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(K)ein Ende der Proteste in Sicht

Rollt die Demonstrations-Welle im deutschen Gesundheitswesen langsam aus? Die Signale sind widersprüchlich. Augenärzte schätzen die Wirkung von Protesten unterschiedlich ein. Ein Beitrag von Angela Mißlbeck.

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Ende September haben sich in 130.000 Menschen Berlin versammelt, um für eine bessere Finanzierung der Krankenhäuser zu demonstrieren. Die Teilnehmerzahl ist von der Polizei bestätigt. Diese Größenordnung einer Protestveranstaltung im deutschen Gesundheitswesen ist einmalig. Nie da gewesen ist allerdings auch die breite Allianz der aufrufenden Organisationen. Zum Bündnis „Rettung der Krankenhäuser“ hatten sich mit Bundesärztekammer, Marburger Bund, Deutsche Krankenhausgesellschaft, Deutscher Pflegerat, Deutscher Städtetag, Deutscher Beamtenbund, Verband der Krankenhausdirektoren, die Gewerkschaft verdi und die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände Verbände zusammengefunden, die sonst durchaus gegensätzliche Interessen vertreten – etwa in Tarifverhandlungen.

Eine Woche vorher hat dagegen die Freie Ärzteschaft eine Schlappe mit der von ihr angekündigten Großdemonstration unter dem Motto „Diese Politik macht krank“ erlitten. Weniger als 1.000 Teilnehmer haben sich Polizeiangaben zufolge bei der Abschlusskundgebung eingefunden, wenngleich die Demonstranten nach Teilnehmerangaben zu Beginn zahlreicher gewesen seien. Als ungünstig galt der Zeitpunkt der Demo. Sie fand kurz nach der Bekanntgabe der Honorarsteigerung für 2009 statt, die Krankenkassen und KBV vereinbart hatten (DER AUGENSPIEGEL berichtete). FÄ-Präsident Martin Grauduszus wertete die Demo im Nachhinein zwar als Erfolg. Für die Zukunft kündigte er jedoch dezentrale Protestaktionen an, wie Hospitationen für Abgeordnete und Bundestagskandidaten in Arztpraxen.

Bild BVA-Vorsitzender Prof. Dr. Bernd Bertram:

 

„Proteste ja – Demo nein.“

 

Proteste ja – Demo nein: Dafür stimmt auch der Vorsitzende des Berufsverbands der Augenärzte Prof. Dr. Bernd Bertram: „Zur Zeit sind weitere Demos kaum sinnvoll. Vielmehr ist ein politisches Agieren auf anderen Wegen nötig.“ Anfang 2009 wird sich seiner Meinung nach zeigen, welche Auswirkungen die Kliniker-Demos und die Honorarentwicklung für den Niedergelassenen haben. Dann müssten, so Bertram, „die Weichen für die Zeit nach der nächsten Bundestagswahl gestellt werden“.

 

 

 

 

 

 

 

Bild Dr. Ulrich Oeverhaus, Augenärztliche Genossenschaft Westfalen:

 

„Viele Kollegen werden angesichts ihrer Honorarabrechnung aufschreien.“

 

 

„Viele Kollegen werden aufschreien, wenn sie sehen, dass sie 2009 nicht mehr oder sogar weniger bekommen“, glaubt der Aufsichtsratsvorsitzende der Augenärztlichen Genossenschaft Westfalen Dr. Ulrich Oeverhaus. Die Honorarreform geht seiner Einschätzung nach für die Augenärzte in Westfalen-Lippe bestenfalls mit Plus/Minus Null aus. Einige Kollegen könnten durch die Pauschalierung sogar Einbußen erleiden, rechnet Oeverhaus.

 

 

 

Bild Dr. Rainer Fontana vom Bündnis Direktabrechnung:

 

„Wir haben uns eingeigelt.“

 

Ein Erlahmen des Protestwillens der Ärzte erwartet dagegen der Augenarzt Dr. Rainer Fontana vom Bündnis Direktabrechnung. „Eine gewisse Resignation macht sich breit“, so Fontana. Auch bei den Augenärzten in Rheinland-Pfalz sei der Protestwille nicht mehr sehr stark ausgeprägt. „Wir Augenärzte haben uns eingeigelt – im wahrsten Sinn des Wortes“, so Fontana.

 

 

 

 

 

 

 

 

Über das Zustandekommen der unterschiedlichen Teilnehmerzahlen bei den letzten beiden Demos herrscht Einigkeit unter den Augenärzten: Gewerkschaften sind straffer organisiert als freiberufliche Ärzte. Zudem wird die Teilnehmerzahl von 130.000 von einigen Seiten angezweifelt und auf gute Kontakte zwischen ver.di und der Polizei zurückgeführt. Oeverhaus äußert zudem Kritik an der Strategie der Freien Ärzteschaft. Die Zielsetzung der Demo sei zu unklar formuliert gewesen. Zudem hätten die Berufsverbände mit ins Boot geholt werden müssen. Das meint auch Bertram: „Ohne Unterstützung der Berufsverbände sind zur Zeit keine großen Zahlen an Niedergelassenen zu mobilisieren.“ Der BVA-Chef hofft dennoch, dass sich die Freie Ärzteschaft nicht entmutigen lässt.

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