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Der Kampf gegen die Unterfinanzierung geht weiter

2,7 Millionen Euro mehr im Vergleich zu 2007 sollen in diesem Jahr in die ambulante Versorgung fließen. Aus Sicht des Berufsverbands der Augenärzte (BVA) ist die Honorarreform jedoch die größte Enttäuschung im vergangenen Jahr gewesen. Im Interview mit dem AUGENSPIEGEL kündigt der BVA-Vorsitzende Prof. Dr. Bernd Bertram deshalb weiteres Engagement für eine bessere Vergütung der ambulanten Augenheilkunde an. Zugleich appelliert er an die Augenärzte, sich nicht gegeneinander ausspielen zu lassen und zeigt im Rückblick auf 2008, was die Augenärzteschaft durch gemeinsames Engagement erreicht hat.

Bild DER AUGENSPIEGEL:
Das Jahr 2008 hat viele Änderungen für die Augenärzte gebracht: EBM-Honorarreform, GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz und Krankenhausfinanzierungsgesetz sind nur einige Beispiele: Was waren die größten Erfolge für die Augenärzte?

Prof. Dr. Bernd Bertram:
Die Einflussnahme auf die Gestaltung der neuen GOÄ verlief bisher sehr gut. Einen großen Erfolg bringt das aber nur, wenn dem auch eine passende Honorierung und vor allem eine adäquate Umsetzung durch das Ministerium folgt. Weitere Errungenschaften? Auf dem Deutschen Ärztetag ist es gelungen, im Grundsatzprogramm „Ulmer Papier“ der Bundesärztekammer den Erhalt des niedergelassenen Facharztes als wichtiges Ziel zu verankern. Zugleich wurden daraus die katastrophalen Teile des Fünf-Versorgungsebenen-Modells der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) entfernt. Durch unser Einwirken konnten besonders problematische Fehleinschätzungen und Planungen dieses KBV-Konzeptes geändert werden.

„Wir haben die Aufnahme der diabetischen Retinopathie in den Morbi-RSA erreicht.“

Auch in vielen kleinen Themen haben wir wieder Erfolge erzielen können. Das ist zum Beispiel die Etablierung der intravitrealen operativen Medikamenteneinbringung (IVOM) als eine im für intraokulare OP geeigneten Operationssaal zu erbringende Leistung. Erfolge waren auch die Kampagne des BVA zur Altersbedingten Makuladegeneration (AMD) und die Einflussnahme auf die Überarbeitung der Hilfsmittelrichtlinien beim Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA). Wichtig war vor dem Hintergrund der Ablehnung des augenärztlichen Amblyopiescreenings als GKV-Leistung durch den GBA die Sensibilisierung vieler Kinderärzte für das Thema Amblyopiescreening und für eine enge Zusammenarbeit mit den Augenärzten. Für die Zukunft wird bedeutsam sein, dass wir die Aufnahme der diabetischen Retinopathie in die 80 Krankheitsgruppen des morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleiches (Morbi-RSA) erreicht haben.

„Dem BVA ist es gelungen, die auseinanderstrebenden Interessen der verschiedenen Untergruppen im BVA zu bündeln.“

Mein positives Fazit für das zurückliegende Jahr: In einer schwierigen Situation mit immer engerem finanziellen Rahmen und immer größeren kommerziellen Interessen ist es dem BVA gelungen, die auseinanderstrebenden Interessen der verschiedenen Untergruppen im BVA zu bündeln. Nur durch diese Einheit und der Akzeptanz des BVA als primäre augenärztliche berufspolitische Interessenvertretung haben wir Augenärzte eine gute Zukunft.

„Die größte Enttäuschung für die Augenärzte ist die Honorarreform 2009.“

DER AUGENSPIEGEL:
Nicht alles ist aber reibungslos gelaufen. Vielfach gab es auch Probleme und Enttäuschungen. Was waren die größten Enttäuschungen für die Augenärzte?

Prof. Dr. Bernd Bertram:
Sicherlich ist die größte Enttäuschung für die Augenärzte die Honorarreform 2009. Sowohl für den ambulanten wie für den stationären Bereich wird zwar mehr Geld ausgegeben, aber was davon in der Augenheilkunde ankommt, entspricht bei weitem nicht dem Erforderlichen. Die genaueren Auswirkungen auf die finanzielle Ausstattung der Augenkliniken sind zwar noch unklar, aber mit einer ernsthaften Verbesserung ist kaum zu rechnen. Klarer ist die Situation in den meisten Bundesländern für den ambulanten Bereich: Für den nicht-operativen Bereich, der ab Januar 2009 zu mehr als 96 Prozent innerhalb der so genannten Regelleistungsvolumina finanziert wird, gibt es in vielen Bundesländern sogar weniger Geld als bisher. Die Regelleistungsvolumina sind so niedrig, dass die nicht-operativen Kassenhonorare meist knapp unter, in ungefähr gleicher Höhe oder bestenfalls knapp über den Kosten der Praxis liegen. Das Einkommen der Ärzte kann damit bei den meisten nicht-operierenden Kollegen nur aus den Honoraren der Privatpatienten oder aus den IGeL-Einnahmen kommen. Auch die ambulanten Operateure müssen die Beendigung vieler Verträge hinnehmen mit einer teilweise deutlichen Verschlechterung der Honorierung. Der BVA kämpft zwar an allen möglichen Angriffspunkten für eine Verbesserung, aber die schlechten wirtschaftlichen Prognosen und die rigide Begrenzung der Kasseneinnahmen mit dem zu niedrig bemessenen Beitragssatz erschweren die Situation.

Eine weitere große Enttäuschung in 2008 war, dass die augen_ärztliche Amblyopievorsorge durch den GBA abgelehnt wurde und stattdessen ein Schmalspur-Sehscreening beim Kinderarzt beschlossen wurde. Unser langjähriges Engagement für das Thema stieß beim GBA auf taube Ohren. Fachärztlichen Vorsorgeuntersuchungen scheint der Ausschuss nicht besonders offen gegenüber zu stehen.

„Die Einheit der Ärzte ist immer schwieriger herzustellen.“

Es war nicht zuletzt auch äußerst enttäuschend, dass die Pläne für eine gemeinsame und schlagkräftige berufspolitische Interessenvertretung aller Fachärzte wieder auf Eis gelegt worden sind. Es fehlten vor allem geeignete Kandidaten, die die mehrheitliche Unterstützung über Fachgruppen hinweg erhalten hätten. Das scheint zu bestätigen, dass die Politik mit ihrer Strategie des „divide et impera“ Erfolg hat: Die Einheit der Ärzte ist immer schwieriger herzustellen.

DER AUGENSPIEGEL:
Was sind die wichtigsten Entscheidungen, die für die Augenärzte mit Blick auf Gesundheitsfonds, Honorarreform und Selektivverträge im kommenden Jahr anstehen?

Prof. Dr. Bernd Bertram:
Für 2009 ist zunächst entscheidend, ob wir für die Regelleistungsvolumina die dringend erforderliche Erhöhung erreichen können. Die bisherige Honorarreform hat dies nicht erreicht und muss dringend korrigiert werden. Dafür müssen wir jetzt kämpfen.

Zudem sehe ich mit großer Sorge der Bundestagswahl entgegen. Je nach deren Ausgang droht uns danach möglicherweise die Abschaffung der Privaten Krankenversicherung als Vollversicherung mit wahrscheinlich existenzbedrohenden Folgen für viele niedergelassenen Kollegen. Ohne die Einnahmen aus der Behandlung von Privatpatienten haben viele Praxen in den alten Bundesländern keine Zukunft.

Der dritte wichtige Punkt ist die Entwicklung der Vertragslandschaft außerhalb des EBM. Wenn sich hier weiter und vermehrt verschiedene Anbietergruppen bilden, die versuchen, für Teilgruppen der Augenärzte Verträge auszuhandeln und dabei versuchen, sich mit Leistung zu überbieten und mit dem Preis zu unterbieten, verschärft sich die Situation. Der BVA will künftig vermehrt als Verhandlungspartner auftreten. Das hat die Delegiertenversammlung im November mit deutlicher Mehrheit beschlossen. Der BVA bietet letztlich als einziger Verband von Augenärzten die Gewähr, dass die berechtigten Interessen der verschiedenen Untergruppen vertreten und mittel- bis langfristig gute Ergebnisse zum Wohl der Augenärzte erzielt werden. Auch für die Inhalte der Verträge gab es wegweisende Beschlüsse der Delegiertenversammlung. So wurden Mindestanforderungen festgelegt.

„Der BVA muss die Interessen aller Gruppen und dabei auch der niedergelassenen Operateure und der Kliniker vehement vertreten.“

DER AUGENSPIEGEL:
Welchen Entwicklungen sehen Sie für die augenärztliche Zukunft mit der größten Sorge entgegen?

Prof. Dr. Bernd Bertram:
Bisher ist uns der Erhalt der Einheit des Faches weitgehend gelungen. Aber leider ist deren Wert manchen Kollegen anscheinend nicht klar oder nicht wichtig. Kollegen, die in anderen Verbänden eigene Partikularinteressen vertreten, muss klar aufgezeigt werden, dass sie damit allenfalls kurzfristig für sich selbst bessere Ergebnisse erzielen, die aber meist zulasten anderer Augenärzte gehen. Dazu gehört auch, dass der BVA sich zum Beispiel nicht von Operateursgruppierungen auf die Interessenvertretung der konservativ tätigen Niedergelassenen reduzieren lassen darf, sondern wie bisher die Interessen aller Gruppen und dabei auch der niedergelassenen Operateure und der Kliniker vehement vertreten muss. Das ist nicht immer leicht, aber letztlich die einzig richtige Antwort auf die Bestrebungen der Politik, Ärzte im wachsenden Wettbewerb gegeneinander auszuspielen.

Herr Professor Bertram, vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Angela Mißlbeck.
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Letzte Meldung
Kurz vor Redaktionsschluss gingen die lang angekündigten Mitteilungen über die regionalen Fallwerte der Augenärzte im Regelleistungsvolumen ein. DER AUGENSPIEGEL berichtet in der nächsten Ausgabe ausführlich. Vorläufiger Stand bei Redaktionsschluss:
Bayern: 19,73 Euro
Berlin: 27,50 Euro
Brandenburg: 22,49 Euro
Bremen: 24,10 Euro
Hessen: 22,21 Euro
Niedersachsen: 24,40 Euro
Nordrhein: 21,42 Euro
Rheinland-Pfalz: 20,85 Euro
Saarland: 23,23 Euro
Westfalen-Lippe: 21,06 Euro

 

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