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Amblyopie-Screening: GKV oder IGeL?

Das Nein des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG) zum Amblyopie-Screening hat die Augenärzte in Deutschland aufgebracht. Nun stellt sich erneut die Frage, wie die Leistung abgerechnet werden soll. Von Angela Mißlbeck.

Die Ablehnung einer Aufnahme der Vorsorge-Untersuchung in den Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) durch das IQWIG ist bei vielen Augenärzten auf scharfe Kritik gestoßen. Sogar einer der als Gutachter genannten Ophthalmologen (Prof. Dr. W. Lagrèze, Freiburg) distanzierte sich im Anschluss an die Veröffentlichung des Berichts von den Schlussfolgerungen, die das Institut zog. Aus seiner Sicht wurde der mögliche Nutzen der Vorsorgeleistung vom IQWIG unterbewertet, während ein potenzieller Schaden überbewertet worden sei. Für den zweiten Vorsitzenden des Berufsverbands der Augenärzte (BVA), Dr. Klaus Heckmann, ist klar, woran das liegt: „Kaum eine augenärztliche Vorsorgeleistung rechnet sich für die GKV. Sie vermeiden keine teuren Therapien, kosten sogar noch etwas und ihr wirtschaftlicher Nutzen liegt jenseits der GKV. Denn das Blindengeld zahlt der Staat, nicht die GKV“, so Heckmann. Er hält es für durchaus verständlich, dass die GKV diese Leistungen nicht übernimmt: „Der Staat hätte sie aber fördern müssen“, sagt der BVA-Vize dem AUGENSPIEGEL.

Fakt ist: Das Amblyopie-Screening der Augenärzte für Kinder wird vorerst nicht regelhaft als GKV-Leistung angeboten. Damit bleibt es aus BVA-Perspektive prinzipiell bei der bisherigen Privatabrechnung als individuelle Gesundheitsleistung (IGeL), wenn dem Augenarzt ein unauffälliges Kind zur Schieluntersuchung vorgestellt wird. „Eine Vorsorgeuntersuchung ist bei Augenärzten in der Regel ein IGeL, egal ob Amblyopie oder Glaukom“, sagt Heckmann. Bei Abrechnung zulasten der GKV würden sich Augenärzte der Falschabrechnung strafbar machen, warnt der BVA in seiner Mitgliederzeitschrift. Eine Ausnahme gibt es jedoch: Besteht ein Vorverdacht und kommt das Kind auf Überweisung eines Kinderarztes, dann können eine Reihe von Untersuchungen zulasten der GKV abgerechnet werden. Tipps zur Abgrenzung von IGeL- und GKV-Leistung hält der BVA bereit.

Der Streit um IGeL

Augenärzte in Westfalen finden die Position des BVA zu rigoros. „Ich halte es für sehr schwierig, das Amblyopie-Screening als IGeL zu propagieren, denn dann fallen genau die Kinder heraus, die Vorsorge ohnehin zu selten wahrnehmen. Die Amblyopie würde in sozial schwächeren Schichten wieder vermehrt auftreten, was wir nicht wollen“, sagt Dr. Ulrich Oeverhaus, Vorsitzender der Augenärztlichen Genossenschaft Westfalen. Auch er hält die Entscheidung von IQWIG und KBV für „mehr als bedauerlich“. Er hatte gehofft, dass die Vorsorge, die zwischen Kinder- und Augenärzten vor Ort seit Jahren gut funktioniert, endlich auf rechtssichere Beine gestellt wird. Denn zumindest in Teilen Westfalens gilt die mündliche Verabredung: Amblyopie-Screening ist Kassenleistung.

Die Augenärzte im Kreis Gütersloh wollen die Amblyopie vom Feld der IGeL „um jeden Preis ausgenommen wissen“, wie der niedergelassene Augenarzt Dr. Walter Hengst sagt. Er besteht auf einer durchgehenden GKV-Abrechnung. Seine Begründung: „Man stelle sich nur das Chaos vor, das ausbricht, wenn bei fünf Müttern, die einander kennen, die einen Kinder zu Lasten der GKV, die anderen als IGeL untersucht werden. Der Arztwechsel ist damit vorprogrammiert.“ In einem Schreiben an den AUGENSPIEGEL wirft Hengst dem BVA vor, die Krankenkassen vor Leistungen zu schützen, „auf die Patienten höchsten Anspruch hätten. Es kommt nicht nur in den übrigen Medizinbereichen, sondern jetzt auch in der Augenheilkunde zu einer Ökonomisierung, die ganze Arztgruppen bereits als Abkehr von einer solidarischen Gesundheitsversorgung bezeichnen“, so Hengst.

BVA-Vize Heckmann hält diese Position für teilweise nachvollziehbar. „Es ist klar, dass es bei Kindern etwas anderes ist. Letztlich entscheiden die Augenärzte nach Möglichkeit sozial. Aber nicht jedes Kind ist ein sozialer Problemfall“, so Heckmann. Er weist auch den Vorwurf zurück, dass der BVA gar keine GKV-Abrechnung wolle: „Die Anträge haben wir gestellt, aber sie sind immer abgelehnt worden. Es ist letztlich politisch nicht gewollt.“

Etwas geändert hat sich die Situation aber dennoch. Denn die Kinderärzte sollen im Rahmen der neuen Vorsorgeuntersuchung U7a auch die Sehfähigkeit prüfen. Bei einem Vorverdacht überweisen sie zum Augenarzt, der kann in diesem Fall einige Untersuchungen auf GKV-Kosten vornehmen. Weitere Perspektiven bieten die wachsenden Vertragsmöglichkeiten. So setzt Oeverhaus auf Strukturverträge, die neuen Verträge nach §73c zur fachärztlichen Versorgung oder Integrationsverträge, um das Amblyopie-Screening zu einer rechtssicheren GKV-Leistung zu machen. Verhandlungen mit Krankenkassen haben bereits begonnen.

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