Das Outfit des Augenarztes
Serie zur Sammlung Roth (Folge 132)
Das Outfit eines Arztes im ausgehenden Mittelalter war im Vergleich zu heute äußerst üppig. Einst gehörte die Kleidung des Mediziners zu seinem gehobenen Stand und sollte schließlich jedermann seine Zugehörigkeit zeigen. Der Mediziner distanzierte sich damit auch vom marktschreierischen Quacksalber, der auf dem Marktplatz vor dem gaffenden Volk als Zahnreißer und Starstecher agierte. Der Scharlatan trug das einfache Wams der Wanderschaft, Blutspuren zeigten erkennbar sein Handwerk. Ein studierter Arzt mit akademischem Abschluss war dagegen eine Person des öffentlichen Lebens, meist besaß er auch ein Vermögen. Später im 19. Jahrhundert stand ihm am Arbeitsplatz sogar ein Jackett oder im Operationsaal der Frack zu. Die weiße Farbe des Arztkittels ist neuzeitlich und eine Reminiszenz an die Hygiene von heute.
Die abgebildete Zeichnung erschien in einem allgemeinbildenden Magazin des letzten Jahrhunderts und trägt den Titel „Der kleine Augenarzt“. Ein Junge zeigt sich in der Uniform eines Vertreters der gehobenen Schicht oder gar des Adels in der Rolle eines preußischen Sanitätsoffiziers. Spielerisch untersucht er das Auge einer feinen Dame, vermutlich handelt sich dabei um seine kleine Schwester. Entsprechend dem Stil des Biedermeiers ist sie wie eine kleine Prinzessin gekleidet: mit weit aufgeplusterten Rock, einem eng anliegendem Oberteil und lose geschnittenen Ärmeln. Ein freches kleines Hütchen, wie wir es aus den besseren Zeiten des englischen Königshauses her kennen, rundet ihr Outfit ab. Sie stützt sich vertrauensvoll auf die Oberschenkel des Untersuchers.
Mehr dazu im AUGENSPIEGEL November 2022.