|

Kongress DOC 2016

Interview mit DOC-Präsident Dr. Armin Scharrer zum 29. Jahreskongress
Nach einem Abstecher nach Leipzig im vergangenen Jahr lädt der 29. Internationale Kongress der Deutschen Ophthalmochirurgen (DOC) wieder traditionell nach Nürnberg ein. Auch in diesem Jahr prägen Highlights wie die internationalen Ehrenvorlesungen und Keynote Lectures das wissenschaftliche Programm. In einer berufspolitischen Podiumsdiskussion sowie einem Symposium werden die aktuell diskutierten Themen GOÄ und das angekündigte Antikorruptionsgesetz erörtert und debattiert. DER AUGENSPIEGEL sprach mit Dr. Armin Scharrer (Fürth), DOC-Präsident und 1. Vorsitzender des Bundesverbandes Deutscher Ophthalmochirurgen e.V. (BDOC), über den diesjährigen Kongress.

„Welcome back“ – so schreiben Sie in Ihrem Vorwort zum diesjährigen 29. Internationalen Kongress der Deutschen Ophthalmochirurgen: Nach einer DOC-Jahrestagung, die zuletzt ausnahmsweise in Leipzig stattfand, reisen die Teilnehmer zum wissenschaftlichen Austausch im Juni traditionell wieder nach Nürnberg an. Der DOC-Tagungsort ist beliebt. Was macht Nürnberg so besonders? Ist es ein „Welcome home“?
Ja, es ist ein „Welcome home“. Nürnberg ist für die DOC eine Heimat geworden. Der Tagungsort Nürnberg ist aus vielerlei Gründen beliebt. Sicher spielt die geographische Lage in der Mitte Deutschlands eine große Rolle, aber auch der Charme und die Attraktivität einer schönen Stadt wie Nürnberg. Die Messe in Nürnberg hat für die DOC einen Tagungsort geschaffen, der ideal den Anforderungen des Kongressveranstalters entspricht. Hell, großzügig, klar strukturiert und ausreichend Platz. Auch Infrastruktur und Logistik werden von den Kongressteilnehmern immer wieder gelobt. Viele der Augenchirurgen aus aller Welt sagen, dass es einfach schön ist, wenn man irgendwohin kommt und sich schon so gut auskennt und genau weiß, was wo stattfindet.

„Ophthalmology 2025 – Trends and Innovation“ lautet der Titel eines neuen Minisymposiums im Rahmen der Joint Session mit der International Society of Refractive Surgery (ISRS/AAO). Hier gilt ein Vortrag von James V. Mazzo aus Irvine, USA, dem Aspekt „Healthcare challenges and ethics“. Welche ethischen Aspekte in der Medizin und dem Gesundheitssystem erscheinen Ihnen vordringlich diskussionswürdig? Und: Unterscheiden sich die ethischen Herausforderungen hierzulande von denen in den USA?
Trends zu erkennen, ist immer eine Herausforderung. Ein Blick in die Zukunft, was wird in zehn Jahren sein, kann immer nur eine Vermutung sein. Auf den Vortrag von James V. Mazzo aus Irvine/Kalifornien bin auch ich besonders gespannt. In einer Zeit, in der die wirtschaftlichen Zwänge für alle „Player“ im Gesundheitswesen immer drängender werden, und dies betrifft gleichermaßen Medizintechnik und Pharmafirmen, Leistungserbringer im ambulanten und stationären Bereich, wie auch nicht zuletzt die Patienten, ist eine klare Orientierung an ethischen Prinzipien dringend erforderlich. Der wichtigste ethische Aspekt in der Medizin betrifft Indikation und Qualität, sowohl des Medizinproduktes beziehungsweise der Arznei, wie auch der ärztlichen Leistungserbringung. Nur das, was wir unserem Vater oder unserer Mutter als Produkt oder als ärztliche Leistung angedeihen lassen würden, dürfen wir auch gegenüber unseren Patienten erbringen. All das, was wir für unsere Patienten tun, sollte hochqualitativ erbracht werden und einer strikten Qualitätssicherung unterzogen sein, in Sachen Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualitätssicherung, mit der Ergebnisqualität als Königsdisziplin der Qualitätssicherung.

Weitere Aspekte zur Ophthalmology 2025 zielen auf zukünftige IOL-Entwicklungen sowie das Potenzial der „Augmented reality“. Welche dieser Trends verfolgen Sie mit besonderem Interesse?
Im Symposium Ophthalmology 2025 werden mögliche Trends diskutiert wie: Die Entwicklung der Intraokularlinsen und Presbyopiekorrektur, der Herstellung der Akkommodation beim Presbyopen. Die Zukunft der Kataraktchirurgie: FEMTO-Sekundenlaser Cat-OP (LACS) oder was? Brauchen wir im Jahre 2025 noch ein Operationsmikroskop? Und: Diagnose und Therapie der trockenen AMD – was kommt wann und was bringt es?

Eine besondere Ehrung im Rahmen des DOC-Kongresses ist auch die DOC-Lecture. Auf wen ist diese Auszeichnung in diesem Jahr gefallen?
Die Ehrenvorlesung „DOC-Lecture“ ist eines der prominentesten Referate und wird von John McAvoy gehalten, der derzeit, was die Basisforschung der Katarakt anbelangt, weltweit sicher mit führend ist! John McAvoy ist ein international angesehener Wissenschaftler, der sich mit der Entwicklungsbiologie des Auges beschäftigt: Seine zellbiologische Forschung konzentriert sich darauf, Wachstumsfaktoren und ihren Einfluss auf Proliferation und Differenzierung von Linsenzellen zu identifizieren. Sein besonderes Interesse gilt dem Verständnis der molekularen Regulierung der normalen Linsenentwicklung sowie pathologischen Wachstumsprozesse, die zu Katarakt führen.

Auch die Keynote Lectures lassen spannende Vorträge ahnen: Es klingt immer noch wie Zukunftsmusik ist aber bereits greifbar: die Google Glass. Lucio Buratto wird „Ophthalmic applications of wearable devices“ vorstellen. Damit sind wir bei beeindruckenden gegenwärtigen technischen Entwicklungen, die aber bisweilen auch, wie in diesem Fall, starke Kritik auf sich ziehen. Ist die Skepsis angesichts neuer Technologien für Sie nachvollziehbar?
Die Skepsis angesichts neuer Technologien ist für mich sehr nachvollziehbar. In sehr vielen Bereichen unseres Lebens werden neue Technologien entwickelt, nicht um stehende Bedürfnisse zu befriedigen, sondern um aus wirtschaftlichen Gründen neue Bedürfnisse zu wecken. Konrad Lorenz würde das unter dem Terminus Neophilismus subsummieren. Etwas Neues wird geschaffen und der einzige Vorteil besteht darin, dass es neu ist und nicht, dass es irgendjemandem hilft. Aus diesem Grunde ist auch Aufgabe eines großen Kongresses wie der DOC, neue Technologien immer wieder auf die Waagschale zu legen und zu prüfen: „Cui bono“?

Nach einem Abgesang auf die LASIK klingt die Keynote Lecture von Gordon Balazci eigentlich nicht: „Is LASIK really dead?“ lautet seine Leitfrage vermutlich mit Hinblick auf die Erfolge des minimalinvasiven SMILE-Verfahrens. Welche Antwort würden Sie formulieren?
Gordon Balazci (Montréal/Kanada) ist einer der großen, sehr erfahrenen refraktiven Augenchirurgen Nordamerikas. Er verfügt über einen enormen Wissensschatz an theoretischem Wissen und hat auch eine sehr umfangreiche klinische Erfahrung. In seiner Keynote Lecture geht er der Frage nach: „Ist SMILE besser als LASIK und/oder warum nicht?“

Ein Highlight im wissenschaftlichen Austausch bilden immer die aktuellen Kontroversen. Diesmal gibt es eine interessante Umgestaltung: In der Joint Session mit der ISRS wird das Thema „Refractive Surgery on trial“ in vier kurze Sitzungen zu Corneal Inlays, Crosslinking, Femto-Lens-Surgery sowie MIOL und EDoF-IOL eingeteilt und nach jeweils kurzer Themendarstellung diskutieren diesmal nicht zwei Vertreter die Pro- und Contra-Positionen, sondern jeweils ein kleines Team. Das klingt nach einer lebhaften Auseinandersetzung! Wie viel Kontroverse verträgt ein Fach und darf bei einem Verfahren sein, das bereits in Anwendung ist?
Es wird eine lebhafte Auseinandersetzung werden! Nur wenn wir all das, was wir tun, tagtäglich auf den Prüfstand stellen und kritisch hinterfragen, werden wir frühzeitig genug die Spreu vom Weizen trennen.
Innovatives wie auch Verfahren, die bereits in Anwendung sind, müssen kontinuierlich überprüft werden und erfreulicher Weise hat sich hier auch die Kultur der Auseinandersetzung in der wissenschaftlichen Augenchirurgie entscheidend geändert. Ich darf an die frühen 1980er Jahre erinnern (gerade 35 Jahre her!), als noch eine kleine Minderheit, so genannte Autoritäten, zwanghaft versucht hat, die Einführung der Phakoemulsifikation in Deutschland zu verhindern.

In diesem Jahr wird es auch wieder eine berufspolitische Podiumsdiskussion geben. Im Mittelpunkt steht das Antikorruptionsgesetz, das jüngst vom Bundestag verabschiedet wurde. Wie bewerten Sie es, insbesondere hinsichtlich der zukünftigen Zusammenarbeit von Ärzteschaft und Pharmaindustrie? Und welche Haltung haben Sie gegenüber Anwendungsbeobachtungen, die zuletzt sehr in der Kritik standen?
Wir haben zwei Kernthemen bei unserer berufspolitischen Sitzung: Zum einen das Antikorruptionsgesetz, das jüngst vom Bundestag verabschiedet wurde, zum anderen die neuesten Nachrichten aus dem Bereich der beiden Gebührenordnungen EBM und GOÄ. Beide Themenkomplexe sind mit hochkarätigen Referenden besetzt.
Beim Antikorruptionsgesetz ist die rechtliche Situation, das heißt die „Ausführungsbestimmungen“ noch relativ unklar. Wir erhoffen uns durch die Referenten hier Aufklärung darüber, was definitiv erlaubt ist und was man unbedingt unterlassen sollte. Der Bereich der Anwendungsbeobachtungen ist ein weites Feld. Generell empfehle ich hier immer detailliert nachzufragen, wer oder was soll beobachtet werden und was ist das Ziel dieser Beobachtung.

Alljährlich sind die Aufnahmen in die „Hall of Fame Ophthalmologie Deutschland“ ein Höhepunkt der DOC. Wer wird diesmal aufgenommen werden?
Die DOC-Teilnehmer haben auch in diesem Jahr eine hervorragende Wahl getroffen mit der Wahl von zwei Persönlichkeiten, die die Augenchirurgie entscheidend positiv beeinflusst haben.
Zum einen Prof. Dr. Georg Eisner, langjähriger Chefarzt der Universitäts-Augenklinik Bern, der sein Wissen und seine Erkenntnisse mit uns allen geteilt hat. Sein grandioses Buch „Augenchirurgie – Einführung in die operative Technik“ (Springer-Verlag 1978) hat vielen von uns in der Ausbildung zum Augenchirurgen entscheidend geholfen. Er wurde nicht nur mit diesem Buch zu einem der großen Augenchirurgie-Lehrer der letzten 50 Jahre.
Zum anderen Dr. Alf Reuscher, ein hervorragender Vorderabschnittchirurg mit großer Liebe auch zu den Augenmuskeln, der es mit viel Verve und Engagement und enormem diplomatischen Geschick hervorragend verstanden hat, der Augenchirurgie den ihr zustehenden Platz im deutschsprachigen Raum zu verschaffen.

Im nächsten Jahr steht die 30. Jubiläumstagung der DOC an – ein feierwürdiger Anlass! Für Sie, der die Tagung gemeinsam mit Prof. Thomas Neuhann seinerzeit ins Leben gerufen hat, muss es sich wie ein Geburtstag anfühlen. Was würden Sie sich zu diesem Anlass wünschen?
Auch wenn die DOC im nächsten Jahr 30 Jahre alt wird, einen Grund zum Feiern gibt es definitiv nicht. Wohl aber einen Grund zu danken, für die Ermutigung und die tatkräftige Unterstützung, die wir von so vielen Meinungsführern in der Augenchirurgie, national und international, erfahren durften.

Herr Dr. Scharrer, vielen Dank für das Gespräch.

Das Gespräch führte Ulrike Lüdtke M.A.
E-Mail: .(Javascript muss aktiviert sein, um diese Mail-Adresse zu sehen)

Ähnliche Beiträge