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World Ophthalmology Congress 2010

Interview mit Prof. Dr. Gerhard K. Lang
Zum World Ophthalmology Congress (WOC) 2010, dem weltweit größten ophthalmologischen Kongress, werden Anfang Juni rund 8.000 Ophthalmologen aus etwa 120 Ländern in Berlin erwartet. Unter dem Dach des Weltkongresses laden auch die Augenärztliche Akademie Deutschland (AAD) und die Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft (DOG) zu ihrer jährlichen Fachtagung ein. DER AUGENSPIEGEL sprach mit dem Direktor der Universitäts-Augenklinik Ulm,
Prof. Dr. Gerhard K. Lang, der als Kongresspräsident in diesem Jahr nicht nur der DOG vorsteht, sondern auch dem zweijährlich stattfindenden WOC, über das internationale ophthalmologische Großereignis in Berlin.

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DER AUGENSPIEGEL:
Nach mehrjähriger Vorbereitung steht nun der World Ophthalmology Congress in Berlin unmittelbar bevor. Wie waren die letzten Monate für Sie, Herr Professor Lang?

Prof. Dr. Gerhard K. Lang:
Naturgemäß baut sich bei so einem Ereignis, wenn es näher kommt, eine gewisse Spannung auf und die Dinge entwickeln eine Eigendynamik. Nach jahrelanger Vorbereitung möchte das Executive Committee aber jetzt auch die Früchte der jahrelangen Arbeit am Programm, an der Organisation und an der Promotion in die Tat umgesetzt sehen und hoffentlich einen organisatorisch reibungslosen Ablauf erleben. Aber die Vorfreude auf das kommende Ereignis wiegt alle Mühen und Anstrengungen der letzten Jahre auf.

DER AUGENSPIEGEL:
Etwa 3.000 internationale Experten bieten in rund 600 Sitzungen ein beeindruckendes Themenspektrum aus allen Bereichen der Ophthalmologie. Da fällt die Auswahl manchem vielleicht schwer. Welche Sitzungen aus dem internationalen Programm, das zwei Tage versetzt zur AAD beginnt, würden Sie einem typischen AAD-Besucher noch zusätzlich nahe legen?

Prof. Dr. Gerhard K. Lang:
Das ist sicherlich individuell unterschiedlich. Aus diesem Grunde haben wir alle Anstrengungen unternommen, das endgültige WOC-Programm bereits seit Mitte April auf der Homepage im Netz zu haben. Jeder einzelne Ophthalmologe hat hier auf der Homepage mit einer Suchfunktion gezielt die Möglichkeit, nach seinem Interesse Veranstaltungen herauszusuchen. Es gibt ein vielfältiges und exzellentes Symposienprogramm! Naturgemäß geben die Subspecialty Days eine komprimierte Übersicht über einen klar umrissenen Themenbereich, der auch in einem Handout zusammengefasst wird. Lunchsymposien der Industrie zu ausgewählten Themen und WOC-Kurse sind weitere Optionen für den interessierten Besucher.

DER AUGENSPIEGEL:
Das Programm des Weltkongresses bietet Subspecialty Days zu den Themen Glaukom, Katarakt, Refraktive Chirurgie, Retina und Pädiatrische Ophthalmologie. Welche Entwicklungen und Innovationen in der Augenheilkunde sind Ihrer Meinung nach derzeit besonders vielversprechend?

Prof. Dr. Gerhard K. Lang:
Dies ist eine besonders gute Frage, zumal ich weiß, dass in einigen Sitzungen und Subspecialty Days bis zum letzten Augenblick Programmplätze für so genannte Hot Topics reserviert sind. Hier werden also ganz neue Informationen und neueste Forschungsergebnisse präsentiert. Es ist davon auszugehen, dass die Organisatoren der Symposien und Subspecialty Days kompetitiv gute Sitzungen gestalten und abhalten werden.

DER AUGENSPIEGEL:
Die Referentenliste des WOC ist ein „Whos`s who“ internationaler Meinungsführer. Damit haben die deutschen Ophthalmologen in Berlin die Chance zu einem internationalen Austausch auf höchstem Niveau. Welche weiteren Programm-Höhepunkte möchten Sie den Teilnehmern empfehlen?

Prof. Dr. Gerhard K. Lang:
Ganz besonders möchte ich das Videoprogramm empfehlen. 27 hervorragende Videos werden in vier Sitzungen gezeigt und sind auch an so genannten E-Viewing-Stations jederzeit einsehbar. Weiterhin sollte jeder Besucher auch einen interessierten Blick auf das Kursprogramm werfen. Auch hier kann eine komprimierte Übersicht zu bestimmten Themenbereichen gewonnen werden.

DER AUGENSPIEGEL:
Mit dem Kongressstandort Berlin trifft sich die internationale Ophthalmologie in der Stadt, in der mit Herman von Helmholtz und Albrecht von Graefe zwei Wissenschaftler gewirkt haben, die der Augenheilkunde viele Impulse gegeben haben. Welchen Stellenwert hat die deutsche Ophthalmologie heute im internationalen Vergleich?

Prof. Dr. Gerhard K. Lang:
Hermann von Helmholtz und Albrecht von Graefe sind in der Tat zwei Wissenschaftler, deren Kreuzung der Lebenswege die Augenheilkunde entscheidend beeinflusst hat. Der 29-jährige Hermann von Helmholtz hat 1851 einen Augenspiegel angegeben, den der 22-jährige Albrecht von Graefe in die Ophthalmologie eingeführt hat und somit die Retinologie begründete. So wie in der damaligen Zeit die deutsche Ophthalmologie die Augenheilkunde beherrschte und in der Welt führend war, ist es heute mehr oder weniger zu einem Angleich der internationalen Spitzen-Ophthalmologie gekommen. Die deutsche Augenheilkunde spielt nach meinem Dafürhalten nach wie vor in der Champions League der Ophthalmologie mit, zumal wir unseren „Spielern“ eine exzellente Medizin- und Facharztausbildung mit auf den Weg geben. Aber bei der Forschung müssen wir aufpassen, nicht den Anschluss in der Welt zu verlieren.

DER AUGENSPIEGEL:
Die Forschungsbedingungen in Deutschland sind verbesserungswürdig. Wo sehen Sie Handlungsbedarf und Möglichkeiten der Optimierung?

Prof. Dr. Gerhard K. Lang:
Das Hauptproblem in Deutschland sehe ich in der Bürokratisierung der klinischen Medizin. Ich persönlich habe das Gefühl, meine Assistenzärzte zu Fachärzten für Augenheilkunde und Schriftverkehr auszubilden. Es ist heutzutage keine Seltenheit, dass Assistenzärzte während der Ausbildung mehr Zeit vor dem Verwaltungscomputer verbringen als mit dem Patienten oder an der Spaltlampe oder am Operationsmikroskop. Bei derart ausgelasteten, teilweise auch überlasteten Ausbildungssituationen findet sich kein Platz mehr für entspannte Forschung. Und die personellen Ressourcen zur Freistellung für Forschungsaufenthalte oder Forschungsfreistellungen sind zunehmend nicht mehr gegeben. Hier ist meines Erachtens dringender Handlungs- und Verbesserungsbedarf gegeben.

DER AUGENSPIEGEL:
Gibt es Herausforderungen für die internationale Ophthalmologie, denen sie sich gegenwärtig in besonderem Maße stellen muss? Zum Beispiel im Bereich der Forschung, Ausbildung, Blindheitsverhütung….?

Prof. Dr. Gerhard K. Lang:
Die Herausforderung für die internationale Ophthalmologie ist die Heterogenität der Aufgabenstellung. Das International Council kümmert sich weltweit um Fragen, die die Augenärzte betreffen. Ich werde in meiner Eröffnungsrede während der Opening Ceremony auf diese Problematik eingehen, dass in einigen Ländern dieser Erde ein Ophthalmologe für mehr als drei Millionen Menschen zuständig ist. In anderen Ländern führt eine zu hohe Ärztedichte dazu, dass die Patienten kompetitiv umworben werden und Operationsindikationen unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten und extrem früh gestellt werden. In manchen Ländern haben die Augenärzte damit zu kämpfen, dass das Fach finanziell uninteressant ist oder von anderen Berufsgruppen infiltriert wird. In der Bewältigung dieser unterschiedlichsten Herausforderungen liegt sicherlich eine der schwierigsten Aufgaben der internationalen Ophthalmologie der Zukunft.

DER AUGENSPIEGEL:
Bei der internationalen Zusammenkunft anlässlich des WOC soll nicht nur gearbeitet werden. Auch das Rahmenprogramm bietet besondere Highlights: Es gibt einen Charity-Run, eine Kunstauktion zugunsten der von der DOG ins Leben gerufenen Stiftung Auge, ein Eröffnungsfest und das mit Spannung erwartete WOCtoberfest. Worauf freuen Sie sich am meisten?

Prof. Dr. Gerhard K. Lang:
Am Samstag, den 5. Juni, findet die feierliche Opening Ceremony statt. Ich würde allen Augenärzten empfehlen, diese Veranstaltung nicht zu verpassen, da dies ein optisches und akustisches Feuerwerk wird mit dem feierlichen Einmarsch der Professoren und einer Hommage an Albrecht von Graefe, gefolgt von dem offiziellen Teil, den Ansprachen des WOC-Präsidenten, den Präsidenten der ICO und der AOI mit den Verleihungen der Internationalen Preise (Gonin Medal, Duke Elder Medal, Francois Gold Medal, Bernardo Streiff Medal, Naumann International Pathology Award). Es folgen noch einige Highlights, die ich jetzt noch nicht verraten will, auf die der Zuschauer getrost gespannt sein kann. Diese Eröffnungsveranstaltung geht über in eine WOC-Reception, also: meet old friends, make new friends.
Am Sonntag, den 6. Juni, findet das WOC in Concert statt. Hier musizieren internationale Ophthalmologen für internationale Augenärzte in der französischen Kirche am Gendarmenmarkt.
Am Montag, den 7. Juni, veranstalten wir dann das WOCtoberfest, wo in einer fantastischen Halle (Hangar 2) am stillgelegten Flughafen Tempelhof ein original bayerisches Oktoberfest stattfinden wird – mit Trachtengruppe und der populärsten Oktoberfestband der Welt, der „Münchener Zwietracht“, sowie einigen weiteren Highlights, die ein echter Knaller sein werden. Charity-Run und Kunstauktion sind geeignete Veranstaltungen, auf die Stiftung Auge hinzuweisen, und wir hoffen hier auf rege Beteiligung.

DER AUGENSPIEGEL:
Die Kongressvorbereitung hat Sie lange Zeit beansprucht. Wie werden Sie nach dem Weltkongress die viele freie Zeit füllen, die Ihnen nun ohne WOC zur Verfügung steht? Werden Sie sich als Kongresspräsident mit einem lachenden und einem weinenden Auge verabschieden?

Prof. Dr. Gerhard K. Lang:
Im Rahmen der Preisverleihung findet am Mittwoch, den 9. Juni, die offizielle Amtsübergabe an meinen Nachfolger Prof. Dr. Reinhard, Freiburg, statt. Natürlich wird zu diesem Zeitpunkt die Freude überwiegen, nach der epochalen Aufgabe einen Weltkongress zu veranstalten, die Amtskette an den Nachfolger abgeben zu können. Nachdem ich über die Jahre der Vorbereitung hinweg stets darauf geachtet habe, dass meine Tätigkeit in der Universitäts-Augenklinik Ulm unverändert und ohne Abstriche fortgeführt wird, wird es nach der Amtsübergabe die vermehrte Freizeit sein, die mir dann wieder zur Verfügung steht, und die nicht von Weltkongressaufgaben ausgefüllt wird. Meine Frau und ich freuen uns auf die Zeit nach dem Kongress genauso wie wir uns derzeit auf den Kongress freuen.

DER AUGENSPIEGEL:
Herr Professor Lang, vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Ulrike Lüdtke.
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