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Mehr oder weniger? RLV sorgen für Empörung

Wo bleibt das Honorarplus von 2,7 Milliarden Euro? Das fragen sich seit Bekanntgabe der Regelleistungsvolumina (RLV) nicht nur die Augenärzte in fast allen Regionen. Viele fürchten, dass sie weniger Honorar als im Vorjahr bekommen. Von Angela Mißlbeck.

Besonders laut war der Aufschrei der Augenärzte nach Bekanntgabe der Regelleistungsvolumen (RLV) in Bayern, Hessen, Nordrhein und vor allem in Rheinland-Pfalz. Im letztgenannten Bundesland hat der Protest der Augenärzte schnell zu einer Anhebung des Fallwerts im RLV geführt, der anfangs auf unter 19 Euro festgelegt war. Doch nicht nur dort beklagen Augenärzte und ihre Verbände tatsächlich niedrigere Honorare aus den RLV-Leistungen als sie im Vorjahr hatten. Immerhin ein bisschen Freude kann in Berlin aufkommen: Die Hauptstadt-Ärzte, die bislang Schlusslicht im bundesweiten Honorarvergleich waren, haben nun in der Fachgruppe der Augenärzte die höchsten Fallwerte im Regelleistungsvolumen. Spitzenreiter dennoch sind die Thüringer Augenärzte, die mit einer Fallzahl von 1.556 und einem Fallwert von 26,52 das höchste Regelleistungsvolumen verzeichen können.

Eines zeigt dieser Ausschnitt bereits: Von der angekündigten bundesweit einheitlichen Honorierung kann keine Rede sein. Gleiches Geld für gleiche Leistung? Das scheint ebenso wenig einzutreffen wie das Versprechen vom durchschnittlichen Honorarzuwachs um zehn Prozent. Der BVA war alarmiert von den ersten bekannt gewordenen RLV-Werten. BVA-Vorsitzender Prof. Dr. Bernd Bertram forderte augenblicklich eine erhebliche Anhebung der augenärztlichen Regelleistungsvolumina. „Nur so kann eine wohnortnahe und qualitativ hochwertige Augenarztversorgung von Kassenversicherten in Zukunft gesichert werden“, so Bertram.

Wo also bleibt das Geld?

Eines haben inzwischen alle begriffen: Der Fallwert im Regelleistungsvolumen umfasst nicht alle Leistungen, die in den bisherigen durchschnittlichen
Scheinwert der Praxis einfließen. Außerhalb des RLV werden belegärztliche (kurativ-stationäre) Leistungen und ambulante Operationen, phototherapeutische Keratektomie und die Wegegebühren vergütet. Zudem gibt es eine extrabudgetäre Bezahlung für die besondere Inanspruchnahme, dringende Besuche, photodynamische Therapie, Psychotherapie und die Kostenpauschalen des Kapitels 40. Für diese Leistungen und für Überschreitungen der RLV bilden die KVen zum Teil erhebliche Rückstellungen aus der Gesamtvergütung. Viel Spielraum bleibt den einzelnen KVen dabei nicht. Die meisten Regeln hat der Bewertungsausschuss und erweiterte Bewertungsausschuss auf Bundesebene vorgegeben.

Feststeht aber: Jede Rückstellung schmälert das Honorarvolumen, das für die Grundleistungen im RLV zur Verfügung steht. Mit ihnen wird aber die augenärztliche Basisversorgung bestritten. Daher warnen nicht wenige der BVA-Landesverbandsvorsitzenden in den einzelnen KV-Regionen vor einer Verschlechterung oder gar Gefährdung der augenärztlichen Grundversorgung.
DER AUGENSPIEGEL hat ein Stimmungsbild eingefangen.

Bild Berlin: Fallwert 27,50 Euro, Fallzahl: 1.171
Dr. Uwe Kraffel, BVA-Landesvorsitzender:

„Wir haben offenbar in Berlin den höchsten Fallwert bundesweit. Damit haben wir die rote Laterne abgegeben und das weiße Stirnlicht übernommen. Trotzdem sind die 27,50 noch immer zu wenig. Es wird jedoch die Möglichkeit eröffnet, wenigstens ansatzweise die augenärztliche Versorgung in Berlin abzubilden. Allerdings gibt es weiter Probleme beispielsweise mit der Fluoreszenzangiographie, weshalb auch nicht alle Kollegen an der insgesamt positiven Entwicklung für die Augenärzte teilhaben. Ich persönlich werde nicht gewinnen, was an meiner Praxissituation liegt. Doch an den Berliner Ergebnissen lässt sich eins deutlich ablesen: Es ist immens wichtig, solche Projekte wie die Vergütungsreform 2009 früh zu beobachten und zu begleiten. Statt zu lamentieren und zu jammern, haben wir mit den Kollegen darauf geachtet, dass die Wichtigkeit der augenärztlichen Behandlung und der Leistungsbedarf dafür sich auch in der Abrechnung abbilden. Das hat sich gelohnt.“

Bild Niedersachsen: Fallwert 24,48 Euro, Fallzahl: 1.525
Dr. Gerrit Fahl, BVA-Landesvorsitzender:

Bei der Fallzahl sind die Augenärzte in Niedersachsen mit knapp 100 Fällen Abstand zur nächsten Fachgruppe einsam an der Spitze. Der Fallwert liegt, im Vergleich zu anderen Fachgruppen, am unteren Ende der Tabelle. Für das Gros der Kolleginnen und Kollegen, die konservativ tätig sind, ist das RLV gleichzeitig die Honorarobergrenze, da es – abgesehen von zwei Strukturverträgen und dem Notdienst – keine Leistungen außerhalb des RLV gibt. Zudem wird in der ehemaligen Gruppe U3 der gesamte Honorarzuwachs durch die Aufhebung der Untergruppenregelung neutralisiert. Trotzdem läuten in Niedersachsen die Glocken nicht Sturm. Die Ursache ist, dass unser Fallwert in den letzten Jahren langsam aber konsequent abgesunken ist. Daher bedeutet der neue Fallwert für viele ein vorsichtiges Aufatmen. Eine Perspektive, die Praxis zum Beispiel mit zeitgemäßer Untersuchungstechnologie auszustatten, ist dabei allerdings nicht auszumachen. In dem Flächenland Niedersachsen ist durch die bisherige Honorarsituation ein massives Problem in der Nachbesetzung freiwerdender Praxen im ländlichen Raum entstanden. Ob die moderate Anhebung des augenärztlichen Honorars diese Problematik entschärfen wird, muss die Zukunft zeigen. Dabei wird es natürlich von erheblichem Interesse sein, wie sich die Fallwerte in den nächsten Quartalen verändern und ob sich ein verlässliches Honorarniveau einstellt.

Bild Nordrhein: Fallwert 21,42 Euro, Fallzahl: 1.288
Dr. Ludger Wollring, BVA-Landesvorsitzender:

„Wir verzeichnen in unserer Fachgruppe im Bereich der für die RLV-Berechnung relevanten Leistungen (…) eine Reduzierung der KV-Vergütung von durchschnittlich 5,92 Euro oder 21,65 Prozent je Fall. (…) Da bleibt nichts mehr. Da bleibt allenfalls ein Defizit. Wenn Miete, Strom, Bank und Helferinnen nicht mehr bezahlt werden können, ist die augenheilkundliche Versorgung vernichtet. (…) Die Sicherstellung im Bereich der vertragsaugenärztlichen Basisversorgung kann aus den Kräften einer solchen Finanzierung nicht aufrechterhalten werden. Wir haben dies dem Vorstand der KVNo mitgeteilt und sind sowohl in Nordrhein als auch auf Bundesebene fortwährend in Gesprächen. Die meisten Praxen könnten es sich bei dieser wirtschaftlichen Lage – insbesondere dem Trend der stetigen Vergütungsminderung für vertragsärztliche Basisversorgung – schon jetzt oder aber sehr bald eher leisten, auf die Kassenzulassung zu verzichten als auf die Einnahmen aus privatärztlicher Tätigkeit. (…) Schade, dass Reformen so gegen ärztlichen Sachverstand beschlossen werden können. Es trifft vor allem die Patienten.“ (zit. aus einem Mitgliederrundschreiben):

Bild Rheinland-Pfalz: Fallwert: 20,85 Euro, Fallzahl: 1.374
Dr. Bernhard Schickel, BVA-Landesvorsitzender:

„Die Honorarreform 2009 ist trotz guter theoretischer Ansätze eine Mogelpackung. Sie setzt nicht zuletzt auch bei uns Augenärzten den seit Jahren andauernden Abwärtstrend bei den Praxiseinnahmen aus kassenärztlicher Tätigkeit fort. Diese Entwicklung führt dazu, dass diese Einnahmen die Praxiskosten nicht mehr decken. Die wohnortnahe, leitliniengerechte augenärztliche Versorgung der Bevölkerung ist damit in Rheinland-Pfalz gefährdet. Das für uns Augenärzte hier in Aussicht gestellte RLV, das zum jetzigen Zeitpunkt das niedrigste im Bundesgebiet ist, ist in seiner Höhe nicht ausreichend. Der von der KV Rheinland-Pfalz berechnete Fallwert liegt unter dem Grundkomplex. Um Praxispleiten zu vermeiden, besteht hier massiver Änderungsbedarf. Andernfalls wird nur der überleben, der sich mit IGeL und Privatpatienten über Wasser halten kann. Diese Situation wird dazu führen, dass das Angebot an die Patienten der GKV verknappt wird. Dies gebietet der spätestens seit Januar eingeläutete Überlebenskampf der einzelnen Praxis. Sollte die Gesundheitspolitik hier nicht zeitnah reagieren, sollte die KBV die strukturellen Fehler der Honorarreform 2009 nicht zusammen mit den Kassen zeitnah beseitigen, werden wir gezwungen sein, durch entsprechende Maßnahmen auf die politisch herbeigeführte Mangelversorgung der Bevölkerung in Rheinland-Pfalz aufmerksam zu machen.“

Bild Schleswig-Holstein: Fallwert 23,04 Euro, Fallzahl: 1.368 (Stand: 16.12.2008)
Dr. Bernhard Bambas, BVA-Landesvorsitzender:

„Eine ausreichende augenärztliche Versorgung der GKV-Patienten ist nach der Honorarreform in Schleswig-Holstein nicht mehr möglich. Entgegen den Versprechungen des Bundesgesundheitsministeriums steht nicht mehr, sondern deutlich weniger Geld für die Grundversorgung der Patienten bei niedergelassenen Augenärzten zur Verfügung. Die Verluste schwanken in den augenärztlichen Praxen zwischen 15 und 40 Prozent. (…) Das von den Kassen bezahlte augenärztliche Behandlungsangebot für gesetzlich Versicherte wird sich durchschnittlich um rund 25 Prozent reduzieren. Das bedeutet im Klartext, dass jeder vierte GKV-Patient keine Regelversorgung mehr durch den Augenarzt erhalten kann (…). Wir haben die Landesregierung und hier insbesondere die Sozialministerin Frau Dr. Trauernicht informiert und gefordert, sich mit den Patienten in Schleswig-Holstein zu solidarisieren und diese unhaltbare Situation zu korrigieren. Es muss sichergestellt werden, dass Erblindung – auch für gesetzlich Versicherte – eine vermeidbare Erkrankung bleibt.“ (zit. aus einer Patienteninformation)

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