Zur 30. Jahrestagung des DKVB in Berlin
Im Berliner Medizinhistorischen Museum der Charité fand Anfang März die 30. Jahrestagung des Deutschen Komitees zur Verhütung von Blindheit (DKVB) in Verbindung mit der Tagung der Sektion „Internationale Ophthalmologie“ der DOG statt. Ein Bericht von Dr. Hannsjürgen Trojan.
Links: Im „Museum“ der Charité fand die 30. Jahrestagung der DKBV statt. Mitte: Gut hundert Teilnehmer fanden bequem Platz in der „Ruine“. Rechts: Im Hörsaal stehen noch die Mauerreste aus Virchows Zeit.
Knapp einhundert Teilnehmer hatten sich in der traditionsreichen Ruine des Rudolf Virchow Hörsaales zur 30. Jahrestagung des Deutschen Komitees zur Verhütung von Blindheit eingefunden und hatten zwei Tage lang Gelegenheit zum Austausch an geschichtsträchtigem Ort: Die Hörsaalruine befindet sich im Berliner Medizinhistorischen Museums, im Gebäude des ehemaligen Pathologischen Museums von Rudolf Virchow, einem Bestandteil des Gebäudekomplexes des Institutes für Pathologie der Charité. Im zweiten Weltkrieg wurde das Museum durch Bombenvolltreffer schwer beschädigt. Viele Exponate, die den Bombenhagel überstanden haben, sind im Museum heute zu besichtigen, beispielsweise Unmengen humaner Pathologica, angefangen bei A=Anencephalus bis hin zum Z=Zyklop.
Sektion Internationale Ophthalmologie der DOG
Am Freitagabend fand traditionell die Versammlung der Sektion „Internationale Ophthalmologie“ statt. Im Hörsaal des Museums berichtete Dr. Kaushick Biswas, Indien, im ersten Beitrag der Tagung über die Situation der Blindheit in Indien. In dem riesigen Land mit 1,2 Milliarden Einwohnern habe sich die Situation der Ophthalmologie in den vergangenen 20 Jahren deutlich verbessert. „Das Land hat hier die Sache selbst in die Hand genommen“, so Biswas. „Besonders bewährt hat sich die Einteilung in zahlende und nichtzahlende Patientengruppen, wobei die Qualität der Behandlung bei beiden Gruppen gleich ist.“ Finanziell trage die „Pay-Clinic“ die „Free-Clinic“.
Dr. Sebastian Briesen, Bonn, berichtete anschließend über den derzeitigen Stand der Kataraktchirurgie in Ostafrika und gab damit auch einen vorsichtigen Blick in die Zukunft. Es gehe vor allen Dingen darum, die Komplikationsrate bei der Kataraktchirurgie zu verringern. Das hieße aber, dass die Operation zu einem früheren Zeitpunkt erfolgen müsse als bisher üblich und möglich. Bewährt habe sich, die Patienten in die Kostendeckung mit einzubeziehen, denn nach wie vor gelte die Überzeugung, dass kostenlose Leistungen auch nichts taugen. Zudem mindere ein kostenfreies Leistungsangebot deutlich die Attraktivität des Berufes des Augenarztes.
Über das terrestrisch höchste Eye Camp, das je durchgeführt worden ist, nämlich in 4.000 Meter Höhe im Himalaya, berichtete Dr. Kaushick Biswas, der in eindrucksvollen Bildern sowohl die Schwierigkeiten als auch die einmalige Faszination einer solchen Expedition zu demonstrieren vermochte. Der Netzhautspezialist besuchte zwei in dem Gebirgszug gelegene Dörfer, die etwa 2.500 Höhenmeter voneinander entfernt lagen. Die Operationen führte er in dem unteren Ort durch, während in der auf 4.000 Metern Höhe gelegenen Ansiedlung Untersuchungen durchgeführt wurden.
Prof. Dr. Klauß dankte Dr. Kaushick Biswas (links) für seine eindrucksvolle Schilderung eines Outreach-Einsatzes im Himalaya in
4.000 Meter Höhe.
Hierbei kam ihm sehr zugute, dass er in der Lage war, die Untersuchungen der vorderen und hinteren Augenabschnitte im indirekten Bild, also mit Taschenlampe und Lupe durchzuführen. So konnte er die Spaltlampe zu Hause lassen, denn alles musste über viele Kilometer auf schwierigsten Bergpfaden auf den Schultern getragen werden.
Jahrestagung des DKVB
Am Samstagmorgen konnte Dr. Raimund Balmes als Vorstandsvorsitzender des Komitees gemeinsam mit dem Tagungsorganisator Dr. Thomas Engels knapp 100 Teilnehmer begrüßen. Die Gesundheitssenatorin der Stadt Berlin, Katrin Lompscher unterstrich in ihrem Grußwort die Verbindung zwischen Tagung und Gebäude, in dem auch Albrecht von Graefe gewirkt hatte.
Aus der Vielzahl der Referate der Samstagssitzung sollen im Folgenden nur einige Themen zusammengefasst werden: Im ersten Beitrag forderte Andreas Bethke, Geschäftsführer des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbandes, eine Selbststärkung der Blinden, forderte aber auch deren Mitbeteiligung am Leben in der Gesellschaft. Blindheit sei nicht nur eine medizinische Schädigung, sondern es bestehe auch eine Wechselwirkung zu den Mitmenschen. Bethke plädierte in diesem Rahmen für eine bessere Gestaltung der Umwelt und eine Barrierefreiheit in den öffentlichen Bereichen des Lebens: Hilfsmittel müssten sowohl für Sehende als auch Nichtsehende brauchbar werden.
Neuerblindungen in Vietnam
Prof. Dr. Duy-Thoai Pham, Berlin, der als junger Mensch aus Vietnam geflohen war, erinnerte daran, dass 1993 in Vietnam nach Beendigung des Embargos seitens der USA wieder 0,8 Prozent des Bruttoinlandproduktes für die Gesundheit ausgegeben werden. Das seien immerhin 700 Millionen Dollar. Die Katarakt stelle in Vietnam mit 71 Prozent die Haupterblindungsursache dar. 1977 gab es im ganzen Land nur 120 Augenärzte. 2001 waren es immerhin schon 1.080. Diese Zahl reiche noch immer bei Weitem nicht, denn die Anzahl der Erblindungen durch eine Katarakt nehme noch immer pro Jahr um eine Million zu.
Ist die Onchozerkose am Ende?
Prof. Dr. Guido Kluxen, Wermelskirchen, stellte den vermeintlichen Erfolg der WHO hinsichtlich der Ausrottung der Onchozerkose in Frage und. Erst kürzlich wurde die Onchozerkose von der WHO aus der Liste der „blinding diseases“ herausgenommen mit der Begründung, sie sei durch die Anwendung der vorhandenen Wirkstoffe zurückgedrängt und gegenwärtig lediglich eine dermatologische Erkrankung. Diese Einstufung sei aber entschieden zu früh, wandte Kluxen ein und bezog sich hierbei auf die Aussagen führender Experten, die vor Ort arbeiten. Allein die enorme Flugweite der Simulien gäbe es zu bedenken. Und noch immer sei eine beträchtliche Zahl von Erkrankten weder von der Vektorkontrolle noch von einer gezielten Therapie erreicht worden.
Facharztausbildung in Afrika
Dr. Sebastian Briesen, Bonn, beschrieb in seinem Vortrag zum Masterstudiengang an der Kenyatta Universität in Nairobi eine besondere Art der augenärztlichen Ausbildung, die er selber durchlaufen hat. Angefangen bei den Studiengebühren, die sich auf rund 10.000 Euro beliefen, koste diese Ausbildung viel Geld. Hinzu kommen Unterbringung und Ernährung und der Auszubildende bekomme kein Assistentengehalt. Dafür werde aber viel geboten: man lerne wissenschaftliche Publikationen zu verfassen, einschließlich der Doktorarbeit, sammle praktische Erfahrungen bis hin zum Stationsdienst und intensiver Ambulanz, lerne Operationstechniken kennen und sei zu Outreach-Einsätzen unterwegs.
Dr. Sebastian Briesen bei seinem Bericht über den Masterkurs in Nairobi.
Schwierigkeiten bereite die Anerkennung des kenianischen Examens in Deutschland, da es kein Abkommen zwischen den beiden Ländern gibt. Die Deutsche Ärztekammer entscheidet sich im Anschluss an die Ausbildung, ob sie diese anerkennt. Somit starte man ins Ungewisse. Beim Referenten wurde das Examen letztendlich anerkannt, jedoch mit der Auflage, ein Anerkennungsjahr an einer deutschen Augenklinik mit anschließender Facharztprüfung zu leisten.
Plattform Augeninstrumente
Dieter Lebherz, Heidelberg, stellte die Initiative „Plattform Augeninstrumente“ vor, bei der es sich um das koordinierte Sammeln und gezielte Verteilen von augenärztlichen Instrumenten und Geräten für soziale Projekte in der Augenchirurgie handelt.
.
Dieter Lebherz (links) bei der Vorstellung der Initiative „Plattform Augeninstrumente“, neben ihm DKVB-Vorsitzender Dr. Raimund Balmes.
Bei der Jahrestagung des Komitees in Wermelskirchen im Jahre 2008 hatten die Gründer der Initiative Dieter Lebherz, Bodo Hufeland und Jörg Wild aus Heidelberg zu einer Sammlung von gebrauchten Geräten für ein Projekt in Cusco aufgerufen. Sie stellten das Projekt der Firmenleitung Geuder vor. Das Unternehmen nahm sich spontan der Sache an und stellte Räume und Manpower zur Überprüfung der Geräte zusammen. Mittlerweile haben sich eine Vielzahl wertvoller Geräte eingefunden, die der Klinik in Cusco übergeben werden konnten. Lebherz stellte nun seine weiteren Pläne vor. Es ginge ihm vor allem darum, den Bekanntheitsgrad dieser Plattform zu steigern und ein Spendenkonto einzurichten, um gebrauchte Geräte kaufen zu können. Fernziel sei die Lieferung an die Projekte selbst, wenn diese die Zollabläufe selbst übernehmen.
Ein Blick ins Konto
Im letzten Beitrag berichtete Charlotte Ellendorff, Lüneburg, als Finanzverwalterin des DKVB über Einnahmen und Ausgaben. Die Einnahmen gestalten sich hauptsächlich durch die Beiträge der Mitglieder sowie durch zweckgebundene, aber auch freie Spenden, weiterhin gäbe es einige Bußgelder und Zinseinnahmen sowie Einnahmen, die sich nicht in Euro und Cent ausdrücken lassen, beispielsweise Arbeitsleistungen sowie neue und gebrauchte Geräte.
Die Aufwendungen kommen zunächst einige Projekte in Entwicklungsländern zugute, ferner gibt es eine Drittelbeteiligung an den Kosten für die Zeitschrift Global Vision. Weitere feste Ausgaben fallen an für die Mitveranstaltung der bundesweiten Aufklärungskampagne „Woche des Sehens“ sowie für Reise- und Unterbringungskosten für ausländische Gäste bei der Jahrestagung des DKVB.
Wo aber waren die Vertreter der Augenkliniken?
Leider glänzte zur 30. Jahrestagung der DKVB der deutsche „akademisch-ophthalmologische Hochadel“ durch Abwesenheit. Es fehlten diejenigen, bei denen das Gehalt weiterläuft, wenn sie einen Einsatz in einem Entwicklungsland durchführen. Nur ein einziger Vertreter einer Deutschen Universitäts-Augenklinik war anwesend. Eine verkehrte Welt. Dabei ist, schließlich und endlich, die Verhütung der Blindheit die Hauptaufgabe jedes Augenarztes. Aber es gehen offensichtlich nur diejenigen Ärzte in die Entwicklungsländer, die alles aus eigener Tasche bezahlen müssen. So auch den Vertreter für die Praxis, was im Übrigen meist den größten Ausgabenfaktor darstellt. Eine lobenswerte Ausnahme gab es jedoch: Professor Rudolf Guthoff aus Rostock. Ihm sei für sein Interesse und seine kontinuierliche aktive Beteiligung besonders gedankt.
Gelungene Tagung
Ein besonderer Dank gilt dem Ehepaar Dr. Thomas und Isabel Engels, die in Berlin eine gelungene Tagung organisierten: Angefangen von den Vortragsräumen im „Museum“, die sich als ideale Lösung zeigten, bis hin zum reibungslosen Funktionieren der Beamer-Übertragung (Anm. des Autors: Es war seit 15 Jahren der erste Kongress, bei dem alle technischen Feinheiten ohne Panne klappten) sowie letztendlich der kulinarischen Bewirtung.
Die Organisatoren, das Ehepaar Dr. Thomas und Isabel Engels, Berlin.
Somit war die Jahrestagung ein voller Erfolg. Das Programm war ausgewogen, die Vortragenden richteten sich an die Zeitvorgaben und der Terminplan konnte eingehalten werden. Vielleicht könnte man kritisch bemerken, dass es ein paar Vorträge zu viel gab. Die „Tropiker“ treffen sich und wollen sich unterhalten, sie wollen quatschen und von vergangenen Zeiten schwärmen. Dazu hätten sich manch’ einer ein wenig mehr Zeit gewünscht.