Erfahrungsbericht

Eine wahrheitsgemäße Aussage und ihr juristisches Nachspiel…
Nach aktuellen Umfragen in der Bevölkerung genießen Ärzte das höchste Ansehen im Berufsranking. Damit verbunden sind hohe Erwartungen seitens der Patienten in Bezug auf Aufrichtigkeit und Glaubwürdigkeit des behandelnden Arztes. Nicht so im Fall der Mutter, die mit ihrem brilletragenden Kind in die Augenarztpraxis kam und anschließend eine Falschaussage einforderte. Ein Bericht von Dr. Georg Eckert.

Der Kollege Ph. J. aus dem Allgäu, der namentlich nicht genannt werden will, dessen Unterlagen mir jedoch vorliegen, berichtet folgenden Fall:
In seine Praxis kamen eine Mutter und ihr Kind mit dem Wunsch nach einer neuen Brille, die alte Brille hatte der Junge bei sich. Eine neue Brille wurde verordnet. Das begegnet uns täglich in der Praxis. Erst die weitere Entwicklung ist bemerkenswert: Wenig später kam eine Anfrage einer privaten Zusatzversicherung in die Praxis bezüglich Vorerkrankungen. Wahrheitsgemäß wurde die Anfrage beantwortet, dass eine neue Brille verordnet wurde, weil die alte nicht mehr passte. Ebenfalls Routine.

Einige Tage später verlangte die Mutter von dem Arzt eine Bestätigung, dass der Junge niemals eine Brille getragen habe. Ihr Junge habe niemals eine Brille besessen oder gehabt. Der Kollege habe eine Falschmitteilung gemacht. Falls er diese Aussage nicht widerrufen würde, folgten anwaltliche Schritte. Wie sich später herausstellte, hatte die Mutter gegenüber der Versicherung, einer privaten Zusatzversicherung, behauptet, dass der Junge niemals eine Brille benötigt habe.

Die Sache wurde auf die Spitze getrieben, als tatsächlich ein Anwaltsschreiben kam mit der Aufforderung, die Aussage, dass der Junge mit einer Brille in die Praxis gekommen war, zurückzunehmen. Im Anwaltsschreiben wurde betont, dass der Junge niemals eine Brille besessen habe. Falls der Kollege diese Aussage nicht zurücknähme wurden erhebliche Konsequenzen angedroht – angeblich müsste eine Behandlung des Jungen beim Heilpraktiker (!) abgebrochen werden, Schadenersatz würde fällig.

Da der Kollege dem Ansinnen des Anwalt nicht nachgab, eskalierte die Angelegenheit und kam vor Gericht. Dabei war die Tatsache eine Erschwernis, dass die Klägerpartei den Kollegen nicht von der Schweigepflicht entband, möglicherweise in der Hoffnung, dass der Kollege diese verletzen würde, dann eine Sanktion erfolgen könnte und man somit Druck auf unseren Kollegen ausüben könnte.

Bemerkenswert ist die Tatsache, dass der Prozess auf Kosten des Steuerzahlers geführt wurde, da die Mutter Harz IV-Empfängerin war. Damit hätte der Kollege einen eigenen Anwalt selbst bezahlen müssen, auch wenn der Prozess von ihm gewonnen würde.

Der Mutter ging es offenbar darum für eine geplante private Zusatzversicherung darzulegen, dass bislang keine Augenerkrankungen vorlägen. Sie argumentierte damit, dass der Junge nicht in diese private Zusatzversicherung aufgenommen werden könnte, wenn Augenbeteiligungen vorlägen. Zwischenzeitlich hatte unser Kollege mit detektivischem Scharfsinn herausgefunden, dass der Junge bereits früher eine Brille getragen hatte – pikanterweise war auf dem damaligen Rezept das Geburtsdatum und der Vorname des Jungen geändert, so dass sich die Mutter in dem Glauben wiegen konnte, dass die frühere Brillenverordnung und Abgabe nicht nachvollziehbar war.

Vor Gericht konnte der Kollege diese Situation darlegen, wobei er zur Verhandlung bei laufender Sprechstunde und vollem Wartezimmer gebeten wurde. Das Lügengebäude der Klägerin fiel dann wie ein Kartenhaus in sich zusammen, die Klage wurde abgewiesen. Die Klägerin hat nach einer Strafanzeige des Richters inzwischen einen Strafbefehl wegen versuchten Prozessbetruges erhalten.

Insgesamt hat der Kollege nach seinen Angaben etwa 15 Stunden mit der Angelegenheit verbracht, die er der Mutter nicht in Rechnung stellen kann, da diese Hartz IV-Empfänger ist. Damit konnte die Mutter ohne finanzielles Risiko diesen Prozess führen, hätte unser Kollege sich einen Anwalt genommen, hätte er diesen auf jeden Fall selbst bezahlen müssen, auch wenn der Prozess gewonnen würde.

Als Moral könnte man sehen:

  • 1. Eine gute Dokumentation ist wichtig und hilfreich.
  • 2. Dem Drängen von Patienten nachzugeben, kann erhebliche Folgen haben. Hier wurde letztlich vom Arzt Beihilfe zum Versicherungsbetrug   anwaltlich eingefordert.
  • 3. Der Kollege hat eine gefährliche Falle vermieden, weil er beim Schriftwechsel mit dem Gericht erst nach Verfügung des Richters Einzelheiten der Behandlung genannt hat, sonst hätte er gegen die Schweigepflicht verstoßen.
  • 4. Es ist ein Unding, dass derart zeitraubende Fälle jetzt mit einer Pauschale von 21 Euro abgegolten sein sollen – auch bei einer Mischkalkulation.

 

 

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