Toxische Keratopathie bei Pflegemittelinkompatibilität

Fallbeispiel aus der Praxis von Dr. Hans-Walter Roth.

Zur Anamnese

Ein 35 Jahre alter Versicherungsvertreter kommt am Wochenende in die augenärztliche Notfallsprechstunde und berichtet über eine zunehmende Rötung und Schwellung beider Augen. Er trägt seit einigen Monaten weiche hydrophile Kontaktlinsen, die er aus dem Internet bezog. Augenärztliche Kontrollen waren bislang nicht erfolgt. Subjektiv klagt er über ein beidseitiges Jucken der Augen, eine erhöhte Blendungsempfindlichkeit sowie mangelndes Kontrastsehen vor allem bei nächtlichem Autofahren. Zur Trageweise und Pflege der Linsen wird angegeben, dass er diese bislang mit einem aus dem Internet bezogenen und vom Versandhandel empfohlenen Kombinationsmittel gereinigt, desinfiziert und vor dem Einsetzen benetzt habe. Seit kurzem habe, er wegen Lieferprobleme sich diverse einzelne Präparate sowohl vom Augenoptiker wie auch aus dem Supermarkt besorgt und einmal das eine oder das andere zur Linsenpflege benutzt.

Der Befund

Beide Augen erscheinen bis auf eine mäßige konjunktivale Injektion reizfrei, es besteht aber eine markante perilimbale Betonung der Gefäße und sowie eine sulzige Schwellung im perilimbalen Raum unter der Auflagefläche der weichen Linse (s. Abb.). Eine Vaskularisation der Kornea zeigt sich dabei nicht. Die Hornhaut ist etwas verdickt, die zentralen pachymetrischen Werte betragen rechts 588 µm, links 589. Der Visus unter den Linsen beträgt beidseits 0.9, korrigierende Gläser bessern nicht. An der Spaltlampe zeigt sich im Punktlicht ein mildes Hornhautödem, was die Blendungsneigung erklärt, die übrigen Augenabschnitte sind unauffällig.

Die Diagnose

Toxische Keratopathie, klassisches Mixed Solution Syndrom (MSS).

Die Differenzialdiagnose

Overwear, Materialfehler, Anpassfehler, Iritis, Uveitis, allergische Konjunktivitis.

Der Kommentar

Weiche hydrophile Kontaktlinsen speichern nicht nur die Tränenflüssigkeit, sondern auch die Pflegemittel. Nicht alle diese Mittel sind dabei miteinander kompatibel, oft führt daher die gleichzeitige Anwendung der verschiedenen Präparate mit der gleichen Kontaktlinse durch Entwicklung unbekannter Substrate, die sich im Linsenmaterial anreichern können, zur Intoxikation von Bindehaut und Hornhaut, was zum Teil massive Schäden am Auge auslösen kann. Wichtig ist daher die Aufklärung des Patienten über die Ätiologie seines Schadens beziehungsweise einer adäquaten Linsenpflege.

Die Therapie

Die erste Therapiemaßnahme ist der konsequente Tragestopp. Die getragenen Linsen sind dabei zu verwerfen. Lokal empfiehlt sich die Gabe von mild adstringierenden Augentropfen, die frei von Konservierungsmitteln sein sollten. Auch antiallergische Präparate haben sich hier gelegentlich bewährt, Kortikoide und Antibiotika sind wirkungslos.

Ähnliche Beiträge