgrenzen hinweg auch mit Angehörigen anderer heilkundlicher Berufe zusammenarbeiten. Neben der Niederlassung können sie gleichzeitig an einem Krankenhaus angestellt sein. Möglich ist es auch, parallel in einer Klinik und bei einem Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) angestellt zu sein. Zudem können MVZ künftig auch von Ärzten einer einzigen Fachrichtung gegründet werden und müssen nicht mehr fachübergreifend sein.

Versorgungsprobleme sollen gelöst werden
Neben der Flexibilisierung der Regelungen zur Berufsausübung sieht der Referentenentwurf spezielle Maßnahmen gegen Unterversorgung vor. Der Ost-Abschlag bei privatärztlichen Leistungen soll fallen. In Gebieten, für die der Landesausschuss Unterversorgung oder drohende Unterversorgung festgestellt hat, wird die Altergrenze zur Niederlassung von 55 Jahren aufgehoben. Auch das Höchstalter von 68 Jahren für Vertragsärzte kann in diesen Regionen hinausgeschoben werden. Höchst umstritten ist eine Regelung, wonach die Landesaufsichtsbehörden berechtigt sind, unabhängig vom Landesausschuss selbst Versorgungslücken festzustellen. Wenn die KV erfolglos abgemahnt wurde, diese Lücken zu schließen, kann die Landesaufsicht den Sicherstellungsauftrag dafür an die Krankenkassen übertragen, die mit Einzelverträgen einspringen sollen.

Ohne Vergütungsreform hilft alles nichts
DER AUGENSPIEGEL wollte wissen, was der Berufsverband der Augenärzte (BVA) von dem Gesetzentwurf hält und sprach mit dem Vorsitzenden Dr. Uwe Kraffel.
Herr Dr. Kraffel, was halten Sie von den geplanten Flexibilisierungen der ärztlichen Tätigkeit und von den Möglichkeiten, gleichzeitig als angestellter Krankenhaus und niedergelassener Vertragsarzt zu arbeiten?
Für die Ärzte bringen Veränderungen wie Teiltätigkeit und Teilgemeinschaftspraxen Freiheiten und Vorteile. Für das System wird die Kontrolle praktisch unmöglich. Wie soll jemand geprüft werden, der an drei Orten mit vier verschiedenen Partnern tätig ist? Das kann keiner mehr prüfen. Grundsätzlich ist der Gesetzentwurf zu begrüßen. Es wird Zeit, die ärztliche Tätigkeit zu liberalisieren. Dem Zweck, die Versorgung zu sichern, wird es niemals gerecht.
Weshalb nicht? Das ist doch erklärtes Ziel des Gesetzentwurfs.
Man braucht doch nicht zu glauben, all die Maßnahmen wie
Tätigkeit an mehreren Orten oder Teilgemeinschaftspraxen würden etwas am Versorgungsmangel ändern. Es fehlen in der Fläche ganze Praxen. Die Praxen dort sind übervoll. Irgendein Teilzeitarbeiter macht keinen Unterschied. Die Unterversorgung in einigen Gebieten Deutschlands ist Folge der schlechten Vergütung.
Ausgerechnet die Vergütungsreform wird durch den Gesetzentwurf aber verschoben.
Wer sich nicht um die Vergütung kümmert, kann den ganzen Rest eindeutig lassen. Die verschobene Einführung der Vergütungsänderung ist schlicht ein Skandal. Wenn die Bundesregierung jetzt versucht, die Probleme in der ambulanten Versorgung zu ignorieren, wird die Axt an die ambulante Versorgung gelegt.

Ähnliche Beiträge