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Kongress DOG 2008

Interview mit Prof. Dr. Frank G. Holz
Die Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft (DOG) lädt vom 18. bis 21. September zu ihrer 106. Jahrestagung ins Estrel Hotel nach Berlin ein. Unter dem Schwerpunktthema „Perspektiven der Augenheilkunde – Innovationen für mehr Lebensqualität“ sollen neue diagnostische Strategien und therapeutische Konzepte diskutiert werden. DER AUGENSPIEGEL sprach mit dem diesjährigen DOG-Präsidenten Prof. Dr. Frank G. Holz über die anstehende Tagung.

Bild DER AUGENSPIEGEL:
Das Kongressthema lautet „Innovationen für mehr Lebensqualität“. Was bedeutet Lebensqualität in der Augenheilkunde? Und: Ist sie messbar?

Prof. Dr. Frank G. Holz:
Die Beurteilungen der Auswirkungen von Krankheit oder Therapie auf die Lebensqualität in einer standardisierten Form durch den Patienten selbst hat in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen. Sowohl im Rahmen von Zulassungen neuer Therapien durch regulierende Behörden als auch im Bereich politischer Entscheidung findet die durch solche Instrumente generierte Evidenz ihre Anwendung. Man kann so eindrücklich beispielsweise den Vorteil einer Therapie belegen, weil die Lebensqualität der Patienten, deren Verbesserung oder Erhalt Ziel jeglicher therapeutischen Intervention ist, als eine zentrale Variable erfasst werden kann.

DER AUGENSPIEGEL:
Welche neuen diagnostischen Strategien und therapeutischen Konzepte sind von besonderer Bedeutung für die zukünftige Augenheilkunde?

Prof. Dr. Frank G. Holz:
Erfreulicherweise gibt es sowohl im diag_nostischen wie auch im therapeutischen Bereich wesentliche Fortschritte zu verzeichnen, die auch für die zukünftige Augenheilkunde von besonderer Bedeutung sind. Auf diagnostischem Gebiet sind die bildgebenden Verfahren zu nennen, die immer höher auflösende, mikrostrukturelle Einblicke in die Netzhaut und andere Strukturen des Auges erlauben. Schon heute ergeben sich hieraus völlig neue Perspektiven im Verständnis von Makula-/Netzhauterkrankungen bei Diagnostik sowie auch beim Therapiemonitoring. Die neue OCT-Generation eröffnet auch besonders in Kombination mit dem SLO-Verfahren neue Perspektiven. Potential besitzen auch ganz neue Verfahren der molekularen Bildgebung, die die Früherkennung von Erkrankungen am Auge neu definieren könnten. Auch bei der Identifikation genetischer und biochemischer Biomarker zeigen sich erhebliche Fortschritte. In Sachen therapeutischer Konzepte wären unter anderem die Gentherapie bei erblichen Netzhautdegenerationen zu nennen, die erstmals bei RPE65-Mutationen gelungen ist. Weiterhin gibt es hoffnungsreiche Stammzell-basierende Therapieansätze und natürlich pharmakologische Verfahren wie das Paradebeispiel der Anti-VEGF-Therapie. Etliche neue Entwicklungen sind auch bei Laser-basierten Therapien zu verzeichnen wie die Anwendung des Femtosekundenlasers.
Innovationen sind wünschenswert, verursachen aber angesichts begrenzter Ressourcen im Gesundheitssystem auch Probleme. Was bedeutet das für die Ophthalmologie?
Prof. Dr. Frank G. Holz: Bei den begrenzten Ressourcen im Gesundheitssystem stellt sich in der Tat die Frage der Finanzierung sowohl neuer diagnostischer als auch therapeutischer Verfahren. Das Dilemma wird in der Ophthalmologie besonders am Beispiel der Glaukomdiagnostik oder bei der Anti-VEGF-Therapie evident. Hier sind Lösungsansätze in der Zukunft zu finden, welche sowohl Effizienzsteigerung als auch angesichts des demographischen Wandels wirksamere Präventionen und variable Absicherungen seitens der Patienten umfassen müssen.

DER AUGENSPIEGEL:
Eine Möglichkeit ist, dem Patienten bei der Entscheidung, wie viel Geld er für seine Gesundheit ausgeben möchte, mehr Selbstverantwortung zu übertragen. Sind aus diesem Grund erstmals Veranstaltungen für Patientenorganisationen ins Programm aufgenommen worden?

Prof. Dr. Frank G. Holz:
Patientenorganisationen kommt eine immer größere Bedeutung zu – gerade auch was die Selbstverantwortung anbelangt. Des Weiteren erstreckt sich deren Arbeit ja nicht nur auf begleitende Serviceangebote, die ebenfalls zur Verbesserung der Lebensqualität der Patienten beitragen. Gemeinsam mit den Fachgesellschaften und Verbänden tragen diese Organisationen dazu bei, gesundheitspolitische Institutionen, Behörden und die gesamte Öffentlichkeit für Aspekte der patientenorientierten Versorgung zu sensibilisieren und darüber aufzuklären. Besonders freue ich mich, dass wir Frau Eva Luise Köhler im Rahmen des DOG-Kongresses für ein spezielles Symposium zur Rolle und Aufgabe der Patientenorga_nisation gewinnen konnten. Frau Köhler ist gleichzeitig Schirmherrin der Allianz chronisch seltener Erkrankungen (ACHSE).

DER AUGENSPIEGEL:
Im Rahmen der Eröffnungsveranstaltung wird es wie die beiden Jahre zuvor eine politische Diskussionsrunde geben. Diskutiert werden soll die Zukunft der wissenschaftlichen Augenheilkunde insbesondere unter der Frage, wie Karrierewege in der Forschung attraktiv bleiben. Können solche Diskussionen etwas bewegen? Wo sehen Sie dringenden Handlungsbedarf?

Prof. Dr. Frank G. Holz:
Die weitere zukünftige Entwicklung des Fachs Augenheilkunde hängt wesentlich vom Nachwuchs in unserer Fachdisziplin ab. So kann die Qualität der Krankenversorgung, der Lehre und der Wissenschaften nur aufrecht erhalten beziehungsweise weiterentwickelt werden, wenn es gelingt, exzellenten Nachwuchs für die Augenheilkunde zu begeistern und zu gewinnen. Daher ist die Frage besonders relevant, wie Karrierewege attraktiv gestaltet werden können. Potentiell kann eine solche Podiumsdiskussion zur Weiterentwicklung und zur Schärfung des Bewusstseins beitragen. Besonderer dringlicher Handlungsbedarf ergibt sich beispielsweise in der Tarifgestaltung bei den Ärztinnen und Ärzten an Hochschulkliniken. So kann es nicht sein, dass ein vorwiegend wissenschaftlich arbeitender Mitarbeiter finanziell schlechter gestellt wird gegenüber einem Kollegen, der ausschließlich in der Krankenversorgung tätig ist.

DER AUGENSPIEGEL:
Dieses Jahr sind erstmals keynote lectures im Programm. Welche Themen sind hierfür vorgesehen?

Prof. Dr. Frank G. Holz:
Für die keynote lectures konnten zwei international ausgewiesene Experten gewonnen werden. Prof. Thomas Reinhard aus Freiburg wird über Techniken und spannende neue Perspektiven bei der Keratoplastik referieren. Dr. Richard Spaide aus New York wird eine Übersicht über neue pathophysiologische Einblicke und wirksame therapeutische Ansätze bei retinalen venösen Gefäßverschlüssen geben.

DER AUGENSPIEGEL:
Auf der letzten Tagung wurde das DOG-Nachwuchsforum ins Leben gerufen. Was hat sich in der Zwischenzeit getan?

Prof. Dr. Frank G. Holz:
Die DOG hatte in der Zwischenzeit einen intensiven Austausch mit den entsprechenden Vertretern und hier wurden etliche konstruktive Ideen eingebracht. Ein größerer Einfluss und eine konstruktive Mitarbeit sind hier unbedingt erwünscht. Des Weiteren haben wir zum diesjährigen DOG-Kongress eine Nachwuchskampagne geplant, die sich, u. a. mit einer neuen Website und Serviceangeboten wie ein online-Augenheilkunde-Script, an Medizinstudenten wendet.

DER AUGENSPIEGEL:
Zahlreiche europäische und außereuropäische ophthalmologische Fachgesellschaften beteiligen sich unmittelbar an der DOG. Inwieweit profitiert die deutsche Augenheilkunde von der Zusammenarbeit und dem europäischen Netzwerk in der Forschung?

Prof. Dr. Frank G. Holz:
Die DOG fühlt sich den europäischen und außereuropäischen ophthalmologischen Fachgesellschaften in langer Tradition besonders verbunden. Unterstrichen wird dies auch durch die Teilnahme zahlreicher internationaler Referenten und Gäste. Ein eigenes Symposium wird sich auch den europäischen Netzwerken in der ophthalmologischen Forschung widmen, die eine immer größere Rolle einnehmen nicht nur hinsichtlich der Möglichkeit internationaler Verbundprojekte, sondern auch bei der Einwerbung von Drittmitteln, die in wachsendem Maße zentral über Brüssel vergeben werden.

DER AUGENSPIEGEL:
Ein weiterer Schwerpunkt des diesjährigen Programms ist der Transfer grundlagenwissenschaftlicher Erkenntnisse in die klinische Anwendung. Welche Ansätze bieten zukünftige Perspektiven?

Prof. Dr. Frank G. Holz:
Wesentliche Impulse gerade bei innovativen Therapieverfahren kommen aus dem Bereich der Grundlagenwissenschaft. Dabei spielt die translationale Forschung auch in anderen Fachdisziplinen der Medizin eine immer größere Rolle. Als herausragendes Beispiel wäre hier wiederum die Anti-VEGF-Therapie zu nennen. Allerdings gibt es immer noch eine Reihe von Augenerkrankungen, die nicht oder nur unzureichend behandelt werden können. Neue Ansätze aus der Grundlagenforschung und der experimentell-klinischen Forschung haben beispielsweise zu neuen Therapieansätzen für die geographische Atrophie bei Altersabhängiger Makuladegeneration geführt, die sich allerdings noch in laufenden klinischen Studien beweisen müssen.

DER AUGENSPIEGEL:
Anlässlich der DOG wird offiziell die „Stiftung Auge“ errichtet. Was steckt dahinter?

Prof. Dr. Frank G. Holz:
Mit der Errichtung der neuen DOG „Stiftung Auge“ sollen die DOG-Aktivitäten zukünftig ausgedehnt und vertieft werden. Das übergeordnete Ziel ist dabei die Bekämpfung vermeidbarer Erblindung und schwerer Seheinschränkung durch Forschungsförderung, Aufklärung und Ausbildung von Augenärzten im Inland und über konkrete Projekte in Entwicklungsländern. Die DOG selbst wird die Stiftung mit einem Grundkapital ausstatten und es konnten erfreulicherweise schon mehrere Zustifter aus dem Bereich der Industrie gewonnen werden. Auch private Spenden sind natürlich höchst willkommen! Am Festabend des diesjährigen DOG-Kongresses in der axica am Pariser Platz, ein expressionistisches Meisterwerk des amerikanischen Architekten Frank O. Gehry, wird die neu errichtete Stiftung feierlich vorgestellt werden.

DER AUGENSPIEGEL:
Erwarten Sie dieses Jahr einen Teilnehmerrückgang wegen der ESCRS, die ebenfalls in Berlin stattfindet und einen Tag zuvor endet?

Prof. Dr. Frank G. Holz:
In der Tat ist mit der ESCRS eine weitere attraktive Veranstaltung am selben Ort in zeitlicher Nähe gegeben. Ich bin allerdings zuversichtlich, dass der DOG-Kongress als Kommunikationsplattform mit Alleinstellungsmerkmalen und auch mit vielfältigen, attraktiven neuen Angeboten einen sehr hohen Zuspruch haben wird.

Herr Professor Holz, vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Ulrike Lüdtke.
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