Outreach-Programme und Akzeptanz-Problematik in Indien

Eine Untersuchung zu Akzeptanzraten bei Kataraktchirurgie
Um auch in entlegenen Gebieten eine medizinische Versorgung zu gewährleisten, wird in Indien ein so genanntes Outreach-Screening durchgeführt: Augenärztliche Teams fahren in ländliche Regionen, um vor Ort Betroffene zu untersuchen und ihnen eine kostenlose Operation am Base Hospital anzubieten. In vielen Fällen wird zusätzlich für eine Transportmöglichkeit sowie die Unterbringung und Verpflegung am Krankenhaus gesorgt. Dennoch werden diese Kataraktoperationen aus verschiedenen Gründen, die man als Patient-perceived Barriers bezeichnet, von einem größeren Anteil nicht angenommen. Vor diesem Hintergrund führte die Universitäts-Augenklinik Bonn eine Untersuchung darüber durch, wie die Akzeptanzraten und die von Patienten berichteten Barrieren in zwei unterschiedlichen Regionen sind. Dr. Robert P. Finger, David G. Kupitz und Prof. Dr. Frank G. Holz stellen die Ergebnisse vor.

Blindheit und Sehbehinderung stehen nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) an sechster Stelle der Burden-of-Disease-Liste, direkt hinter HIV/AIDS (Chiang et al. 2006). Nach neuesten Schätzungen der WHO sind weltweit 45 Millionen Menschen blind und 269 Millionen sehbehindert, wobei die Definition der WHO von der des deutschen Gesetzgebers dahingehend abweicht, dass Personen, die am besseren Auge maximal 0,1 sehen, als blind und solche, die am besseren Auge maximal 0,3 sehen, als sehbehindert eingestuft werden (Resnikoff et al. 2004). Damit ist globale Blindheit und Sehbehinderung nach wie vor eine enorme Herausforderung. Die große Mehrzahl aller Blinden und Sehbehinderten lebt in den so genannten Entwicklungsländern, in denen die Mehrzahl der Blindheit, etwa 40 Prozent, durch nichtoperierte Katarakte verursacht wird. Schon alleine durch die große Bevölkerung ist die Anzahl der durch nichtoperierte Katarakte erblindeten Inder mit geschätzten acht Millionen sehr hoch. Die indische Regierung hat – zusammen mit der internationalen Gemeinschaft, der WHO und vielen Nicht-Regierungs-Organisationen (NGOs) wie zum Beispiel der Christoffel-Blindenmission – in den letzten Jahrzehnten eine ganze Reihe von Anstrengungen unternommen, um dieses Problem anzugehen. Als Messgröße für die Versorgung des Landes mit notwendigen Kataraktchirurgie-Angeboten dient die Cataract Surgical Rate (CSR), die in Indien in den letzten Jahren dramatisch gestiegen ist (von 1,2 Millionen/Jahr in den 80er Jahren auf 3,9 Million/Jahr in 2003). Nichtsdestotrotz ist die Anzahl der an Katarakt erblindeten Inder weiter gestiegen, was auf die Zunahme der älteren Bevölkerung durch das Bevölkerungswachstum und die längere Lebenserwartung zurückgeführt wird. Die Prognosen sagen einen weiteren Anstieg auf etwa 8,25 Millionen Kataraktblinde voraus (Murthy et al. 2008). Aus verschiedenen Studien weiß man, dass Linsentrübungen in Südostasien sehr prävalent sind und man im Vergleich die weltweit höchsten Raten in dieser Region findet. Gründe hierfür sind unter anderem die hohe UV-Belastung, wiederkehrende Episoden starker Dehydrierung durch Diarrhö und Hitzeschlag, eine schlechte Ernährung, die Verwendung von so genannten Biomass Cooking Fuels (wie zum Beispiel Kuhdungfeuerstellen zur Essenszubereitung im Haus), fehlende Antioxidantienzufuhr und bei Frauen eine hohe Zahl an Geburten.

Ein typisches Problem der Entwicklungsländer ist die Ungleichverteilung von Anbietern medizinischer Leistungen, wie zum Beispiel Augenärzte, und denjenigen, die diese Leistungen in Anspruch nehmen müssen. Anbieter finden sich im Wesentlichen in großen urbanen Zentren, die an Katarakt Erblindeten beziehungsweise Sehbehinderten hingegen leben meist in ländlichen Regionen oder in den Slums urbaner Regionen. Aus diesem Grund wird in Indien so genanntes Outreach-Screening durchgeführt: Augenärztliche Teams fahren in ländliche Regionen, um vor Ort Betroffene zu untersuchen und diesen eine Operation am Base Hospital anzubieten. In vielen Fällen wird zusätzlich zur kostenlosen Operation für eine Transportmöglichkeit sowie Unterbringung und Verpflegung am Krankenhaus gesorgt, da die meisten Patienten sehr arm sind und sich dies, falls überhaupt, nur unter größten Anstrengungen selbst leisten könnten. Die Kataraktoperation wird in Indien meist als Small-incision Cataract Extraction und HKL-Implantation durchgeführt. Diese Outreach-Programme werden von vielen Anbietern implementiert und sind notwendig, da die Mehrzahl der Betroffenen aus verschiedenen Gründen nicht selbständig verfügbare Kataraktchirurgie-Angebote nutzen kann oder will. Selbst im Rahmen von Outreach Camps angebotene Kataraktoperationen, die aus medizinischer Sicht sinnvoll und von einem Benefit für den Patienten wären, werden aus verschiedenen Gründen von einem größeren Anteil nicht angenommen (Finger 2007; Finger et al. 2007; Nirmalan et al. 2002). Diese Gründe bezeichnet man als Patient-perceived Barriers.

Mehr dazu im AUGENSPIEGEL 06/2010.

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