Das Auge auf der Grußpostkarte

Serie zur Sammlung Roth
Das Geheimnis des Sehens hat die Menschen schon immer fasziniert. Als Sehorgan ist das Auge aber nicht nur aktiv, sondern es hat, passiv gesehen, auch eine Ausstrahlung, die auf den Betrachter einwirkt und ihn anspricht. Bereits in den Felszeichnungen der Jungsteinsteinzeit gibt es dafür Beweise. Nur fällt dabei auf, dass sich Augenabbildungen von Tieren schon in den frühen Höhlenmalereien finden, während der Kopf, das Gesicht und das Auge des Menschen erst dann in diesen Bildern auftaucht, als bereits die ersten Zahlen- und Schriftzeichen entstanden waren. Die Forscher rätseln über die Gründe. Der Blick aber auf das Gesicht vermittelt dem Betrachter die Stimmung. Zorn, Freude, Ärger oder Glück spiegeln sich im Auge und in der Mundpartie als Zentrum der Mimik. Künstler verwenden daher das Auge ganz bewusst in ihren Bildern als Stimmungsmacher.

Bis das Bild des Auges „versandfertig“ werden konnte, dauerte es seine Zeit. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts kam die Postkarte in Mode. Nach Erfindung des Vierfarbendrucks wurde es möglich, Millionen von Kopien preisgünstig anzufertigen. Der günstigere Tarif für das Porto ersetzte nun den Brief, um Freunden und Bekannten in wenigen Worten einen Gruß zu übermitteln. Mit Beginn der Reiselust zeigte man auch gerne den Zurückgebliebenen die Ferne, in der man sich gerade aufhielt, auch Glückwünsche galt es zu versenden. Was bot sich daher anderes an, als auch dort das Auge als Ausdrucksmittel mit einzubeziehen. Heute ist das alles vergessen. Die Postkarte ist out. Ein Handyanruf genügt fürs Date, die SMS überträgt mit dem lachenden Auge eines Smiley den Glückwunsch und Stimmung.

Mehr dazu im AUGENSPIEGEL Juli/August 2016.

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