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BVA-Delegiertenversammlung stellt Weichen für die Zukunft

Zwei heiße Eisen hat die Delegiertenversammlung des Berufsverbands der Augenärzte im November angepackt. Auf der Tagesordnung standen die Gesundheitspolitik nach der Bundestagswahl und die Honorarsituation der Augenärzte. Ein Beitrag von Angela Mißlbeck.

Der von den Ärzten herbeigesehnte politische Wechsel ist vollzogen. Mit Philipp Rösler sitzt nun ein Mediziner der politischen Couleur im Bundesgesundheitsministerium (BMG), die von Ärzten in Umfragen seit Jahren bevorzugt wird. Den neuen liberalen Wind im BMG begrüßte auch Berufsverbands-Vorsitzender Prof. Dr. Bernd Bertram in seiner Grundsatzrede vor der Delegiertenversammlung. „Das ist ein Paradigmenwechsel weg vom dauernden Misstrauen gegen die Ärzte und Gesundheitsberufe“, sagte er. Es sei zu erwarten, dass der stringente Weg in eine Staatsmedizin von Ulla Schmidt und Franz Knieps beendet und durch mehr liberales Denken ersetzt wird, bei dem Freiberufler auch im Arztbereich ein wesentliches Standbein seien, so Bertram. Der BVA-Chef verwies auch darauf, dass der 36-jährige Rösler nach seinem Medizinstudium eine Facharztausbildung zum Augenarzt immerhin begonnen, wenn auch abgebrochen hat. „Mangelnde Sachkenntnis unseres augenärztlichen Alltags werden wir ihm also kaum vorwerfen können“, sagte er. Die Delegiertenversammlung hat auf Antrag von Dr. Ludger Wollring und Dr. Ulrich Oeverhaus aus Nordrhein-Westfalen beschlossen, dass der BVA-Vorstand engen Kontakt zur Bundesregierung halten soll.

Koalitionsvertrag: Vieles bleibt vage

Bertram unterzog auch den Koalitionsvertrag einer kritischen Würdigung, kritisierte jedoch, dass sich aus ihm nur teilweise ablesen lasse, wie die neue Gesundheitspolitik aussehen werde. Unklar sei insbesondere, wie sich die FDP zu den paramedizinischen Gesundheitsberufen verhalten wird. Der BVA-Chef äußerte hier die Sorge, dass beispielsweise Optiker gefördert werden könnten. Als „vage“ bezeichnete er auch die Ankündigungen zur geplanten Ausweitung der Kostenerstattungstarife. Prinzipiell seien sie zu begrüßen, doch es käme auf die Ausgestaltung an.

Als kurzfristig größten Vorteil des Wahlergebnisses bewertete der BVA-Vorsitzende, dass die Private Krankenversicherung als Vollversicherung erhalten bleibe. Ebenfalls positiv beurteilte er die geplanten Änderungen für die Zulassung von Medizinischen Versorgungszentren (MVZ). Als problematisch betrachtet er jedoch, dass der §73b SGB V zur Hausarztzentrierten Versorgung weiter gelten soll. Hier fürchtet Bertram finanzielle Nachteile für die Fachärzte, weil dadurch noch weniger Geld für die Facharztversorgung über die Kassenärztlichen Vereinigungen übrig bleibe. Ebenfalls kritisch sieht er die Absichtserklärung, dass über die Honorarverteilung wieder stärker in regionaler Hoheit entschieden werden soll. „Das Ganze wird wieder völlig undurchschaubar und dadurch kommt nicht mehr Geld rein. Es ist ein großer Vorteil des aktuellen Systems, dass die Honorarverteilung weitgehend transparent ist und die regionalen Unterschiede sichtbar sind“, sagte er (siehe Kasten).

Honorarverteilung: Die Aussichten für 2010 sind ungewiss

Mit einem bundesweiten Vergleich der Honorare für Augenärzte im laufenden Jahr machte Bertram deutlich, dass die Unterschiede bei weitem nicht mit der regionalen Wirtschaftskraft allein erklärbar sind. So lag das durchschnittliche RLV eines Augenarztes in Nordrhein im ersten Quartal bei knapp 27.600 Euro am unteren Ende der Tabelle, im Nachbarland Niedersachsen rangierte es dagegen mit 37.332 Euro am oberen Ende, dicht gefolgt von Sachsen-Anhalt mit 37.252 Euro. Der RLV-Fallwert im vierten Quartal beträgt in Rheinland-Pfalz gerade einmal 14,03 Euro, in Hamburg dagegen ist er mit 28,58 Euro doppelt so hoch.
Diese regionalen Schwankungen verlieren jedoch vor dem Hintergrund an Wichtigkeit, dass die RLV-Honorare der Augenärzte bundesweit vom ersten zum dritten Quartal um neun Prozent gesunken sind. „Alle Kollegen werden mit den RLV völlig inadäquat bezahlt“, sagte Dr. Andreas Jordan. Die Fallwerte gingen um sieben Prozent zurück. Bertram prognostiziert ein weiteres Absinken für das erste Quartal 2010. Die Delegierten waren sich einig: Hauptproblem ist aus ihrer Sicht, dass die RLV aus dem Geld bedient werden, das nach der Berechnung der Vorwegabzüge noch übrig ist. „Ein weiteres Sinken der Augenarzt-RLV ist abzusehen, wenn keine Korrektur an der Systematik vorgenommen wird“, sagte Bertram. Stellvertretend für den gesamten BVA-Vorstand forderte er, dass die Vorwegabzüge aus der morbiditätsorientierten Gesamtvergütung, beispielsweise für Akupunktur und Psychotherapie, in der Menge begrenzt werden müssten. „Zuerst die RLV bezahlen, dann die Spezialitäten von Politik und Krankenkassen bedienen“, so Bertrams Losung. Der BVA hat daher der KBV volle Unterstützung dafür zugesagt, dass sie sich im Bewertungsausschuss weiterhin für eine Begrenzung der Vorwegabzüge stark macht. „Augenärzte brauchen beides: Privat- und Kassenhonorare. Deshalb kämpfen wir dafür, dass die RLV-Honorierung verbessert werden“, betonte Bertram gegenüber dem AUGENSPIEGEL.

Einzel- und Spezialleistungen: Großer Änderungsbedarf

Die Forderungen zur Weiterentwicklung der augenärztlichen Kassenhonorare bei der Delegiertenversammlung gingen jedoch noch weiter. So will der BVA-Vorstand auch darauf hinwirken, dass bestimmte Leistungen aus den RLV ausgegliedert werden: das sind Orthoptik (bis fünf Jahre), Fluoreszenzangiographie, Elektrophysiologie, Kontaktlinsen und vergrößernde Sehhilfen. Das wird aus Bertrams Sicht der Differenzierung des Fachs gerechter als die jetzige Systematik.

Zudem setzt sich der BVA-Vorstand für die Aufnahme neuer Leistungen in den Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) ein. Bertram sprach sich dafür aus, dass eine Ziffer für die Untersuchung bei Altersbezogener Makuladegeneration eingeführt wird, eine Diabetes-Ziffer und eine Ziffer zur Amblyopieabklärung nach einem auffälligen Befund beim Kinderarzt.

Einen wegweisenden Beschluss hat die Delegiertenversammlung aber auch zum Amblyopie-Screening gefasst. Der Vorstand darf die Leistung jetzt wieder zur Aufnahme in den GKV-Leistungskatalog und den EBM vorbringen. Dieser Beschluss markiert quasi eine Kehrtwende in der Politik des BVA mit Blick auf die Beschlüsse der Delegiertenversammlung vom letzten Jahr. Ihm ging jedoch auch eine kontroverse Diskussion voraus. Gegner der Aufnahme neuer Leistungen in die GKV warnten vor einem Wertverfall der Leistung. Schließlich setzte sich aber die Auffassung durch, dass bestimmte Leistungen im Rahmen der GKV sehr viel häufiger vorgenommen werden könnten und diese Mengensteigerung einen eventuellen Preisverfall ausgleichen könnte.

Sehr viel aktiver will der BVA-Vorstand künftig im Bereich der Selektivverträge mit Krankenkassen auftreten. Dafür holte er sich ebenfalls ein Mandat der Delegiertenversammlung. Für Vertragsverhandlungen hat der Vorstand nun mehr Spielraum. So schreibt der neue Beschluss keine Mindesthonorare in Höhe des 2,3-fachen GOÄ-Satzes mehr vor, sondern sehr viel allgemeiner eine „adäquate Vergütung“. Festgehalten wurde auch, dass Verträge des BVA neues Geld bringen müssen und nicht zu einer Umverteilung führen sollen.

Weitere zentrale Beschlüsse der BVA-Delegiertenversammlung

Verträge des BVA sollen einen medizinisch nicht begründbaren Ausschluss einzelner Augenärzte vermeiden. Der ursprüngliche Antrag von Dr. Christoph Ziegler und Dr. Rolf-Armin Stiasny sah vor, dass die Verträge prinzipiell für alle Kollegen offen stehen müssten. In der Diskussion wurde jedoch hervorgehoben, dass dann Verträge zu einzelnen Leistungsbereichen der Augenheilkunde, die bestimmte technische oder Qualifikations-Voraussetzungen erfordern, nicht mehr möglich gewesen wären. Der Antrag wurde entsprechend abgewandelt.

Die Kapazität der stationären Betten in augenärztlichen Abteilungen und operativen Einrichtungen darf nicht weiter abgebaut werden. BVA-Vorstandsmitglied Dr. Kaweh Schayan-Araghi begründete diesen Antrag damit, dass bereits heute jeder siebte Augenpatient stationär behandelt werden müsse und die Zahl komplizierter Fälle mit der zunehmenden Alterung der Patienten wachsen werde. Er verwies auch auf die Notwendigkeit der stationären Augenheilkunde für die Aus- und Weiterbildung.

Das verspricht der Koalitionsvertrag:
Abgesehen von den Eckpunkten für eine Finanzierungsreform in der gesetzlichen Krankenversicherung, die die Koalition von Beginn an entzweit, enthält der Koalitionsvertrag von CDU, CSU und FDP eine Reihe von Strukturmaßnahmen, die zum Teil ebenfalls für Zündstoff sorgen können. Hier einige für Ärzte relevante Vorhaben:
In der ambulanten Versorgung soll die Honorarreform Kurskorrekturen unterzogen werden. Kostenerstattungstarife will Schwarz-gelb ausbauen. Hausarztverträge bleiben vorerst Pflicht. Medizinische Versorgungszentren sollen nur noch von Gesellschaften betrieben werden dürfen, in der Vertragsärzte die Mehrheit haben. Bei der Bedarfsplanung sollen die Länderministerien mitreden dürfen.
Die Krankenhäuser müssen damit rechnen, dass sie weniger ambulante Leistungsmöglichkeiten haben. Zur Verzahnung von ambulant und stationär erwähnt der Koalitionsvertrag nur das Belegarztsystem. Die Zulassung der Kliniken zur spezialisierten ambulanten Versorgung nach §116b SGB V soll „kritisch überprüft und gegebenenfalls präzisier“ werden.
Änderungen sind auch in den Strukturen der Selbstverwaltung geplant: Die Kassenärztlichen Vereinigungen sollen wieder „mehr Flexibilität bei der Gestaltung der Vergütung erhalten“. Der GKV-Spitzenverband soll nur noch zuständig sein, wenn Kassen „gemeinsam und einheitlich“ auftreten müssen.
In der GKV-Arzneimittelversorgung kündigt Schwarz-Gelb eine grundlegende Überprüfung der Regularien an, um „die Vielzahl der sich zum Teil widersprechenden Instrumente“ abzubauen. Rabattvereinbarungen zwischen Kassen und Herstellern werden weiterhin als gangbarer Weg betrachtet. Die Arzneimittelrichtgrößen sollen dagegen auf den Prüfstand.
Einige weitere Vorhaben: Die elektronische Gesundheitskarte in der jetzigen Organisationsstruktur der Gesellschaft Gematik kommt ebenfalls auf den Prüfstand. Mehrkostenregelungen nach dem Modell des Zahnersatzes sollen für weitere Bereiche geprüft werden. Die Versorgungsforschung soll ausgebaut werden.

 

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