Zum Bericht des Magazins Öko-Test über Tränenersatzmittel
„Tränen lügen nicht“
Ein offener Brief von Priv.-Doz. Dr. E. M. Messmer und Prof. Dr. A. Kampik.
Mit Interesse haben wir den Öko-Test vom April 2007 mit dem Titel „Tränen lügen nicht“ gelesen. Neben sehr interessanten und wichtigen Informationen zum Trockenen Auge wird darin über einen Test berichtet, in dem mehrere Mittel zur Behandlung des Trockenen Auges scheinbar objektiv pharmakologisch getestet wurden. Aus wissenschaftlicher, augenärztlicher Sicht ist diese Art der Produkttestung äußerst fragwürdig und verlangt eine Gegendarstellung.
1. Aus der Berichterstattung im Öko-Test wird nicht deutlich, wie die „Pharmakologische Begutachtung“, die das Testergebnis letztendlich bestimmt, zustande kam. Ob für die Qualität von Tränenersatzprodukten chemische Tests wie die Bestimmung halogenorganischer Verbindungen von Bedeutung sind, sei dahingestellt.
2. Sämtliche in der Ophthalmologie gebräuchlichen Konservierungsstoffe werden im Test über einen Kamm geschert. Es ist allgemein bekannt, dass Benzalkoniumchlorid epitheltoxisch wirken kann und den Tränenfilm bei häufiger Anwendung negativ beeinflusst. Andere Konservierungsstoffe wie beispielsweise Polyquad zeigen jedoch ein ausgezeichnetes Sicherheitsprofil, eine vernachlässigbare Epitheltoxizität, gute Verträglichkeit und fehlende Sensibilisierung (Literatur 1-3). Diese Erkenntnisse dürfen in einer Produktbeurteilung nicht unter den Tisch fallen. Der Inhaltsstoff „Konservierungsmittel“ allein darf nicht zu einem mangelhaften Gesamturteil führen.
3. Polyethylenglycole (PEG) sind je nach Kettenlänge flüssige oder feste, chemisch inerte, wasserlösliche und nichttoxische Polymere, die in der Medizin, als Wirkstoffträger in der Pharmazie und in der zellbiologischen Forschung angewendet werden. Die Anwendungsbereiche reichen von der Darmreinigung in der Gastroenterologie, über die Neuroprotektion bei Wirbelsäulenverletzungen bis hin zur Nutzung in anti-apoptotischen Formulierungen zur Konserveriung von Zellen, Geweben und Organen. Es wird klar, dass es sich bei den PEG-Verbindungen um eine große Gruppe sehr unterschiedlicher Substanzen mit verschiedenartiger Wirkung und unterschiedlichen penetrationsfördernden Eigenschaften handelt. Nur für einzelne PEG-Verbindungen wurde eine Penetrationsverstärkung von Inhaltsstoffen in Kosmetika durch die Haut beschrieben. Die generelle Annahme einer für das Auge negativen penetrationsfördemden Wirkung ist daher nicht sachgemäß.
4. Hinweise für Kontaktlinsenträger in der Verpackungsbeilage sind zwar wünschenswert, aber ein fehlender Hinweis kann nicht Grund sein für eine Herabstufung des Produkts um einen gesamten Punktwert. Viele der getesteten Tränenersatzmittel werden als Therapeutika und nicht als Nachbenetzungslösungen für Kontaktlinsenträger angewandt, verschrieben und vertrieben.
5. Eine ökologisch verträgliche Verpackung ist ebenfalls wünschenswert, hat jedoch bei objektiver Betrachtung keinen Einfluss auf die Wirksamkeit des getesteten Tränenersatzmittels und sollte – auch in einer ökologisch-betonten Beurteilung – keine überragende Rolle bei der Bewertung einer Wirksubstanz spielen.
6. Die wichtigste Kritik an der durchgeführten Testung ist jedoch, dass nur chemische Eigenschaften eines Produkts, nicht jedoch seine medizinische Wirksamkeit beurteilt wurden. Ein innovativer Therapieansatz und die gute klinische Wirksamkeit zur Reduktion subjektiver Symptome und objektiver Befunde des Trockenen Auges wurden in dem Test nicht bewertet. Aus augenärztlicher Sicht führen solche Tests zur Verzerrung des Wettbewerbs durch unsachliche, falsch aufbereitete Informationen. Letztendlich bestimmt die Patientenzufriedenheit und klinische Wirkung die Qualität eines Medizinprodukts beziehungsweise Medikaments, nicht seine chemische Zusammensetzung.
Literatur
1. Labbe A et al. Comparison of toxicological profiles of benzalkonium chloride and polyquaternium-l. J Ocul Pharmacol Ther 2006; 22: 267-278
2. Lopez Bernal D et al. Quantitative evaluation of the corneal epithelial barrier : effect of artificial tears and preservatives. Curr Eye Res 1991; 10:645-56
3. Tripathi BJ et al. Cytotoxicity of ophthalmic preservatives an human corneal epithelium. Lens Eye Toxic Res 1992; 9:361-375