Botulinumtoxin in der Augenheilkunde

Botulinumtoxin wurde im medizinischen Bereich erstmalig in den 1970er Jahren zur Behandlung des Schielens eingesetzt. Mitte der 1980er Jahre kam die Behandlung von Lidkrämpfen (essentieller Blepharospasmus, Hemispasmus facialis) hinzu, die inzwischen die Hauptindikation darstellen. Priv.-Doz. Dr. Bettina Wabbels erläutert die Einsatzmöglichkeiten des Medikamentes am Auge.

Im Jahre 1817 publizierte der schwäbische Arzt und Dichter Justinus Kerner erstmals Symptome, die bei einer Wurstvergiftung auftraten. Er nannte das Krankheitsbild „Botulismus“, abgeleitet aus dem Lateinischen Botulus für Wurst. Der Gedanke eines therapeutischen Nutzens wurde bis in die 1970er Jahre nicht weiterverfolgt. Als der amerikanische Arzt Alan B. Scott eine Alternative zu Schieloperationen für Patienten mit Strabismus suchte, zeigte Botulinumtoxin im Tierversuch als einziges Präparat eine muskelverlängernde Wirkung und wurde ab Ende der 1970er Jahre am Menschen zur Behandlung des Schielens angewendet. Seit Mitte der 1980er Jahre kam dann die Behandlung von Lidkrämpfen hinzu. Ausgehend von der Augenheilkunde verbreitete sich der Einsatz von Botulinumtoxin in den letzten Jahren in zahlreichen medizinischen Fachbereichen.

Die Wirkung von Botulinumtoxin beruht auf einer Blockade der Freisetzung von Acetylcholin an der neuromuskulären Endplatte und an peripheren cholinergen Synapsen. Die Substanz kann somit einerseits Muskeln schwächen, andererseits die Funktion von Drüsen hemmen. Um die Substanz an das Zielorgan zu bringen, muss diese injiziert werden. Früher war die Schreibweise Botulinustoxin gebräuchlich (da man die Erkrankung auf einen Bazillus zurückführte), heute spricht man von Botulinumtoxin (da die Substanz natürlicherweise von Clostridium botulinum gebildet wird, einem anaeroben grampositiven Stäbchenbakterium). Handelsnamen für Botulinumtoxin A sind Botox (Firma Allergan), Dysport (Firma Ipsen) und Xeomin (Firma Merz). Das natürlich gebildete Botulinumtoxin stellt einen Komplex aus dem aktiven Neurotoxin und anderen Proteinen bakteriellen Ursprungs dar. Die Handelspräparate unterscheiden sich in Art und Ausmaß dieser so genannten Komplex- oder Hüllproteine, das eigentliche Neurotoxin ist für alle drei Präparate gleich. Bei Angabe von Dosierungen ist zu beachten, dass die Dosierungen von Botox und Xeomin äquivalent sind, während bei Dysport höhere Einheiten verwendet werden, ohne dass ein exakter Umrechnungsfaktor angegeben werden kann. Die Dosierungen in diesem Artikel sind jeweils auf Botox beziehungsweise Xeomin bezogen.

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Abb. 1: Injektion von Botulinumtoxin im Bereich des M. orbicularis oculi bei essentiellem Blepharospasmus.

Mehr dazu im AUGENSPIEGEL 01-2008.

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