Mikrogliaaktivierung bei Netzhautdystrophien
Aktuelle Daten aus Mausmodellen erblicher Netzhautdystrophien weisen darauf hin, dass eine frühe Mikroglia-reaktion und ihre chronisch latente Aktivierung retinale Apoptosemechanismen und damit eine progrediente Neurodegeneration auslösen kann. Intensiv verfolgte Strategien zur molekularen Charakterisierung spezifischer Aktivierungsmechanismen von Mikroglia haben erste erfolgversprechende Ansatzpunkte für immunmodulierende Therapien geliefert. Prof. Dr. Thomas Langmann (Regensburg) stellt die Forschungsergebnisse seiner Arbeitsgruppe vor.
Bis zu zehn Prozent aller Erblindungen weltweit werden durch eine sehr heterogene Gruppe von hereditären Netzhautdystrophien mit über 170 kausalen Genen verursacht (Retnet-Datenbank: http://www.sph.uth.tmc.edu/retnet). Monogene Defekte von Photorezeptor/RPE-Proteinen manifestieren dabei einen fortschreitenden Funktionsverlust der Netzhaut meist verbunden mit einer erheblichen Einschränkung des Sehvermögens. Unabhängig vom jeweiligen genetischen Auslösemechanismus weisen eine Vielzahl von Befunden in hereditären menschlichen Retinopathien sowie spontanen und transgenen Tiermodellen von Netzhautdystrophien auf apoptotische Effekte als eine gemeinsame pathophysiologische Endstrecke der Degeneration von Photorezeptoren hin (Doonan et al. 2005). Neben der Zelldegeneration in der neuronalen Retina stellt der metabolische Funktionsverlust und Zelltod des Pigmentepithels eine weitere Ursache für Netzhauterkrankungen dar (Bazan 2006).
Ausgehend von diesen Daten erscheint therapeutisch eine gerichtete Blockade der retinalen Apoptose prinzipiell vielversprechend, stößt aber auf eine Vielzahl systematischer Probleme, zum Beispiel der fehlenden Spezifität sowie mögliche Nebenwirkungen. Es gibt nahezu 300 bekannte Caspase-Zielproteine, darunter auch wichtige Proteine der terminalen Differenzierung, und es liegen keine ausreichend spezifischen Hemmstoffe vor (Marigo 2007). Zudem können kompensatorische Zelltodmechanismen wie Nekrose oder Autophagie bei Apoptosehemmung auftreten und caspaseunabhängige apoptotische Mechanismen sind ebenfalls häufig an der Neurodegeneration beteiligt.
Mehr dazu im AUGENSPIEGEL 11/2011.