Kortiko-retinale Bildverarbeitung im Auge

Die Bildverarbeitung in der Retina wird bisher überwiegend analog zur fotografischen Strahlenoptik, das heißt der abbildenden Linsenoptik und der Photodiodenarrays behandelt. Sie bietet jedoch keine Antwort auf die für das menschliche Sehen entscheidenden Fragen, „was“ ein sichtbares Objekt invariant begrifflich darstellt (ein Haus, ein Baum usw.), „wo“ es in welchen Relationen zu anderen Objekten im Raum steht oder welche RGB-Farben beziehungsweise Helligkeiten lokal zusammenwirken. Die Strahlenoptik bedarf hierzu der Ergänzung durch die diffraktive Wellenoptik, die als Fresnel-Nahfeldinterferenz in zellulären Gittern beziehungsweise Raumgittern beschreibbar ist. Dr. Norbert Lauinger (Wetzlar) stellt die kortiko-retinale Bildverarbeitung im menschlichen Sehen dar und diskutiert die Beendigung der Begriffsverwendung „invertierte“ Retina.

Die wellenoptische Informationsverarbeitung in der Retina jedes Auges wird entscheidend durch drei vorgeburtliche Entwicklungen ermöglicht: Die Entwicklung einer Papille, einer Fovea und dreier retinaler Körnerschichten (INL-, MNL- und ONL: inner, middle and outer-nuclear-layer). Sie machen das Auge kortikal intelligent. Da die bisherigen optischen Erklärungen unzureichend waren, andererseits aber eine Zusammenarbeit von Auge und Gehirn nicht übersehen werden konnte, wurden Retina und Kortex unter dem Begriff „Retinex“ ohne nähere Erklärungen miteinander verknüpft. Eine kortiko-retinale Bildverarbeitung erscheint nunmehr jedoch vor Ort im Auge, das heißt im peripheren Sehorgan, möglich.

Die drei vorgeburtlichen Entwicklungen der Papille, der Fovea und der retinalen Körnerschichten starten sehr früh im vorgeburtlichen Zeitraum und beanspruchen nahezu die gesamte vorgeburtliche Zeit, die erst im siebten Monat mit der Ausbildung der Fotorezeptoren (Zapfen und Stäbchen) hinter der dritten, der ONL-Zellschicht der Retina, endet. Allein die Beanspruchung eines derart großen pränatalen Zeitraums belegt die Bedeutsamkeit dieser drei Entwicklungen. Ohne sie wäre eine kortikale, das heißt intelligente, Bildverarbeitung des Auges unmöglich.

Mehr dazu im AUGENSPIEGEL Januar 2024.

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