Fortbildung in Leipzig
Zur Jahrestagung der Sächsischen Augenärztlichen Gesellschaft (Teil 2)
Zur Jahrestagung der Sächsischen Augenärztlichen Gesellschaft hatte Prof. Dr. Peter Wiedemann, Ordinarius für Augenheilkunde am Universitätsklinikum Leipzig, im vergangenen November ins Congress Center Leipzig geladen. Rund 600 Teilnehmer folgten der Einladung zur Tagung, die ein umfassendes Programm in acht wissenschaftlichen Sitzungen mit 56 Beiträgen von Referenten aus dem gesamten Bundesgebiet sowie Nachbarländern bot. Ein Bericht von Dr. Udo Hennighausen.
In der V.-VIII. wissenschaftlichen Sitzung wurden die Retina, in der VI. bevorzugt die Makula behandelt und die SAG-Preisträger vorgestellt:
Retina
Dr. Claudia Jochmann und Prof. Dr. Peter Wiedemann (Leipzig) stellten die Nationalen Versorgungsleitlinien Typ 2-Diabetes, insbesondere unter dem Aspekt der Netzhautkomplikationen vor, die unter http://www.versorgungsleitlinien.de eingesehen werden können.
Prof. Dr. Gabriele E. Lang (Ulm) präsentierte in ihrem Vortrag über aktuelle Pharmakotherapie der diabetischen Retinopathie ermutigende Ergebnisse durch die Anwendung von VEGF-Hemmern im Rahmen der Behandlung der diabetischen Retinopathie, insbesondere des diabetischen Makulaödems. Prof. Dr. Peter Wiedemann (Leipzig) empfahl die Kombination von Vitrektomie mit Pharmakotherapie (Triamcinolon ist Avastin überlegen) als Pharmakochirurgie zur Behandlung des diabetischen Makulaödems.
Über „richtige und falsche Laserstrategien“ sprach Prof. Dr. Hans Hoerauf (Göttingen): Bei Laserbehandlung einer extrafovealen CNV nicht zu nahe der Makula lasern, eine parapapilläre CNV nur einmal lasern, auch bei makulären Venenastverschlüssen kann der Laserstrahl helfen, nicht auf Blutungen lasern: Als Komplikation der Laserbehandlung kann ein CMÖ entstehen. Der überweisende Arzt ist immer mitverantwortlich für einen durch Überweisung veranlassten Eingriff.
Prof. Dr. Jean-Jaques De Laey (Gent/Belgien) gab ein Übersichtsreferat über die Retinalen Angiomatosen (Abb. 1), die als Von Hippel-Erkrankung nur die Retina betrifft, als Von Hippel-Lindau-Erkrankung auch Gefäßtumore des Kleinhirns, des Rückenmarks einschließlich der Medulla oblongata, Phäochromozytome sowie Nierenzellkarzinome beinhalten kann. Unbehandelt führt das Netzhautangiom zur Erblindung des betroffenen Auges, die Therapie muss abhängig von Größe und Ort des Angioms „maßgeschneidert“ sein.
Angiomatosis retinae.
Für kleine Angiome ist die Photokoagulation die Therapie der Wahl, PDT und VEGF-Hemmer sind die jüngsten Neuerungen in dem Spektrum der Behandlungsmöglichkeiten. Es ist auch Aufgabe des Ophthalmologen, eine interdisziplinäre Diagnostik einschließlich genetischer Beratung – unter anderem mit dem Ziel des Aufdeckens der unter Umständen tödlich verlaufenden Nierenzellkarzinome bei Angehörigen des betroffenen Patienten – zu veranlassen.
Makula
Prof. Dr. Peter Kroll (Marburg) stellte seine durch die langjährige Erfahrung vieler von ihm selber durchgeführten Vitrektomien untermauerte Theorie zur Pathogenese der Altersabhängigen Makuladegeneration (AMD) dar: Die vitreoretinalen Adhärenzen im Bereich der Makula spielen eine ursächliche Rolle bei der Entstehung der AMD, die Anti-VEGF-Therapie sei nur symptomatisch, lediglich die chirurgische oder evtl. eine pharmakologisch induzierte Abhebung der hinteren Glaskörpergrenzmembran werde voraussichtlich die Zukunft der Prävention der AMD sein.
Dr. Klaus Pels (Berlin) betonte in seinem Referat über (VEGF)-Inhibition aus kardiologischer Sicht, dass für kardiovaskuläre Hochrisikopatienten durch die wiederholte intravitreale Injektion mit Panblockade des VEGF A das Schlaganfallrisiko möglicherweise erhöht sei.
Prof. Dr. Salvatore Grisanti (Lübeck) berichtete aus der biochemischen Grundlagenforschung über aktuelle und zukünftige Behandlungsstrategien bei der AMD, Dr. Matthias Lüke und Mitarbeiter (Lübeck, Tübingen) über die Testung der Effekte von Ranibizumab auf die retinale Funktion im elektrophysiologischen Modell der isolierten und perfundierten Vertebraten-Netzhaut.
Egbert Matthé und Mitarbeiter (Dresden) konnten in einer retrospektiven Studie zeigen, dass die frühzeitige Behandlung mit Ranibizumab bei exsudativer AMD die Voraussetzung für den Erfolg ist: Je mehr Zeit zwischen Diagnosestellung und Therapie vergeht, desto größer ist der zu erwartende Visusverlust, der dann durch die folgende intravitreale Injektion gegebenenfalls nicht mehr wettgemacht werden kann.
Prof. Dr. Susanne Binder (Wien) berichtete, dass die Kombination von Kataraktoperationen mit intravitrealen Injektionen von Medikamenten mit dem Ziel der Verhinderung einer möglichen Progression einer AMD ohne zusätzliches Risiko für den Patienten machbar ist und gut toleriert wird. Ob mit dieser Kombinationstherapie eine mögliche Progression der AMD beeinflusst werden kann, lässt sich nur durch Vergleichsstudien ermitteln. Auch in Übereinstimmung mit der von Prof. Kroll vorgetragenen These fand die Autorin bei Vorliegen einer Makuladegeneration häufiger eine vitreoretinale Adhärenz im Makulabereich als ohne Vorliegen einer AMD. Bei der präoperativen Untersuchung stellte die Autorin in zehn Prozent der Fälle mit klinisch trockener AMD mittels OCT und FAG eine feuchte AMD fest.
Priv.-Doz. Dr. Petra Meier (Leipzig) gab eine Übersicht über die Makulopathien im Kindsalter: Hervorzuheben sind ihre Erfahrungen mit der hämorrhagischen Zyste beim Shaken-Baby-Syndrome: Diese sollte aus ihrer Sicht und Erfahrung operiert werden.
Netzhautchirurgie
Prof. Dr. Frank Faude (Baden-Baden) referierte über die Geschichte der Behandlung der Amotio retinae: Während der Zeit zwischen der Erfindung des Augenspiegels durch von Helmholtz 1851 und der genialen Entdeckung durch Jules Gonin 1918, dass die Ursache einer Netzhautablösung in einem Netzhautloch liegt, konnte nur eine von 1.000 Netzhautablösungen erfolgreich behandelt werden. Mit dem Verschließen des Netzhautloches durch Ignipunktur leitete Gonin die Ära der erfolgreichen Operation gegen die Netzhautablösung ein, die ständig verbessert und durch neue Techniken ergänzt wurde.
Priv.-Doz. Dr. Helmut G. Sachs (Dresden) stellte das SD-OCT, eine optische Kohärenztomografie mit Spectral-Domaine-Technologie vor, die weitergehende Einblicke in die Netzhaut gewährt als das bisherige OCT. Die Deutung der verfeinerten Bilder, pathologische Struktur oder Artefakt, ist noch nicht abgeschlossen.
Dr. Dirk Sandner (Dresden) sprach über Prognose, Therapie und Visusergebnisse alter PVR-Ablationes: Bei lokalisierter posteriorer Traktion mit foramenferner Sternfalte kann eine primäre Buckelchirurgie erfolgreich sein, meistens ist jedoch eine Vitrektomie, gegebenenfalls einschließlich zusätzlicher Maßnahmen wie membrane peeling, relaxierende Retinotomien und/oder Entfernung subretinaler Stränge, und zumeist eine Silikonöltamponade erforderlich. Der mediane Ausgangsvisus lag im Kollektiv bei Fingerzählen, der Endvisus bei 0,07 (1/15).
Prof. Dr. Katrin Engelmann (Chemnitz) berichtete über ihre klinischen Erfahrungen mit dem Einsatz von schweren Endotamponaden (Densiron) in der intraokularen Netzhautchirurgie: Dieses neue, schwere Silikonöl ist sinnvoll bei der Operation komplizierter Ablationes, insbesondere bei Vorliegen einer Uveitis, eine wiederholte Tamponade mit diesem Silikonöl ist jedoch nicht zu empfehlen, nach maximal zwei bis drei Jahren sollte es entfernt werden.
Prof. Dr. Antonia M. Joussen (Düsseldorf) zeigte Strategien zur Verhinderung der Neovaskularisationen bei Diabetes: Der Laser-Operateur muss wissen, dass Lasernarben im Laufe der Zeit „wachsen“ und auch konfluieren können. Bei Vorliegen einer Rubeosis iridis, verbunden mit einem schlechten Ansprechen der Pupille auf Mydriatica, kann die Gabe von VEGF-Hemmern in die Vorderkammer hilfreich sein, um anschließend die Netzhaut erfolgreich mit dem Laser behandeln zu können.
Die Techniken und Vorteile der nahtlosen, selbstdichtenden 20-Gauge-Vitrektomie wurden durch Dr. Ralf Zimmer (Löbau), die Techniken und Vorteile der 23-Gauge-Vitrektomie durch Priv.-Doz. Dr. Leon Kohen (Aue) vorgestellt: Im allgemeinen setzt sich aufgrund der kürzeren Operationszeit, des geringeren operativen Traumas, der nahtlosen Technik und der daraus folgenden kürzeren Heilungszeit, der geringeren postoperativen Beschwerden des Patienten sowie der schnelleren optischen Rehabilitation die 23-Gauge-Vitrektomie durch. Die Gefahr einer postoperative Hypotonie oder einer Endophthalmitis konnte durch „Tunnel-Techniken“ beim Einstich durch die Sklera minimiert werden. Aber auch die 20-Gauge-Vitrektomie hat noch ihre Indikationen, wobei Kostenfragen auch eine Rolle spielen. Durch Tunnel-Techniken beim Einstich – bei Einsatz eines Trokars muss es ein sehr langer Tunnel sein – kommt man meist ohne Naht aus und erreicht dadurch eine frühere optische Rehabilitation. Bei Instillation von Silikonöl sollte eventuell doch eine Naht gelegt werden, da Silikonöl „durch die Wunde kriecht“.
Varia
Dr. Anja Kißner und Mitarbeiter (Dresden) berichteten über einen Fall von akuter makulärer Neuroretinopathie, eine seltene Makulaerkrankung, von der bisher nur etwa 40 Fälle in der Weltliteratur beschrieben worden sind. Das Bild ähnelt dem der akuten multifokalen plazoiden Pigmentepitheliopathie (Makulopathie): Klinisch imponieren im Bereich der Makula dunkle, rötlich-braune, eckige bis runde, zur Fovea zeigende, teils konfluierende, nicht erhabene Läsionen, die im rotfreien Licht am besten sichtbar sind. Ursachen und Pathomechanismus sind noch nicht erforscht, eine gesicherte kausale Therapie gibt es bisher nicht, mit Defektheilungen muss gerechnet werden.
Dr. Vasileios Petousis und Mitarbeiter (Berlin, Innsbruck) zeigten die Langzeitergebnisse nach transskleraler Tumorresektion von anterior gelegenen Aderhaut-Ziliarkörper-Melanomen bei 171 Patienten und fanden, dass diese Operation, verbunden mit einer vorausgegangenen Protonen-Teletherapie, eine vorteilhafte therapeutische Alternative bei großen Aderhautmelanomen mit entsprechender Lokalisation darstellt.
Dr. Eckart Schmidt und Mitarbeiter (Dresden) berichteten über die Reproduzierbarkeit der Makuladickenmessung bei Gesunden mit dem HRT III: Die mittlere Netzhautdicke im Retinamodul des HRT III war zentral am dünnsten, nahm nach außen hin zu und war superior und inferior dicker als nasal und temporal. Bei der Intrasession-Reproduzierbarkeit (fünf HRT-Aufnahmen innerhalb von 30 Minuten) ergab sich ein guter Variationskoefizient von zehn Prozent, bei der Intersession-Reproduzierbarbeit (Untersuchung an zwei aufeinander folgenden Tagen) war dieser etwas schlechter.
Dr. Cornelia Jahn (Chemnitz) gab eine sehr gute Übersicht über die Chirurgie des Makulaforamen. Für die Diagnostik in der Praxis ist der Watzke-Allen-Test mit der 78-dpt-Lupe wichtig. Für das Verständnis des oft relativ guten Visus bei bestehendem Operculum (Lochdeckel) muss man wissen, dass das Operculum vorwiegend aus Glia-Zellen besteht.
Berufspolitik
Dr. Jürgen Falke (Riesa), Vorsitzender des BVA Sachsen, moderierte in der „Berufspolitischen Ecke“ das Thema „Augenheilkunde in Sachsen vor dem Kollaps?“ Die Teilnehmer des Panels kamen aus der KV Sachsen/Dresden, aus dem Sächsischen Staatsministerium für Soziales/Dresden, der Gemeinschaft fachärztlicher Berufsverbände Sachsen/Leipzig und der AOK Plus Sachsen-Thüringen/Dresden: Die Diskussion zeigte, dass in Sachsen ein vergleichsweise harmonisches Miteinander besteht und dass alle bemüht sind, ihr Bestes zu geben. Insbesondere wurde betont: Seitens der AOK die frühzeitige Entscheidung zur Übernahme der Kosten für die Nachbehandlung nach intravitrealer Injektion, seitens der Universitäts-Augenklinik Leipzig, dass die Kliniken nicht die normale augenärztliche Versorgung übernehmen können, seitens der KV, dass der vergleichsweise geringe Anteil an Privatversicherten, die bevorzugt Termine erhalten, bei der allgemeinen Versorgung nicht ins Gewicht fällt (drei Privatversicherte pro siebzig Patienten an einem Tag). Einig waren sich alle darin, dass die am Bedarf gemessene augenärztliche Unterversorgung keinesfalls durch Optikinstitute ersetzt werden kann.
SAG-Preisträger
Die SAG-Preisträger berichteten in Kurzvorträgen über die Ergebnisse ihrer Forschungsarbeiten: Dr. Lars Bräuer und Mitarbeiter (Halle-Wittenberg) berichteten über den Nachweis der okulären Surfactant-Proteine im Tränenfilm und in den Geweben der Augenoberfläche. Diese Proteine haben nach heutigem Kenntnisstand eine protektive immunologische Wirkung bezüglich Infektionen und Schadstoffen, die das Auge aus der Umwelt erreichen.
Michael Haustein und Mitarbeiter (Dresden) konnten zeigen, dass die Flächenbestimmung der Papille mittels indirekter Ophthalmoskopie möglich ist: Die Messungen mit der 90D-Lupe zeigten die geringsten, die mit der 78D-Lupe die größten Abweichungen von der mit dem HRT gemessenen Papillenfläche.
Dr. Erdmuth Herbrig und Mitarbeiter (Dresden, Chemnitz) berichteten über die Untersuchung von 99 Patienten, die aufgrund der vitreoretinalen Chirurgie von komplizierten Netzhautablösungen eine Endotamponade mit schwerem Silikonöl (Handelsname: Densiron 68) erhalten hatten: Verglichen mit einer Kontrollgruppe von 21 Patienten mit konventioneller intraokularer Silikonöltamponade konnte mit Densiron 68 ein besserer anatomischer Erfolg bei ähnlicher Häufigkeit des Auftretens von Nebenwirkungen beobachtet werden.
Dipl.-Ing. Monika Valtnik (Dresden) entwickelte aus primären humanen kornealen Endothelzellen (HCEC) zwei immortalisierte klonale HCEC-Linien mit unterschiedlichem Phänotyp, die somit als Modelle für weitere Forschungen zur Verfügung stehen.
Zwei Poster, aufgestellt in der Empfangs- und Ausstellungshalle, ergänzten die Vorträge: Dipl. Ing. Verena Hienzsch und Mitarbeiter (Chemnitz) konnten in ihrem Poster über den Zusammenhang zwischen Gittersehschärfe und verschiedenen Sehleistungskomponenten bei Erwachsenen mit und ohne Sehbehinderung zeigen, dass die zusätzliche Prüfung der Gittersehschärfe bei Augengesunden keine neuen Gesichtspunkte ergibt, aber bei der Untersuchung von Patienten mit Gesichtsfelddefekten zur Beurteilung beitragen kann. Dipl.-Ing. Wolfgang Schlund (Leipzig) berichtete in seinem Poster über die Erfahrungen der letzten zehn Jahre mit der Magnetfeldtherapie in der Augenheilkunde, insbesondere bei degenerativen Augenerkrankungen: Studien und Erfahrungsberichte geben Anlass zu berechtigten Hoffnungen.
Fazit
Mit der Auswahl der Referenten hatte die sehr gut organisierte Tagung nicht nur einen überregionalen, sondern auch einen internationalen Charakter und ein hohes Fortbildungsniveau. Flankiert wurde die Tagung von insgesamt 43 Ausstellern, die im Foyer des Congress Centers Leipzig zu Information und Gesprächen einluden.
Als Anregung sei lediglich auf das Themengebiet Strabologie und Neuroophthalmologie verwiesen, das ein stärkere Beachtung im Programm finden sollte, denn eine insbesondere die Früherkennung und richtige Behandlung der Amblyopie kann nur durch gut weiter- und fortgebildete Augenärzte, nach Möglichkeit in Verbindung mit einer Sehschule, geleistet werden.
Die nächste Jahrestagung der Sächsischen Augenärztlichen Gesellschaft findet in Glauchau vom 27. bis 28. November 2009 unter der Leitung von Dr. Jens Schrecker, Rudolf Virchow gGmbH, Augenklinik des KKH, statt.