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Zur diesjährigen AAD vom 3. bis 6. Juni unter dem Dach des WOC 2010

AAD „vertagt“ ihren Frühjahrskongress

Statt wie gewohnt im Frühjahr tagt die Augenärztliche Akademie Deutschland (AAD) in diesem Jahr ausnahmsweise sowohl zu einem späteren Zeitpunkt als auch an anderem Ort: Vom 3. bis 6. Juni lädt der Berufsverband der Augenärzte (BVA) im Rahmen des World Ophthalmology Congress (WOC) ins ICC nach Berlin ein. DER AUGENSPIEGEL sprach mit dem 1. BVA-Vorsitzenden Prof. Dr. Bernd Bertram (Aachen) über die Herausforderung, eine deutschsprachige Fort- und Weiterbildungsveranstaltung in einen internationalen Kongress zu integrieren und die Erwartungen im Vorfeld des von langer Hand vorbereiteten Kongresses.

DER AUGENSPIEGEL: Herr Professor Bertram, der traditionelle Frühjahrskongress des BVA wird in diesem Jahr vertagt und findet im Rahmen des World Ophthalmology Congress (WOC) vom 3. bis 6. Juni im ICC in Berlin statt. Wie kam es zu dieser Entscheidung?
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Prof. Dr. B. Bertram: Nach 44 Jahren findet erstmals wieder der augenärztliche Weltkongress in Deutschland statt. Das will der BVA natürlich gerne unterstützen und mithelfen, die deutsche Augenheilkunde möglichst gut nach außen darzustellen. Durch die Zusammenlegung der AAD mit dem WOC haben alle deutschen Augenärzte in diesem Jahr die Gelegenheit, die AAD als führende deutschsprachige augenärztliche Fortbildung und den Weltkongress der Ophthalmologen in einem zu besuchen.

DER AUGENSPIEGEL: Die letztjährige Tagung der Augenärztliche Akademie Deutschland (AAD) vermeldete einen Besucherrekord. Steht zu befürchten, dass allein die zeitliche Verschiebung in diesem Jahr zu Lasten der Teilnehmerzahlen geht?
Prof. Dr. B. Bertram: Das wollen wir nicht hoffen und sind optimistisch, dass auch die AAD von dem hervorragenden gemeinsamen und sich sehr gut ergänzenden Angebot profitiert.

DER AUGENSPIEGEL: Berlin ist ein interessantes Reiseziel, liegt aber nicht gerade im Zentrum Deutschlands. Sind Sie mit der Wahl des Tagungsortes für die AAD zufrieden?
Prof. Dr. B. Bertram: In den letzten Jahren hat sich sehr bewährt, dass die großen drei deutschen Augenarztkongresse AAD, DOC und DOG-Tagung mit den Orten Düsseldorf, Nürnberg und Berlin über Deutschland verteilt stattfanden und dies soll ab 2011 auch weitergeführt werden. DOG-Tagung und AAD werden 2010 in den großen WOC-Kongress integriert. Düsseldorf ist wegen der dichten Besiedelung in NRW und der guten Erreichbarkeit aus dem Rhein-Main-Gebiet gerade auch für Tagesgäste interessant. Aber Berlin bietet auch am Rande des Kongresses so viele Möglichkeiten und ist verkehrsmäßig so gut erreichbar, dass wir hoffen, dass die vielleicht geringere Zahl an Tagesgästen durch eine größere Besucherzahl für mehrere Kongresstage mehr als ausgeglichen wird.

DER AUGENSPIEGEL: Welche Bedeutung hat die Anbindung der AAD an den WOC hinsichtlich der Programminhalte?
Prof. Dr. B. Bertram: Die AAD wird wieder komplett deutschsprachig stattfinden. Mehrere besonders beliebte Kurse und Minisymposien werden im Rahmen des WOC dem internationalen Publikum angeboten werden. Deswegen mussten nur wenige Kurse in 2010 entfallen, obwohl die AAD 2010 nur vier Tage anstelle der sonst üblichen fünf Tage dauert. Wir werden wieder ein sehr vielfältiges und hochwertiges Programm anbieten, das durch die teils parallel und in den weiteren drei Tagen zusätzlich angebotenen WOC-Veranstaltungen hervorragend ergänzt wird und mit den internationalen Referenten tolle Angebote bietet.

DER AUGENSPIEGEL: Der WOC ist englischsprachig und es sind kaum Simultanübersetzungen geplant. Warum bietet man dies nicht an mit Rücksicht auf die Teilnehmer einer deutschsprachigen Fortbildungsveranstaltung, die (als BVA-Mitglieder) immerhin in diesem Jahr 325 Euro statt 70 Euro als Kongressgebühr bezahlen müssen?
Prof. Dr. B. Bertram: Für die Organisation der WOC-Tagung ist der BVA nicht verantwortlich. Die AAD ist komplett deutschsprachig, sodass eine Übersetzung nicht erforderlich ist. Die Kongressgebühr für AAD und WOC gemeinsam betrug für Frühbucher mit BVA-Mitgliedschaft zwar 250 Euro, aber dafür sind die Kurse deutlich preiswerter als sonst bei der AAD, so dass die Gebühren für durchschnittliche AAD-Besucher ähnlich sind. Diese Preisgestaltung musste die DOG so vornehmen, weil das ICO (International Council of Ophthalmology) dies für alle WOC-Veranstalter vorschreibt.

DER AUGENSPIEGEL: Wird es trotz der Internationalität des Kongresses eine berufspolitische Diskussion des BVA zur gegenwärtigen Situation geben?
Prof. Dr. B. Bertram: Es wird selbstverständlich die übliche berufspolitische Veranstaltung des BVA am AAD-Freitag um 18 Uhr geben, die ohne Teilnahmebeitrag besucht werden kann. Das genaue Thema steht noch nicht fest, weil wir möglichst aktuell sein wollen. Wir bemühen uns einen oder mehrere interessante Gäste einzuladen, um mit diesen zu diskutieren.

DER AUGENSPIEGEL: Das inhaltliche Programm steht unter dem Thema „Prävention in der Augenheilkunde“. Welche Anliegen sind damit verbunden?
Prof. Dr. B. Bertram: Das Thema Prävention erhält in der modernen Medizin einen immer höheren Stellenwert, wobei schon Hippokrates sagte „Vorbeugen ist besser als heilen“. Wir wollen bei der AAD in den Vorlesungen das Thema Prävention aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten. Hierbei soll unter anderem für die verschiedenen Bereiche der Augenheilkunde erläutert werden, welche Möglichkeiten es heutzutage gibt und unter welchen Kautelen eine Prävention überhaupt sinnvoll ist. Aspekte dabei wären beispielsweise, ob man das Risiko für eine Erkrankung oder ein frühes Stadium überhaupt entdecken kann, ob es eine Interventionsmöglichkeit gibt und mit welchem Aufwand diese zu realisieren ist.

DER AUGENSPIEGEL: Welche inhaltlichen Höhepunkte erwartet die Teilnehmer auf dem diesjährigen Kongress?
Prof. Dr. B. Bertram: Höhepunkte sind sicherlich wieder die Vorlesungen zum Hauptthema Prävention und die ganztägige strabologische Ringvorlesung am Samstag. Es wird wieder Kurse aus allen Bereichen der Augenheilkunde und der Berufspolitik geben. Mir ist das Niederlassungsseminar am Samstag besonders wichtig, bei dem wir den jungen Kollegen viele Infos und Tipps rund um das Thema Niederlassung geben können und auch sicherlich wieder junge Kollegen bei der Entscheidungsfindung beraten können, ob sie sich niederlassen oder als Angestellte in Klinik, MVZ oder Praxis arbeiten wollen.

DER AUGENSPIEGEL: Ein Diskussionsthema bei der AMD-Therapie ist weiterhin der Off-Label-Use von Avastin beziehungsweise ausgeeinzeltem Lucentis. Gibt es zu diesem Thema auch Programmpunkte?
Prof. Dr. B. Bertram: Eine spezielle Veranstaltung dazu wird es nicht geben. Der BVA hat sich zu dem Thema schon in den letzten Jahren klar positioniert und diese Position ist allen Mitgliedern bekannt, so dass wir zu dieser speziellen Fragestellung keinen Programmpunkt anbieten müssen. Viel interessanter finde ich die medizinischen Fragen, bei welchen Indikationen wir eine Anti-VEGF-Therapie durchführen sollen und bei welchen nicht, wann erneute IVOM erfolgen sollten sowie ob und wann man bei Makulaödem durch Diabetes oder retinale Venenthrombose eine IVOM mit VEGF-Inhibitoren oder mit Triamcinolon oder neuen verkapselten Dexamethason applizieren soll. Zu diesen Fragestellungen werden von BVA, DOG und RG zur Zeit Empfehlungen erarbeitet, deren Ergebnis sicherlich in einigen Kursen und Veranstaltungen präsentiert werden. Berufspolitisch gesehen ist das Thema Off-Label-Use außerdem viel komplexer als es in Ihrer Frage angesprochen wird. Wir Augenärzte haben in vielen Bereichen Probleme mit Off-Label-Use und können unsere Patienten bei vielen Krankheitsbildern ohne Off-Label-Use nicht vernünftig versorgen. Deswegen haben wir schon seit einiger Zeit beim BMG eine augenheilkundliche Off-Label-Use-Kommission beantragt, damit viele der für die Kollegen und deren Patienten unerträglichen Situationen beseitigt werden können.

DER AUGENSPIEGEL: Mehrere Patientenverbände haben kürzlich in einem öffentlichen Brief die Aufnahme der intravitrealen Injektion in den EBM gefordert. Wie sehen Sie die Situation?
Prof. Dr. B. Bertram: Wir sehen, dass die vielen Verträge zum Thema IVOM die Situation deutlich gebessert haben, so dass die meisten Patienten sehr zeitnah ihre IVOM erhalten. Dort, wo es bisher keine Verträge gibt, wäre der BVA gerne bereit, mit den Kassen Verträge auszuhandeln. Die für die GKV doch sehr teure IVOM-Therapie kann zur Zeit kaum mit einer EBM-Ziffer so geregelt werden, dass Vertragsärzte und Kassen zufrieden sind. Bei einer zu schlechten Honorierung oder zu restriktiven Indikationsgestaltung würden bisher für die Patienten nicht bestehende Probleme entstehen, da sich das Angebot verknappen würde beziehungsweise wieder vermehrt Kostenvoranschläge nötig werden. Außerdem sind die Indikation und die Therapiemöglichkeiten zur Zeit vor allem außerhalb der feuchten AMD so im Fluss, dass sich im Laufe der nächsten ein bis zwei Jahre viel ändern wird, so dass man bei restriktiver Formulierung mehrfach die genaue Leistungslegende der EBM-Ziffer und die dazu gehörende Qualitätssicherungs-Richtlinie ändern müsste.

DER AUGENSPIEGEL: Mit Gesundheitsminister Rösler stellt erstmals ein Arzt die Weichen für die Gesundheitspolitik. Wird dies Ihrer Meinung nach die Rahmenbedingungen für die ambulanten Augenheilkunde verbessern?
Prof. Dr. B. Bertram: Zunächst ist in den ersten drei Monaten mit der neuen Regierung zu beobachten, dass die Diffamierungen der Ärzte und die unberechtigten Beschuldigungen durch das BMG aufgehört haben. Dass Minister Rösler den Bürokratiewahn bekämpfen und die Rahmenbedingungen verbessern will, ist positiv zu werten. Was und wie er das umsetzt und sich gegen die vielen Bürokraten und Regulierer behauptet, müssen wir abwarten. Minister Rösler hat mehrfach betont, unter anderem beim Neujahrsempfang der Ärzteschaft, dass er nicht der Minister der Ärzte sei, sondern der Gesundheitsminister für alle Deutschen. Deswegen ist leider nicht zu erwarten, dass er sich speziell für die Augenärzte einsetzt oder bei den schlechten allgemeinen Wirtschaftsdaten eine ernsthafte Verbesserung unserer Honorierung induziert.

DER AUGENSPIEGEL: Was sind die dringendsten Aufgaben? Die Proteste zur Honorarsituation sind verstummt. Die Probleme aber wohl kaum, oder?
Prof. Dr. B. Bertram: Weiterhin ist das größte Problem der Augenheilkunde die völlig unzureichende Honorierung der nichtoperativen Augenheilkunde im GKV-Bereich. Daran hat sich bisher nichts geändert und auch die verschobenen und jetzt hoffentlich zum 1. Juli 2010 kommenden Änderungen in der Honorarverteilung werden nur geringe Verbesserungen beziehungsweise eine Verlangsamung der Spirale nach unten bewirken. Dass die fachärztliche Basisversorgung allgemein zu schlecht honoriert und die nichtoperative Augenheilkunde in der GKV wegen fehlender Subventionierung durch Leistungen außerhalb der RLV nicht kompensiert werden kann, ist allgemein bei KBV, Kassen und Politik bekannt, führt aber nicht zu Verbesserungen. Mehr Geld für die KV will man nicht zahlen und der Bewertungsausschuss ist zu einer Umverteilung zwischen den Fächern nicht bereit. Man verweist häufig auf angeblich sehr hohe IGeL-Einnahmen von Augenärzten und betrachtet die Augenheilkunde als Ganzes ohne Aufteilung in operativen und nichtoperativen Bereich. In dem derzeitigen System wäre eine Umverteilung eines Teils der OP-Honorare auf die Augenarzt-RLV aber nicht möglich, auch wenn man dies wollte. Trotzdem müssen wir weiter unsere berechtigten Forderungen stellen und noch mehr den hohen Stellenwert der nichtoperativen Augenheilkunde in der Öffentlichkeit artikulieren. Wichtig wäre dabei, dass sich dabei alle Augenärzte und auch alle Augenarztverbände hinter den BVA stellen und nicht über die Vertretung von Partikularinteressen der gesamten Fachgruppe letztlich schaden.

DER AUGENSPIEGEL: Noch einmal zum WOC beziehungsweise zur Tagung der AAD in Berlin: Macht die veränderte Situation in diesem Jahr Lust auf einen Standortwechsel, sprich auf eine Alternative zu Düsseldorf? Köln hat beispielsweise auch schöne Tagungsräume…!?
Prof. Dr. B. Bertram: Wir haben schon für 2011 und 2012 die Räume in Düsseldorf angemietet. Bisher gibt es keine Planungen für alternative Räumlichkeiten ab 2013.

Herr Professor Bertram, vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Ulrike Lüdtke.

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