OLG-Urteil: Auseinzeln von Lucentis erlaubt
Nach mehr als vierjähriger Verfahrensdauer in dem Rechtsstreit zwischen Novartis und APOZYT, einer Tochter der APOSAN Dr. Künzer GmbH, hat das Hanseatische Oberlandesgericht (Az. 3 U 43/14) am 18. Dezember 2015 entschieden: Das Gericht wies die Klage von Novartis ab. Die Revision zum Bundesgerichtshof wurde nicht zugelassen.
„Wir freuen uns, dass das Hanseatische Oberlandesgericht im Anschluss an das Urteil des Europäischen Gerichtshofs grünes Licht für die Herstellung der von APOZYT patientenindividuell hergestellten Augenarzneimittel gegeben hat“, sagt Dr. Clemens Künzer, Geschäftsführer APOZYT und APOSAN. „Das Urteil dürfte unter dem Gesichtspunkt der Stärkung der Therapiefreiheit auch den Ärzten und unter Kostengesichtspunkten den Kostenträgern gefallen.“ Die Parteien stritten darüber, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen APOZYT im Auftrag von Apotheken auf der Basis einer ärztlichen Verordnung Fertigarzneimittel patientenindividuell abfüllen darf, ohne für die ausgeeinzelten Medikamente eine eigene europäische Arzneimittelzulassung zu besitzen.
Konkret geht es um die Fertigarzneimittel Lucentis (Wirkstoff Ranibizumab) von Novartis und Avastin (Wirkstoff Bevacizumab) von Roche, Arzneimittel zur Behandlung der altersbedingten Makuladegeneration (feuchte AMD) oder des diabetischen Makulaödems (DMÖ). Zur Therapie injiziert der Arzt in regelmäßigen Abständen in einer ambulanten Operation dem Patienten die Arzneimittel in den Glaskörper des Auges. Dieser operative Eingriff erfolgt in Deutschland ungefähr 500.000 Mal im Jahr. Tendenz steigend. Die während der Operation benötigten Arzneimittel werden vom Arzt verordnet. Er hat die Wahl, ein Fertigarzneimittel zu verschreiben und dieses vor der Operation selbst zuzubereiten. Etwaige Restmengen muss er in diesem Fall verwerfen. Alternativ kann er ein patientenindividuell hergestelltes, exakt dosiertes und anwendungsfertiges Arzneimittel verschreiben.
Dann stellen Herstellbetriebe, wie APOZYT, auf der Basis der ärztlichen Verordnung im Auftrag von Apotheken, unter aseptischen Bedingungen, also im sterilen Reinraum, aus den zugelassenen Injektionslösungen patientenindividuelle Fertigspritzen her, die anschließend vom Arzt appliziert werden. Die Vorteile: Die Arzneimittelkosten pro Eingriff sind geringer, das Arzneimittel kann direkt und ohne weitere Zwischenschritte (wie z.B. Aufziehen des Arzneimittels, Entlüften der Spritze) angewendet werden. Novartis war der Auffassung, APOZYT brauche für die so hergestellten Spritzen eine eigene europäische Arzneimittelzulassung. APOZYT vertrat die Position, dieser „Off-Label Use“ gehöre zur ärztlichen Therapiefreiheit bzw. zum Rezepturprivileg der Apotheke. Schließlich erfolgt die Herstellung stets patientenbezogen auf der Basis einer ärztlichen Verordnung. Das Hanseatische Oberlandesgericht entschied zugunsten von APOZYT.
Bereits in erster Instanz hatte das Landgericht die Frage, ob für die Tätigkeit von APOZYT eine europäische Zulassung erforderlich ist, dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Vorabentscheidung vorgelegt. Der EuGH hatte entschieden (Az. C-535/11), dass keine europäische Zulassung erforderlich sei, wenn die Tätigkeiten von APOZYT nicht zu einer Veränderung des betreffenden Arzneimittels führen, auf der Grundlage individueller Rezepte mit entsprechenden Verschreibungen vorgenommen werden und auch die sonstigen Regelungen der Arzneimittelrichtlinie beachtet werden. Gleichwohl hatte das Landgericht Hamburg entschieden, dass in praktisch allen Fällen eine derartige Zulassung erforderlich sei (Az. 416 HKO 78/11). Gegen das Urteil hatte APOZYT derzeit Berufung eingelegt.
Quelle:
APOSAN