Augenärztliche Gemeinschaftspraxen

Eine Analyse und Bewertung der Wirtschaftlichkeit
Vor dem Hintergrund des ständig wachsenden Umsatz- und Kostendrucks, der Flexibilisierung des Vertragsarztrechts, aber auch einer wachsenden Nachfrage nach zusätzlichen medizinischen Dienstleistungen werden Ärzte dazu angeregt, über neue Praxisformen und Möglichkeiten der Kooperation nachzudenken. Dipl. Betriebswirt Raphael P. Dupierry und Prof. Dr. Martin Kaschny stellen Ergebnisse einer von ihnen durchgeführten Online-Befragung über wirtschaftliche Aspekte und persönliche Erfahrungen unter kooperativ tätigen Ärzten vor.

Ärztinnen und Ärzte werden nicht nur aufgrund neuer Gesetze, wie aktuell das zum 1. Januar 2007 in Kraft getretene Vertragsarztrechtsänderungsgesetz (VändG), dazu angeregt, über neue Praxisformen und Möglichkeiten der Kooperation nachzudenken. Zusätzlich tragen die Patienten, die von den Ärzten neue und verbesserte „Dienstleistungen“ erwarten, dazu bei, dass sich diese zunehmend über zusätzliche, medizinische Dienstleistungen Gedanken machen müssen. Viele dieser zusätzlichen Leistungen können jedoch erst durch Kooperation wirtschaftlich erbracht werden (Apotheker- und Ärztebank, 2004).

Eine im Zeitraum von April bis Mai 2007 von den Verfassern durchgeführte Online-Befragung mit einer realisierten Stichprobe_ von 67 kooperativ tätigen Ärzten ergab, dass 88 Prozent der Probanden der These „Arztpraxen sind grundsätzlich nur durch Koop_eration wirtschaftlich zu führen“ zustimmten. Die Meinung, dass Kooperationen dazu beitragen, Arztpraxen wirtschaftlicher führen zu können, ist somit weit verbreitet. Diese These wird _dadurch gestützt, dass im Rahmen ärztlicher Kooperationen nicht nur Kosten_einsparungspotenziale möglich sind, sondern auch zusätzliches Umsatzpotenzial generiert werden kann.

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Abb. 1: Anzahl gemeldeter Verträge nach Vertragspartner-Kombination (Quelle: nach Daten
der Deutschen Ärzte Versicherung).

Zusätzliches Umsatzpotenzial kann unter anderem durch eine extrabudgetäre Vergütung generiert werden. Mögliche Formen einer extrabudgetären Vergütung sind unter anderem Abschlüsse Integrierter Versorgungsverträge, Einzelverträge oder Verträge nach Paragraf 73 c SGB V mit den Kassen (Arzt und Wirtschaft 07/2006). Einer der größten Verträge zur Integrierten Versorgung in Deutschland ist das so genannte „Gesundes Kinzigtal“-Modellprojekt. Nach Angaben des Geschäftsführers der Projektgesellschaft, Helmut Hildebrandt, betrugen die zusätzlichen Einnahmen pro teilnehmenden Arzt im Jahr 2006 – also noch in der Vorbereitungsphase – durchschnittlich 15.000 Euro (Ärzte Zeitung, 28. März 2007). Nach Angaben der Deutsche Ärzte Versicherung ist die Anzahl der Verträge zur integrierten Versorgung im Zeitraum von März 2006 bis März 2007 bei den niedergelassenen Ärzten um 66,9 Prozent angestiegen.

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Tab. 1: Anzahl gemeldeter Verträge nach Vertragspartner-Kombination (Quelle: nach Daten
der Deutschen Ärzte Versicherung).

Vor allem aber in Kooperation mit anderen niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen zu arbeiten, macht die Integrierte Versorgung zunehmend attraktiv. Auf diesem Wege kann die Behandlung der Patienten durch Spezialisierung der Kooperationspartner sowie optimaler Einbindung komplementärer Leistungserbringer wirtschaftlicher erfolgen. Im Rahmen einer empirischen Auswertung anonymisierter augenärztlicher BWA (Betriebswirtschaftliche _Auswertung) wurde sowohl auf der Kosten- als auch auf der Umsatzseite untersucht, inwieweit augenärztliche Kooperationen – in Abhängigkeit zur Höhe des Umsatzes – wirtschaftlich geführt werden können. Hierzu wurden kleinere und größere Gemeinschaftspraxen sowie Einzelpraxen miteinander verglichen.

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Abb. 2: Vergleich von Praxisleistung, Gesamtkosten und Praxisergebnis (Quelle: nach Daten
anonymisierter augenärztlicher BWA).

Untersucht wurde die prozentuale Zusammensetzung von Praxisleistung, Gesamtkosten und Praxisergebnis. Aus der nachfolgenden Abbildung 2 sind Durchschnittswerte der Praxisleistung, Gesamtkosten und des Praxisergebnisses augenärztlicher Einzel- und Gemeinschaftspraxen zu entnehmen. Hier ist zu erkennen, dass das Praxisergebnis der größeren Gemeinschaftspraxen mit 60,7 Prozent relativ – und damit auf Grund des höheren Umsatzes auch absolut – höher ausfällt. Der Umstand, dass hier auch die geringsten Gesamtkosten vorliegen, deutet darauf hin, dass im Falle augenärztlicher Gemeinschaftspraxen ab einer bestimmten Praxisgröße so genannte Größenersparnisse generiert werden können. Dass die Praxisleistung bei Gemeinschaftspraxen mit einem hohen Gesamtumsatz im Vergleich zu den Einzelpraxen um 6,5 Prozent niedriger ausfällt, ist vor allem auf eine höhere Fremdleistungsquote zurückzuführen. Dagegen deuten die geringen Unterschiede zwischen Einzelpraxen und kleinen Gemeinschaftspraxen darauf hin, dass sich hier die Vorteile der Kooperation in geringerem Maße auswirken.

Bei den Gesamtkosten kann aus Abbildung 2 entnommen werden, dass bei augenärztlichen Arztpraxen mit steigendem Umsatz das Kosteneinsparungspotenzial grundsätzlich ausgeweitet werden kann. Das Einsparungspotenzial liegt vor allem im Bereich der Personal- und Raumkosten vor (Abb. 3).

In der Regel wird in augenärztlichen Gemeinschaftspraxen eine operative Tätigkeit angeboten. Dadurch steigen zunächst aufgrund des teueren Fachpersonals die Fixkosten. Jedoch kann dieser Kostenanstieg aufgrund des hohen Einnahmenpotenzials operativ tätiger Augenärzte durch IGeL-Angebote ausgeglichen werden. Nach Angaben des Beratungsunternehmens Frielingsdorf Consult lassen sich im Schnitt 20.000 Euro zusätzliche Einnahmen mit IGeL erzielen, wovon besonders Augenärzte, Gynäkologen, Orthopäden, Urologen und Dermatologen profitieren. Eine Umfrage des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WidO) aus dem Jahr 2005 hatte ergeben, dass Frauen- und Augenärzte am eifrigsten „IGeLn“. Sie offerieren im Vergleich zu Allgemeinmedizinern zehnmal häufiger Dienste, die von den gesetzlichen Krankenkassen nicht übernommen werden (Zok 2005). Demzufolge dürfte die Kostendegression im Bereich der Personal- und Raumkosten bei gleichzeitiger Ausweitung des Praxisergebnisses auf das hohe Einnahmenpotenzial der Augenärzte außerhalb der Kassenärztlichen Leistungen zurückzuführen sein.

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Abb. 3: Durchschnittliche Personal- und Raumkosten, Abschreibungen und sonstige Kosten
augenärztlicher Einzel- und Gemeinschaftspraxen (Quelle: nach Daten anonymisierter augenärztlicher BWA).

Abschließend kann festgehalten werden, dass augenärztliche Gemeinschaftspraxen bei einem hohen Gesamtumsatz mit einer geringen Kostenquote am wirtschaftlichsten sind (Abb. 2). Augenärztliche Kooperationen sind demzufolge wirtschaftlich interessant, wobei die Höhe der Kosteneinsparung und Gewinnausweitung von der Fachgruppe und dem angebotenen Leistungsspektrum sowie der Praxisgröße und dem beschäftigten Fachpersonal abhängt.

Weiterhin ist aus steuerlicher Sicht bei Gemeinschaftspraxen zu beachten, dass sich eine steuerliche Optimierungsmöglichkeit in _Gemeinschaften aus der Verschiebung von Gewinnanteilen zwischen den einzelnen Partnern ergibt, soweit diese im Rahmen des Steuerrechtes zugelassen sind. Diese Optimierung gilt nicht für Einzelpraxen und ist für kleinere Gemeinschaften nur eingeschränkt möglich. Beispielsweise besteht die Möglichkeit, dass ein Praxisgerät nicht von der Gemeinschaft als solcher, sondern lediglich von einem einzelnen Partner angeschafft wird. In diesem Fall stehen die Abschreibungen auf das angeschaffte Gerät auch nur diesem Partner zu, so dass diesem ein geringerer Gewinnanteil im Vergleich zu den nicht investierenden Partnern zuzurechnen ist. Jedoch ist auch zu beachten, dass größere Zusammenschlüsse größere Risiken bergen. Das größte Risiko besteht darin, dass ein Zusammenschluss steuerlich als Gewerbebetrieb angesehen und nicht mehr als freiberufliche Praxis anerkannt wird. In diesem Fall kommt es zu einer zusätzlichen Belastung des Praxisgewinns mit Gewerbesteuer (Winnen 2007).
Nicht auszuschließen sind auch zwischenmenschliche Konflikte im Rahmen einer Kooperation. Laut Auswertung der Online-Befragung sahen insgesamt 50,7 Prozent in Abbildung 4 dargestellte Probleme beim Eingehen von ärztlichen Kooperationen.

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Abb. 4: Probleme beim Eingehen von ärztlichen Kooperationen (Mehrfachantworten möglich,
Darstellung und Erhebung im Rahmen der Online-Befragung).

Als eines der wichtigsten Probleme wurde mit 35,3 Prozent die unterschiedlichen Zielsetzungen der beteiligten Kooperationspartner_ genannt, gefolgt von Problemen bei der Kosten- und Gewinnverteilung mit 26,5 Prozent.

Fazit

Alle Partner haben ihre persönlichen Motive und Gründe für das Eingehen einer Kooperation. Oft bleiben jedoch diese persönlichen Zielvorstellungen sehr vage und lassen sich für Dritte kaum fassbar machen. Es ist in der Folge schwer, ein eindeutiges gemeinschaftliches Ziel zu formulieren. Eine Einigung der Partner erfolgt häufig lediglich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner, wobei die einzelnen Partner ihr individuelles Ziel nicht aus den Augen verlieren. Die Folge ist, dass die Kräfte nicht gebündelt werden, sondern parallel laufen oder divergieren. Alle Partner beginnen gleichzeitig, streben jedoch in unterschiedliche Richtungen (Nguyen 2006).

Hieraus lässt sich insgesamt schließen, dass sich bei ärztlichen Kooperationen durchaus auch Nachteile ergeben können, die jedoch durch eine detaillierte Planung und gute Kommunikation zwischen den Kooperationspartnern minimiert beziehungsweise vermieden werden können. Demzufolge sollte bei der Bildung und dem Ausbau von Gemeinschaftspraxen darauf geachtet werden, dass ein klares Praxiskonzept definiert wird.

Darüber hinaus ist der wirtschaftliche Erfolg einer Gemeinschaftspraxis von den Gesetzesmäßigkeiten und standesrechtlichen Rahmenbedingungen des Gesundheitswesens abhängig (Fahlbusch 2005). Das zum 1. Januar 2007 in Kraft getretene VändG stellt eine erhebliche Flexibilisierung der ärztlichen Tätigkeit sowie der ärztlichen Kooperationsformen dar (Privatärztliche Verrechnungsstelle).

Es ist anzunehmen, dass Kooperationen vor dem Hintergrund des ständig wachsenden Umsatz- und Kostendrucks weiter zunehmen werden. Ebenso ist aufgrund der Flexibilisierung des Vertragsarztrechts eine Steigerung der kooperativen Berufsausübung zu erwarten. Dieser Trend wurde im Rahmen der durchgeführten Online-Befragung von insgesamt 87,7 Prozent der Gesamtteilnehmer bestätigt.

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