Euro statt Punkte, Pauschalen statt Einzelleistungen
Das Reformrad im Gesundheitswesen dreht sich weiter. Wie angekündigt hat das Bundeskabinett vor der Sommerpause Eckpunkte zur Gesundheitsreform beschlossen. Sie sollen wesentliche Neuerungen im Honorarsystem der niedergelassenen Ärzte bringen. Zeitgleich hat die Kassenärztliche Bundesvereinigung ein Honorarkonzept vorgelegt. Von Angela Mißlbeck.
Das ärztliche Vergütungssystem wird vereinfacht und entbürokratisiert. Die von Budgets und floatenden Punktwerten geprägte Honorarsystematik wird durch eine Euro-Gebührenordnung abgelöst.“ So steht es in den Eckpunkten zur Gesundheitsreform, die das Bundeskabinett im Juli beschlossen hat. Weniger Bürokratie! Eine Gebührenordnung in Euro und Cent! Weg mit den Budgets! Das waren wesentliche Forderungen der Ärzteproteste. Doch Grund zum Jubeln sieht trotz des Wortlauts der Reform-Eckpunkte kaum ein Arzt. Zu tief sitzt das Misstrauen, dass vollmundige Ankündigungen der Politik am Ende nur leere Versprechungen sein könnten. Auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), die zeitgleich mit der Verabschiedung der Eckpunkte im Bundeskabinett ein Honorarkonzept vorgelegt hat, genießt in Sachen Honorarreform nach etlichen Schwierigkeiten bei der Einführung des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs EBM 2000plus bei einigen Vertragsärzten kein großes Vertrauen mehr. Wenn sie nun beginnt, für jede Fachgruppe Standardpraxiskosten zu berechnen, denkt manch ein Arzt an die Fehler bei der Kalkulation des EBM.
Bundesweit einheitliche Vergütung
Anlage 1 der Regierungs-Eckpunkte trägt in Teilen die Handschrift der KBV. Die Anlage regelt die neue Vergütung niedergelassener Ärzte. Eingeführt werden soll sie 2009. Pauschalen statt Einzelleistungen. Euro statt Punkte. Abstaffelungen statt Budgets. Für die Augenärzte sind wie für alle Facharztgruppen Grund- und Zusatzpauschalen geplant. Mit den Zusatzpauschalen sollen besondere Leistungs-, Struktur- oder Qualitätsmerkmale einer Praxis finanziell abgebildet werden. Zusätzlich sieht das Eckpunktepapier eine begrenzte Zahl von diagnosebezogenen Pauschalen für besonders aufwändige Leistungskomplexe vor. Einzelleistungen werden zur Ausnahme.
Wenn eine Arztpraxis den Break-Even erreicht hat, bei dem die Fixkosten einer Standardpraxis gedeckt sind, sollen die weiteren Leistungen zu abgestaffelten Preisen vergütet werden, die nach den KBV-Vorstellungen für das Arzthonorar und leistungsspezifische Kosten ausreichen sollen. Die Standardpraxiskosten will die KBV bundeseinheitlich auf betriebswirtschaftlicher Grundlage ermitteln. Laut Eckpunktepapier sind regionale Abweichungen für einzelne Arztgruppen nicht erlaubt. Die regionalen Honorarverteilungsverträge sollen entfallen. Lediglich einer speziellen Morbidität der Patientenklientel soll Rechnung getragen werden.
Facharztpraxen bleiben erhalten
Die Vergütungsreform im ambulanten Bereich ist ein Kernstück der Eckpunkte. Von der Umstellung auf Pauschalen wird eine Annäherung an die Finanzierungssystematik bei Krankenhäusern erwartet. Denn Ziel der Bundesregierung ist es auch weiterhin, Krankenhäuser und Niedergelassene enger zusammenzuführen. Das Eckpunktepapier stellt jedoch auch unmissverständlich klar, dass freiberuflich tätige Haus- und Fachärzte die Stützen der ambulanten Versorgung bleiben. Ambulante Leistungen, die sowohl von Niedergelassenen als auch von Kliniken angeboten werden, sollen mit vergleichbaren Honoraren vergütet werden.
Weitere maßgebliche Änderungen, die im Rahmen der Eckpunkte geplant sind, betreffen vor allem die Krankenkassen. Der umstrittene Gesundheitsfonds ist beschlossen. Zudem sollen die Kassen und Verbände auf Bundesebene zu einem einzigen Verband zusammengeführt werden. Kassenartenübergreifende Fusionen werden ermöglicht.
Viele der Regierungs-Eckpunkte klingen viel versprechend, aber vage. So soll das Morbiditätsrisiko auf die Krankenkassen übertragen werden. Genaueres? Fehlanzeige: „Wie dies im einzelnen zu gewährleisten ist, ergibt sich durch die Konkretisierung der Systemausgestaltung“, so die Eckpunkte. Von der Umsetzung im Detail wird es auch abhängen, ob Augenärzte von der Vergütungsreform profitieren. Mit Spannung darf der Gesetzentwurf zur Reform erwartet werden und mit mindestens ebenso großer Spannung warten Ärzte auf die Kalkulationen der KBV.
Vertragsarztrechts-Änderungsgesetz nochmals geändert
Das Bundeskabinett hat das Vertragsarztrechtsänderung-Gesetz noch an einige Stellen geändert. Anders als im Entwurf des Bundesgesundheitsministeriums vorgesehen, über den der AUGENSPIEGEL zuletzt berichtete, müssen Medizinische Versorgungszentren dem Kabinettsbeschluss zufolge weiterhin fachübergreifend sein. Wer eine Zweigpraxis in einem anderen KV-Bezirk eröffnen will, braucht eine Ermächtigung der dortigen KV. Die Zweigniederlassung ist zudem daran gebunden, dass sie der Verbesserung der Versorgung dient. Weggefallen ist die umstrittene Regelung, dass die Landesaufsichtsbehörde den Sicherstellungsauftrag an die Krankenkassen übertragen kann, wenn die KV wegen Unterversorgung in einer Region abgemahnt wurde. Das Sagen soll hier nun der Landesausschuss von Ärzten und Krankenkassen haben.