Die Brille des Narren

Serie zur Sammlung Roth (Folge 130)
Die ersten Brillenträger gehörten einer Gesellschaftsschicht an, die es sich leisten konnte, eine Lesehilfe anzuschaffen. Die ältesten Abbildungen stammen aus der Mitte des 14. Jahrhunderts und immer mit ihrem Besitzer dargestellt – in der Regel waren diese aus der Oberschicht des Klerus, alle im hohen Alter und gebildet, belesen wie die Brille belegt. Später findet man in den Abbildungen der Zeit die Brille auf dem Nasenrücken des Narren. Wieder soll sie den Träger kennzeichnen: In der bekanntesten Schrift der Zeit, dem Narrensschiff, trägt sie der Dumme. Auch im Karneval ist die Brille ein historisch fixiertes Motiv.

Die Brille war nötig für die Arbeit im Nahbereich, vornehmlich zum Lesen und Schreiben. Dafür war eine gewisse Bildung erforderlich. Auch das Vermögen musste stimmen, man schätzt den damaligen Preis für die Optik auf ein ganzes Jahreseinkommen des gehobenen Klerikers. Der Handwerker trug keine Sehhilfe. Der Bauer, der Tischler, der Schmid brauchte sie nicht. Die Obrigkeit ließ sich die Texte vorlesen, der Soldat benötigte sie schon auf Grund seiner damaligen geringen Lebenserwartung nicht. Frauen als Brillenträger sind äußerst selten, sie erscheinen mit ihren Lorgnetten erst in den Modezeitschriften des 19. Jahrhunderts.

Mehr dazu im AUGENSPIEGEL September 2022.

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