Bundesgerichtshof stoppt Vertriebskonzept für den Verkauf von Brillen über Augenarztpraxen
Der Bundesgerichtshof hat in einem aktuellen Urteil (24. Juni 2010, Az. I ZR 182/08) die Revision eines von der Wettbewerbszentrale angegriffenen Brillenvertriebsunternehmens gegen das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 30. Oktober 2008 zurückgewiesen, teilt die Wettbewerbszentrale mit.
Das Unternehmen hatte in Deutschland den Versuch unternommen, ein Vertriebssystem für Brillen unter Einbeziehung von Augenärzten zu etablieren. Wesentliche Bestandteile dieses Systems waren ein dem Arzt zur Verfügung gestelltes Brillensortiment und ein diesem ebenfalls überlassenes Computersystem zur individuellen Brillenanpassung. Über das Computersystem wurden die Patientendaten ebenso eingegeben wie das ausgewählte Brillengestell und sodann an das Vertriebsunternehmen übermittelt. Bei Bestellung in der Arztpraxis sollte der Augenarzt eine Vergütung von 80,- Euro bei einfach verglasten Brillen und 160,- Euro bei Mehrstärkenbrillen erhalten, heißt es in der Mitteilung der Wettbewerbszentrale an die Presse.
Für dieses System hatte das beklagte Unternehmen Werbung gegenüber den Augenärzten betrieben und diese dazu aufgefordert, hieran teilzunehmen. Das OLG Stuttgart hatte diesen Vorgang zum Anlass genommen, der Beklagten die entsprechende Werbung für das System zu untersagen. Zusätzlich sprach das OLG ein Verbot aus, wonach den Augenärzten die Musterkollektion der Brillenfassungen ebenso wenig wie der Computer zur Verfügung gestellt werden durfte. Dieses von der Wettbewerbszentrale beantragte umfassende Verbot hat der BGH nun mit seinem Urteil vom 24. Juni 2010 bestätigt und in den ganz aktuell vorgelegten Entscheidungsgründen vor allem hervorgehoben, dass es eine unangemessene und unsachliche Einflussnahme auf die ärztliche Behandlungstätigkeit darstellt, wenn dem Arzt finanzielle Vorteile in Aussicht gestellt werden und hiermit darauf hingewirkt wird, dass Ärzte entgegen ihren Verpflichtungen aus dem Behandlungsvertrag und dem ärztlichen Berufsrecht nicht allein anhand des Patienteninteresses entscheiden, ob sie einen Patienten an bestimmte Anbieter von Sehhilfen verweisen.
Mit diesem Urteil, so die Wettbewerbszentrale, knüpft der BGH an eine Entscheidung aus dem Vorjahr vom 9. Juli 2009 zum Az. I ZR 13/07 an. Hier wie dort stellt der Senat klar, dass die ärztliche Verweisung bzw. die Beteiligung des Arztes an der Abgabe von Hilfsmitteln auch bei angemessener Beachtung des Grundrechts der Berufsfreiheit nach Art. 12 GG stets die Ausnahme sein muss und hiervon lediglich im Einzelfall bei Vorliegen eines hinreichenden Grundes für die Zuweisung eines Patienten abgewichen werden darf.
Sei es in bisher entschiedenen Fällen darum gegangen Ärzten ein in diesem Sinne unlauteres und berufsrechtswidriges Verhalten zu untersagen, zeige der vom BGH nun entschiedene Fall, dass Unternehmen, die im Rahmen ihrer Vertriebsinteressen Ärzten die Teilnahme an einem solchen Vertriebskonzept nahegelegt haben, als Anstifter haften würden.
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Quelle: Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e.V.