Neue Urteile zur Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ)

Zum Steigerungssatz bei der IVOM sowie zur Analogbewertung
Zur GOÄ sind in jüngster Zeit drei neue Urteile aus dem augenärztlichen Bereich mit richtungsweisenden Bedeutung ergangen, die zeigen, dass die medizinische Sinnhaftigkeit einer Behandlungsmaßnahme vor dem Wortlaut der GOÄ Vorrang genießt, wenn dieser sich als medizinisch nicht haltbar erweist, teilte der BDOC mit. Rechtsanwalt Dirk Griebau stellt sie im Folgenden dar.

IVOM ist steigerungsfähig

Die intravitreale operative Medikamenteneingabe beziehungsweise intraviterale Injektion (IVOM) hat als neuartige Operations¬methode zur Behandlung der feuchten Makuladegeneration noch keinen Eingang in das Gebührenverzeichnis der GOÄ als selbständige Leistung gefunden, so dass sie mit einer nach Art, Kosten- und Zeitaufwand gleichwertigen Leistung des Gebührenverzeichnisses analog abzurechnen (§ 6 Abs. 2 GOÄ) ist. Sowohl die Bundesärztekammer (BÄK) als auch der BVA empfahlen den analogen Ansatz der Ziffer A1383. Dies traf überwiegend auch auf grundsätzliche Zustimmung bei den privaten Krankenversicherungen. Umstritten war lediglich, ob die A1383 nur zum Einfachsatz berechnet werden kann – so bislang die Bundesärztekammer und die privaten Krankenversicherer – oder der Steigerungsmöglichkeit des § 5 GOÄ unterfällt.

Das Amtsgericht Fürth hat im Sommer 2009 entschieden, dass die IVOM – wie auch alle anderen ärztlichen Leistungen – nach den Kriterien des § 5 Abs. 2 GOÄ „Schwierigkeit, Zeitaufwand, Umstände bei der Ausführung“ nach billigem Ermessen des Arztes gesteigert werden kann. Einen Anspruch, dass der behandelnde Arzt sein Ermessen dahingehend ausübt, nur den 1,0-fachen Mindestsatz abzurechnen, hat der Patient nicht. Es stellt vielmehr keinen Fehlgebrauch des ärztlichen Ermessens dar, wenn der Arzt persönliche ärztliche Leistungen durchschnittlicher Schwierigkeit und durchschnittlichen Zeitaufwandes mit dem 2,3-fachen Gebührensatz berechnet (BGH – III ZR 54/07). Ob ein durchschnittlicher Fall vorgelegen hat, ist durch Vergleich der durchgeführten IVOM mit anderen IVOM und nicht etwa im Vergleich zur originären Vitrektomie festzustellen (AG Fürth – 370 C 471/09).

Das Urteil bewirkte, dass der Vorstand der Bundesärztekammer in seiner 34. Sitzung am 25.6.2010 auf Empfehlung des Ausschusses „Gebührenordnung“ der BÄK in dessen 18. Sitzung vom 27.4.2010 die Beschränkung der A1383 auf den Einfachsatz fallen ließ.

„Umstände bei der Ausführung“ ist GOÄ-Steigerungskriterium

In einem weiteren Prozess hatte das Amtsgericht Neustadt/Aisch am 24.9.2010 erstmals zu beurteilen, ob eine GOÄ-Gebühr auch mit der Begründung „Umstände bei der Ausführung“ steigerungsfähig ist, wenn keine besondere Schwierigkeit oder erhöhter Zeitaufwand vorlag.

In jener Konstellation hatte der Arzt, um zu präziseren Ergebnissen zu gelangen, eine Kunstlinse zeitgleich mit verschiedenen Wellenlängen (mechanischen und elektromagnetischen Wellen) ausgemessen und die mehrfache Bestimmung als „Umstände bei der Ausführung“ der GOÄ-Ziffer 410 zur Begründung des 3,5-fachen Gebührensatzes herangezogen. Auch die bei der Patientin durchgeführte Kataraktoperation wurde zum 3,5-fachen Gebührensatz abgerechnet und mit dem Kriterium „Umstände bei der Ausführung“ begründet, da eine moderne Tunneltechnik mit nahtlosem Wundverschluss sowie das Operationsverfahren mit Kleinschnittechnik und bimanueller Operationstechnik durchgeführt wurden; beides Behandlungsverfahren, die zu der Zeit, als die GOÄ-Ziffer 1375 in den Leistungskatalog der GOÄ aufgenommen wurde, noch nicht existierten.

Die Klage des Arztes hatte Erfolg, insbesondere konnte der private Krankenversicherer keine explizite Begründung im Sinne von „schwierig, weil …“ oder „zeitaufwändig, weil …“ erwarten, da sich die Begründung „Umstände bei der Ausführung“ als drittes Steigerungskriterium unmittelbar aus § 5 Abs 2. Satz 1 GOÄ ergibt (AG Neustadt – 2 C 250/10).

Redaktioneller Fehler in der Ziffer A1387 GOÄ

Schließlich war vor dem Amtsgericht Hersbruck im dritten Verfahren die Frage zu klären, ob ein netzhaut-/glaskörperchirurgischer Eingriff bei anliegender oder abgelöster Netzhaut ohne netzhautablösende Membranen im Sinne der Ziffer A1387 des Verzeichnisses der analogen Bewertungen der Bundesärztekammer auch dann abgerechnet werden kann, wenn der nach der Leistungsbeschreibung obligate Bestandteil „Retinopexie“ nicht durchgeführt wurde und ob deren Nichtdurchführung die Berechnung des 3,5-fachen Gebührensatzes ausschließe.

Sachverständig beraten kam das Gericht zum Ergebnis, dass die Ziffer A1387 GOÄ einen redaktionellen Fehler enthält, da die Analogziffer zwei unterschiedliche Indikationslagen (anliegende oder abgelöste Netzhaut) erfasst. Die „Retinopexie“ stellt indes ein Verfahren dar, mit dem bei abgelöster Netzhaut oder bestehender Gefahr einer Ablösung die Netzhaut wieder angeheftet wird. Bei Operationen mit der Indikationslage „anliegende Netzhaut“ ist das Verlangen nach einer durchzuführenden Retinopexie medizinisch sinnlos, da der Operateur – nur um die Leistungsbeschreibung erfüllen zu können – die Netzhaut des Patienten erst ablösen müsste, um sie anschließend wieder anzuheften. Dies widerspricht den Regeln der ärztlichen Kunst (§ 1 Abs. 2 GOÄ) mit der Folge, dass die Ziffer A1387 GOÄ entgegen ihres Wortlautes dahingehend zu verstehen ist, dass die Retinopexie nur fakultativer Leistungsbestandteil sein kann. Die Leistungsbeschreibung ist daher im Sinne „ggf. einschließlich Retinopexie“ zu verstehen.

Fazit

Damit ist geklärt, dass die medizinische Sinnhaftigkeit einer Behandlungsmaßnahme Vorrang genießt vor dem Wortlaut der GOÄ, wenn dieser sich als medizinisch nicht haltbar erweist.

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