19. DOC-Kongress

Goldstandards und Innovationen
Hatte zum letzten DOC-Kongress außergewöhnlich brütende Hitze geherrscht, so ballten sich in diesem Jahr finstere Wolken über dem CCN zusammen – ein bedrohlicher Anblick, aber kein Omen für die nunmehr 19. Zusammenkunft der Deutschen Ophthalmochirurgen (DOC) in Nürnberg. Im Gegenteil, drinnen herrschte eitel Sonnenschein: viele Besucher, spannende Themen, zufriedene Aussteller und berufspolitische Neuigkeiten, die die Zukunft der ambulanten Versorgung in ein ganz neues Licht stellten! Von Von Ulrike Lüdtke.

4.500 Teilnehmer aus 54 Ländern, so die erfreuliche Bilanz des sichtlichen zufriedenen DOC-Präsidenten Dr. Armin Scharrer zum Auftakt der Tagung: Mit diesen Zahlen sei die DOC als internationales Symposium der größte Augenchirurgenkongress in Europa. Zu den Kongresszielen gehöre es zum einen die Formulierung von Goldstandards beziehungsweise Leitlinien in der Ophthalmochirurgie, zum anderen gelte es, Innovationen vorzustellen und auf Wertigkeit zu prüfen. Beispielhaft für jüngste Innovationen der Augenheilkunde nannte Scharrer den Femtosekundenlaser, den Schritt hin zur Mikrochirurgie mit kleinsten 23-Gauge-Instrumenten, die mit einem Durchmesser von 0,65 mm schonendere Eingriffe an der Netzhaut ermöglichen oder die intravitrealen Medikamenteninjektionen als kleine Sensation in der Therapie der feuchten AMD.

Qualität und Wettbewerb

Neuerungen, die nicht nur auf die Versorgungsqualität abzielen, sondern zugleich auch Rüstzeug für eine ungewisse Zukunft im Wettbewerb darstellen, präsentierte Scharrer zur Pressekonferenz: So kündigte er die Einführung einer freiwilligen Sicherheitsüberprüfung für Augenlaserzentren an. Der so genannte „LASIK-TÜV“ soll anhand messbarer Kriterien eine Qualitätssicherung bei Laseroperationen gewährleisten und die Zertifizierung mit einem Prüfzeichen belegen. Als „Meilenstein in der Vorsorgedia-gnostik“ wurde die automatische Befunderkennung am Beispiel des telemedizinischen Netzhautanalysesystems F.I.N. (Fundus Imaging Network) vorgestellt, das angesichts wachsender Bedeutung der Früherkennung für den Augenarzt interessante Möglichkeit biete.

Damit waren richtungsweisende Themen vorgegeben: Qualitätssicherung und Früherkennung. Beides Aspekte, die deutlich machten, dass neben dem fachwissenschaftlichen Programm eine besondere Aufmerksamkeit den aktuellen berufspolitischen Entwicklungen galt: Den drängenden Fragen nach der Positionierung im zukünftigen Wettbewerb, der Bedeutung von Privatleistungen und den Gestaltungsmöglichkeiten bei der Berufsausübung für den einzelnen Augenarzt angesicht der neuen Chancen und Herausforderungen.

Berufspolitisches Symposium

So lockte das diesjährige berufspolitische Gespräch zum Thema „Strukturwandel in der augenärztlichen Versorgung: Neuerungen und ihre Auswirkungen“ deutlich mehr Teilnehmer als im vergangenen Jahr an, moderiert von DOC-Präsident und BDOC-Vorstandsvorsitzendem Dr. A. Scharrer sowie Dr. K. Schayan-Araghi als 2. Vorsitzendem des BDOC. Wenn auch die Podiumsgäste dieselben waren wie im letzten Jahr, gab es doch diesmal einiges Neue zu hören.

Änderung des Vertragsarztrechts

Brandaktuell konnte Dr. H.-M. Mörlein (Vorsitzender der Vertreterversammlung der KBV) den zwei Tage zuvor im Bundeskabinett verabschiedeten Entwurf zum Vertragsarztrechts-Änderungsgesetz (VÄndG) vorstellen und erläutern, das zum 1. Januar 2007 in Kraft treten soll. Als Anpassung des Vertragsrechts an die Liberalisierung der Musterberufsordnung zielt das VändG auf die Chancengleichheit zwischen Vertragsärzten und MVZ. Zudem soll eine engere Verzahnung der ambulanten und stationären Versorgung erreicht und die Unterversorgung bekämpft werden.

Dieses Gesetz sei die weitreichendste Strukturveränderung in der Geschichte des Vertragsarztrechts, so Medizinrechtsanwalt R. Preißler. Galt früher die Vermeidung von Ausgaben als zentrales Prinzip im Gesundheitssystem, so betrachte man nun im Koalitionsvertrag das Gesundheitswesen als Wachstumsbranche. Eine Branche, die sich wie andere auch im Wettbewerb beweisen müsse. Mit der nun folgenden Liberalisierung und Flexibilisierung erfolge einerseits ein Abbau von Grenzen, andererseits auch von Schutzräumen. Nach seiner Prognose werde es in zehn Jahren viele Gesundheitseinrichtungen geben, die Frage sei nur, wer sie betreibe: Ärzte oder nichtärztliche Träger – denn auch Letzteres beeinhalte der Koalitionsvertrag. Hier läge eine Chance zu nutzen oder zu verspielen. Auch ende der Boom der MVZ zugunsten einer zukünftigen Zweiteilung, nach der einerseits Krankenhäuser ihre strukturellen Problem über MVZ auffangen könnten, z. B. zur Nachbetreuung oder als Notfallambulanz, und anderseits Ärzte zu Praxen mit Angestellten tendieren würden, um beispielsweise eine überörtlichen Teilgemeinschaftspraxis für Diabetes-Patienten zu bilden. Alle Kooperationen, so Preißlers nachdrücklicher Hinweis, böten über eine Erhöhung der Versorgungsqualität die Chance, sich durch Neu-Positionierung im Wettbewerb, der zwangsläufig entstehe, zu behaupten. Eine KV, die ihre Mitglieder vor dem entstehenden Wettbewerb versuche zu schützen, habe keine Zukunft, so Preißler Einschätzung zur Rolle der KV angesichts der gravierenden strukturellen Veränderungen.

Augenärzte für Kooperationsformen besonders prädestiniert

Eine Meinung, die bei Dr. A. Munte, dem Vorstandsvorsitzenden der KV Bayern, erstaunlicherweise keine Gegenwehr auslöste. Im Gegenteil, hatte Munte noch im letzten Jahr angesichts der MVZ ein düsteres Bild künftiger Versorgungsformen entworfen, gab es nun ein nicht minder flammendes Plädoyer für die neuen vertragsärztlichen Möglichkeiten zur Kooperation, für die insbesondere die Augenärzte als Fachgruppe besonders prädestiniert seien. Als Berufsgruppe, die viele Innovationen entwickle und die für die Versorgung der Bevölkerung unabdingbar sei, biete es sich an, den Versorgungsauftrag zugunsten neuer Kooperationsformen aufzugeben. Denn insgesamt sei hierdurch sowohl eine Ersparnis im System als auch eine Qualitätsverbesserung in der Versorgung zu erzielen. Überraschend auch die Schelte Muntes für die erstarrten Strukturen der KV, die sich zukünftig als Dienstleister für den Arzt neu ausrichten müsse.

Trotz bekannter Gesichter also plötzlich ganz neue Töne im Vergleich zu den letztjährig geäußerten Positionen. Dennoch ein Richtungswandel im Sinne der offiziellen KV-Linie: Nur wenige Tage zuvor hatte KBV-Vorsitzender Dr. A. Köhler auf der Vertreterversammlung an den Mut zur Veränderung appelliert und die Delegierten auf vorwärtsgewandten Gestaltungswillen eingeschworen.

Vorsicht vor „Fielmannisierung“

Entsprechend reagierte Mörlein auf Nachfragen aus dem Publikum, wie denn die vertragsärztliche Zukunft aussehe. Antwort: Einzelkämpfende Vertragsärzte werde es zukünftig nicht mehr geben, vielmehr hätten die Zusammenschlüsse in größeren Einheiten die besten Chancen, sich im Wettbewerb zu behaupten. Aufgabe der KV könne es dann sein, als Arzt-Dienstleister den dann auch unternehmerisch tätigen Augenarzt in seiner neuen Kooperation zu beraten. Auch gegenüber den Kliniken könnten langfristig nur größere Kooperationen im ambulanten Bereich erfolgreich bestehen. Werde die sich heute bietende neue Gestaltungsoption für die ambulante Versorgung nicht genutzt, drohe die Gefahr einer „Fielmannisierung“, einer Dominanz von großen Klinikketten mit nur noch angestellten Augenärzten. Handlungsbedarf für den Einzelnen bestehe auch, da die Alterssicherung über den Praxisverkauf mit der sich schon abzeichnenden Durchlöcherung der Bedarfsplanung entfalle und in wenigen Jahren womöglich gar keine Zulassung mehr gekauft werden müsse.

Ausblicke, die insgesamt ein sprachloses Publikum zurückließen. Bewegte Zeiten seien es, so Scharrers zusammenfassendes Fazit zum zukünftigen Wettbewerb, dennoch habe die Fachgruppe der Augenärzte im Vergleich zu anderen Berufgruppen beste Bedingungen. Ein aufmunterndes Schlusswort, das dem ein oder anderen Zuhörer dennoch ein wenig zu allgemein erschien. Konkreter da schon der abschließende Hinweis, „im Topf“ sei noch viel drin, wer sich den Innovationen wie der Gesundheitskarte oder den QM-Maßnahmen stelle, habe gute Aussichten sich zu positionieren.

Konsens herrschte bei den Podiumsgästen auch darüber, dass alle sich nun anbietenden neuen Chancen nur mit einem neuen Abrechnungssystem realisierbar seien. Eine Forderung, die auch nachdrücklich mit der Befürwortung eines Zuzahlungsmodells und der Honorierung in Euro in der BDOC-Mitgliederversammlung formuliert wurde.

Vom Einzelkämpfer zum Unternehmer

Dass viele Kollegen sich in einer ungewissen Entwicklung wähnen und bereits auf der Suche nach konkreten Perspektiven sind, zeigte auch das Seminarangebot zum Thema „Wie wird bzw. bleibt man Gewinner im Verteilerkampf“ oder die Veranstaltung „Oberarzt – was nun?“. Ersteres machte deutlich, dass fachärztliche Kompetenz alleine nicht mehr ausreichen werde, um betriebswirtschaftlich erfolgreich zu sein. Es müsse ein Maßnahmenbündel geschnürt, um die Praxis zukünftig durchzubringen. Zwar waren die einzelnen Empfehlungen nicht gerade neu und die Aufforderung zu IGeLn, sich um Privatpatienten, QM-Maßnahmen und Patientenzufriedenheit zu bemühen, überraschte niemanden. Doch offenbar ist die wohlgemeinte und inzwischen vertraute Botschaft noch nicht bei jedem angekommen, gab es doch Empörung aus dem Publikum angesicht des Hinweises, Wartezeiten in der Praxis von drei bis vier Stunden seien für den Patienten unzumutbar und zu verkürzen. Wer tatsächlich befürchtet, sein ärztliches Ansehen könne leiden, wenn der Patient zu schnell aufgerufen wird, muss sich zu Recht Sorgen um die Zukunft machen. In der gegenwärtigen Entwicklung hin zu einer Praxis als einem betriebswirtschaftlich geführten Unternehmen wird der Patient auch immer ein Kunde sein. Entsprechend ist die Perspektivensuche für die Einzelpraxis unumgänglich.

Perspektivensuche und Geschlossenheit im Wettbewerb

Doch Perspektiven braucht auch, wer in der Klinik tätig ist, so die Grundaussage des Seminars „Oberarzt – was nun?“, in dem Vertreter verschiedener Formen freier und vertragsärztlicher Berufsausübung über ihre Erfahrungen berichteten. Vor allem junge Ärzte bräuchten angesichts der anstehenden Veränderungen ein Ziel. Zwar gäbe es viel Potential für den Nachwuchs im niedergelassenen Bereich, doch drohe zugleich auch ein Werteverfall für konservative Praxen. Zunahmen seien derzeit nur bei operativ tätigen Praxen zu verzeichnen. Ob die interessantere Perspektive Chefarzt in Klinik, Angestellter in Praxis oder Tätigkeit in eigener Praxis heißt, sei maßgeblich von der persönlichen Lebenssituation abhängig, so das gemeinsame Fazit nach den vorgestellten unterschiedlichen Lebensläufen. Und auch hier mit Nachdruck der Hinweis, dass es für die erfolgreiche Tätigkeit in eigener Praxis zukünftig eines Netzwerkes sowie privater Leistung für Kassenpatienten und einer Privatsprechstunde bedarf, wenn man wirtschaftlich überleben wolle. Um den Service, wie beispielsweise ein Abendsprechstunde einzurichten, bedürfe es aber einer Gemeinschaftspraxis, so der niedergelassene Arzt, der seinen eigenen Worten bereits Taten folgen ließ und nach langjähriger Praxistätigkeit nun einen Partner sucht.
Alles in allem herrschte allerorts ein dringlicher Aufruf zu Geschlossenheit und Kooperation – vielleicht ist dies die wahre Innovation in der Augenheilkunde!

Industrie

Auch die Industrie stimmte in den Ruf ein und betonte zur Vollversammlung, dass angesichts der vielen Veränderungen ein einheitliches Auftreten von Ärzten und Industrie wünschenswert sei. Ziel der ophthalmologischen Industrie sei, Prävention und Innovation zu fördern und bezahlbar zu halten. Insgesamt zufrieden zeigte man sich mit den Besucherzahlen und einem attraktiven Programm, dass durch zahlreiche Praxisseminare abgerundet werde. Der Feiertag machte viele Aussteller ausgesprochen unfroh, da sich doch offenbar mehr potentielle Tagungsteilnehmer für einen Ausflug statt einen Kongressbesuch entschieden hatten: Doch nach dem ruhigen Auftakt am Feiertag folgte an den nächsten Tagen emsige Betriebsamkeit an den Ständen und ein entspannter Ausklang am Sonntag, an dem sich dann den abreisenden Nürnberg-Besuchern auch endlich wieder die Sonne zeigte.

FilmFestival

Einen glanzvollen Höhepunkt der DOC stellte auch in diesem Jahr wieder die Gala mit Prämierung der besten Operationsfilme und Verleihung der Oskar beim Alcon-FilmFestival dar. Insgesamt wurden neun Filmbeiträge und drei Poster prämiert sowie weitere Preise in Anerkennung besonderer Leistungen verliehen. Neben den Auszeichnung von Operationsfilmen in vier verschiedenen Kategorien, erhielt der niedergelassene Ophthalmologe Prof. Dr. Arnd Heiligenhaus (Münster) den DOC-Forschungspreis für seine international anerkannten Arbeiten zur klinischen Immunologie. Der Große Filmpreis wurde Dr. Albert Hennig für seinen Film über „Kataraktoperationen in Nepal, Wandel in zwei Jahrzehnten“ verliehen. Hennig ist seit 23 Jahren für die Christoffel Blindenmission in Lahan (Nepal) tätig und hat mit der von ihm entwickelten Fishhook-Technik inzwischen mehr als 300.000 Kataraktoperationen durchgeführt.

Weitere Preisträger:
Videopreise (Filmkommission: Dr. Haefliger, CH-Binningen;
Frau Prof. Dr. Binder, A-Wien; Prof. Dr. Duncker, Halle/Saale;
Prof. Dr. Menapace, A-Wien; Freiherr von Wolf, Groß Pankow;
Dr. Witschel, Hannover) in folgenden Kategorien erhielten:

Kategorie Katarakt- und Glaukomchirugie
1. Preis: Prof. Dr. Teruyuk (Miyoshi, Fukuyama/Japan):
“We could catch the Wieger’s ligament without stining“
2. Preis: Dr. Makoto Kishimoto (Moriyama Shiga/Japan):
“The surge”

Kategorie Refraktive- und Hornhautchirurgie
1. Preis: Prof. Dr. Burkhard Dick (Bochum):
„What‘s Beyond the Blue-Blocked Life?”
2. Preis: Dr. Tim Heuermann (Bremen):
„Implantation einer Irisklauen-Okklusionslinse
in der Hinterkammer bei unerträglicher Diplopie“

Kategorie Netzhaut-/Glaskörperchirurgie
1. Preis: Prof. Dr. Jerzy Nawrocki (Lodz):
„Clinicodiagnostic correlation of macular disease”
2. Preis: Prof. Dr. Stefan Dithmar
(Heidelberg):
„Radiäre Optikusneurotomie –
mit Sicherheit in den Nerv“

Kategorie Orbita, Tränenwegs- und Lidchirurgie
1. Preis: Prof. Dr. Wolf Lagrèze
(Freiburg):
„Transkonjunktivale Kryoextraktion eines retrobulbär gelegenen kavernösen Hämangioms“
2. Preis: Dr. Marc Schargus (Würzburg): „Lokalisierung und Extraktion eines orbitalen Holzfremdkörpers“

Posterpreise (Posterkommission:
Prof. Dr. Kirchhof, Köln; Prof. Dr. Holz, Bonn; Prof. Dr. Kammann, Dortmund;
Frau Dr. Schmickler, Ahaus) gingen an:

1. Preis: Dr. Uwe Oberheide (Köln):
„Elastizitätssteigerung der kristallinen Linse nach Behandlung mit FS-Laserpulsen“
2. Preis: Prof. Dr. Jan Novac (Pardubice/Tschechische Republik):
„Clarity of the IOL Optic in vivo“
3. Preis: Dr. Ingo Schmack (Heidelberg): „Post-LASIK Interface-Fluid-Syndrom: Pathomechanismen, histopathologische und ultrastrukturelle Korrelationen“

DOC Medienpreis 2006 Publikumspresse:
Klaus Brock und Anne Welsing WDR
Redakteure, für den Film „Besser sehen mit Linsen – Lasertechnik und Augentraining“ (Sendereihe Rundum Gesund).

DOC Medienpreis 2006, Fachpresse:
Dr. Hannsjürgen Trojan, Tropenophthalmologe, langjähriger AUGENSPIEGEL-Autor, verantwortlicher Redakteur Global Vision und Vorstandsmitglied bei Vision 2020.

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