Woche des Sehens 2008

Früherkennung und Bildungschancen
Die drei Themenbereiche „Frühvorsorge rettet Augenlicht“, „Blindes Kind – dunkle Zukunft?“ und „Afrika: Eine Kapsel rettet Auge und Leben“ stehen im Mittelpunkt der Woche des Sehens, die auch in diesem Jahr vom 9. bis 15. Oktober 2008 stattfindet. Insbesondere die Bedeutung guten Sehvermögens bei Kindern steht damit im Zentrum der diesjährigen Aufklärungskampagne, die von sieben Non-Profit-Organisationen getragen wird. Augenärzte sind dazu aufgerufen, sich an der Kampagne zu beteiligen. Ein Bericht von Michael Herbst.

Mit der Feststellung, dass 30 bis 40 Prozent der Erblindungen in Deutschland vermeidbar wären, schockte der ehemalige Präsident des Berufsverbandes der Augenärzte (BVA) während der Woche des Sehens 2006. Ein Teil der Augenerkrankungen, die sogar hierzulande zur Erblindung führen, treten im Kindergartenalter auf, erklärt Dr. Kraffels Nachfolger, Prof. Dr. Bernd Bertram. Sie wären oft therapierbar, vorausgesetzt man entdeckt sie rechtzeitig. Der BVA schlägt deshalb gemeinsam mit der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft eine fachärztliche Augenuntersuchung aller Kinder um den dritten Geburtstag herum vor. Der Kinderarzt kann längst nicht alle Augenschädigungen bei seinen Routineuntersuchungen diagnostizieren. Im Moment muss er aber einen Anhaltspunkt haben, um Kinder mit dem Segen der gesetzlichen Krankenversicherer zum Augenarzt überweisen zu können. Die Fachleute warnen: Wird eine Augenschädigung dadurch erst später festgestellt, können Entwicklungsstörungen beim Kind und gar eine irreparable Sehbehinderung die Folge sein.

In jedem Fall vermeidbar ist Kinderblindheit durch Vitamin-A-Mangel, weiß Annette Keseberg von der Christoffel Blindenmission (CBM). „Eine entsprechende Tablette kann“, so Keseberg, „zum Beispiel die Flussblindheit in Entwicklungsländern verhüten helfen“. Sie kostet nur einen Euro und gemeinsam mit dem Hilfswerk der Lions und dem Deutschen Komitee zur Verhütung von Blindheit hat sich die CBM der Aufgabe verschrieben, vor allem in der 3. Welt Blindheit zu verhüten und zu heilen. Ihr Anliegen in der Woche des Sehens 2008: 100.000 Wunder bewirken. Sehen schaffen, wo Blindheit war. Vorsorge schaffen, wo Blindheit droht. Über die Möglichkeiten, wie dies oftmals mit wenig Geld machbar ist, informiert die CBM 100 Jahre nach ihrer Gründung während der Kampagne und darüber hinaus.

7.000 blinde Kinder gehen in Deutschland zur Schule. 27 Prozent von ihnen lernen mit sehenden Klassenkammeraden an ganz normalen Gesamt-, Grund-, Haupt-, Real- und (Fach-)Oberschulen. Andere Eltern entscheiden sich dafür, ihr Kind einer speziellen Blindenschule anzuvertrauen. All die genannten Schulformen finden sich auch dort. „Beides muss es geben und die Eltern beziehungsweise ihre mündigen Kinder müssen wählen können“, stellt Andreas Bethke, Geschäftsführer des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbandes, den Standpunkt seiner Organisation zur in letzter Zeit vielfach gehörten politischen Forderung „Integration vor Segregation“ klar. Das eigentliche Problem liegt woanders: „Die Kinder müssen die bestmögliche Ausbildung erhalten, um später auf dem Arbeitsmarkt Fuß fassen zu können“, betont Dr. Michael Richter vom Deutschen Verein der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf. Schließlich haben nur drei von zehn Blinden einen Job. Allzu oft wird das in der Bildung Sinnvolle, das für Sehende Selbstverständliche, den finanziellen Schwierigkeiten der öffentlichen Hand geopfert. Da werden blindenspezifische Arbeitstechniken nicht vermittelt, Hilfsmittel nicht finanziert, die Hilfe bei Praktika und Auslandsaufenthalten verweigert. Es fehlt an Qualitätsstandards in der Blindenbildung von der frühkindlichen Förderung bis in die Hochschule, beklagen die beiden Selbsthilfeorganisationen in der Woche des Sehens-Koalition und fragen provokant: „Blindes Kind – dunkle Zukunft?“

Wer sich für die Woche des Sehens interessiert, womöglich mitmachen will, trifft sich mit Gleichgesinnten auf http://www.woche-des-sehens.de. Von den gemeinsamen Aktionen der Selbsthilfeorganisationen, der Augenärzte und der bundesweiten Hilfswerke lebt die Kampagne. Info- und Werbematerial, Unterstützung bei der Partnersuche und bei der Pressearbeit gibt’s kostenlos. Ein Kinospot macht bundesweit auf die Kampagne aufmerksam. Für die Macher fast schon Routine und doch immer wieder neu. Nächstes Jahr geht’s um Sehbehinderung, um nicht sehende, aber auch nicht blinde Menschen, ist aus der Koordinationsgruppe zu hören.

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