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Austausch über internationale Projekte

Zur Jahrestagung des Deutschen Komitees zur Verhütung von Blindheit in Traunstein
Zur gemeinsamen Jahrestagung des Deutschen Komitees zur Verhütung von Blindheit mit der Tagung der Sektion Internationale Ophthalmologie der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG) hatte der diesjährige Tagungsorganisator Dr. Johann Dillinger nach Traunstein eingeladen. Ein Bericht von Dr. Hannsjürgen Trojan.

Nach der Begrüßung der rund 100 Teilnehmer durch den diesjährigen Tagungsveranstalter Dr. Johann Dillinger, Traunstein, sowie durch Dr. Raimund Balmes, Ahlen, Vorsitzender des Komitees zur Verhütung von Blindheit (DKVB), lag der erste Schwerpunkt der Themen auf der Initiative Vision 2020.

Prof. Dr. Volker Klauß, München, zog eine aktuelle Bilanz der Initiative VISION 2020, die vor zehn Jahren als gemeinsame Initiative der World Health Organisation (WHO) und der International Agency for the Prevention of Blindness (IAPB) ins Leben gerufen wurde. 205 Länder, unter anderem auch die deutsche Bundesregierung, haben die zwei Resolutionen unterschrieben. Allerdings bestehe das deutsche Engagement bislang nur auf dem Papier: Aktivitäten seien leider Fehlanzeige, eine Beteiligung stehe noch immer aus. Acht Organisationen bilden derzeit in Deutschland ein loses Netzwerk. „Das weltweit größte Programm hat VISION 2020 in Australien mit sage und schreibe 50 Millionen Dollar. Da sind wir in Deutschland noch Lichtjahre von entfernt“, bedauerte Klauß.

Über das Schwerpunktthema Zentralafrikanische Republik referierten Dr. Andreas Dittrich, Prof. Dr. Guido Kluxen (Wermelskirchen) und Yakub Seleman (RCA). Die Augenklinik in Bossangoa war 2003 von Rebellen angegriffen worden und alles, was nicht niet- und nagelfest war, wurde zerstört oder abtransportiert. Yakub Seleman hatte beim Nahen der Rebellen zumindest noch seine Spaltlampe vergraben können. Dies war dann schließlich das einzige Gerät der Augenklinik, das die Rebellenangriffe überstand.

Den Aktionskreis Oberbayern, kurz: Ako, stellte Klaus Böhme, Traunstein, vor. Als Ako-Vorsitzender betonte er, dass der eigentliche Schwerpunkt des Aktionskreises das Handwerk sei. Dennoch würden sich viele Schnittpunkte mit der Medizin ergeben. So werde jetzt eine ambulante Klinik in Kibosho, Tansania, gebaut, wodurch die eigentliche Klinik und die Ambulanz in ihrer Effektivität deutlich verstärkt würden. Böhme unterstrich, dass alle Gelder voll und ganz in die Projekte fließen würden, da die Ako-Mitglieder ohne Gehälter arbeiteten. Böhme: „Seit über 30 Jahren ist Ako ein Teil des Landes Tansania“.

Die Tagungsthemen wurden in drei Gruppen aufgegliedert:
1. Augenmedizin
2. Partnerschaften
3. Kurzzeiteinsätze

Augenmedizin

Prof. Dr. Guido Kluxen, Wermelskirchen, berichtete ausführlich über die Tätigkeit des belgischen Augenarztes Jean Hissette in den frühen dreißiger Jahren. Hissette war es schließlich, der als erster den Zusammenhang zwischen Parasitose und Blindheit in Afrika feststellte. Man habe die Onchozerkose zwar gekannt, wusste aber in Afrika nichts über die hohe Zahl der durch sie verursachten Erblindungen. Kluxen zeigte von Hissette angefertigten Fotografien mit Mikrofilarien im menschlichen Auge. Auch die ersten Zeichnungen von chorio-retinitischen Narben, ein Charakteristikum der Onchozerkose, stammen von Hissette und nicht von Ridley, wie vielfach zu lesen ist.

Anschließend beschäftigte sich Dr. Johannes Borggrefe, Würzburg, mit Sinn und Unsinn moderner Techniken in Entwicklungsländern und ging dabei zunächst auf den Diodenlaser ein: „Die diabetische Retinopathie nimmt in den Entwicklungsländern in dramatischer Weise zu. Einerseits werden die Menschen älter, andererseits hat sich die Ernährungssituation verändert. Es besteht ein eklatanter Mangel an Behandlungsmöglichkeiten“, beschrieb Borggrefe die Situation. „Die Behandlung mit dem Dioden-Laser kann äußerst schmerzhaft sein und ist nur unter Lokalanästhesie möglich. Hinzukommt, dass die Intensität der Effekte nur schwer zu berechnen sind. Auch wird es schwierig, dem Patienten den Aufwand zu erklären, zumal im Moment keine Besserung auftritt“, begründetet Borggrefe sein Fazit, dass Dioden-Laser und Phako nicht für kleine Kliniken in Entwicklungsländern geeignet seien. Das Lichtleitkabel sei sehr sensibel und selbst kleinste Risse verursachten einen messbaren Rückgang der Behandlungsintensität. Die Phakoemulsifikation hält Borggrefe nur für große Kliniken geeignet, wo damit erfahrene Ärzte arbeiten. Für kleine Häuser in Entwicklungsländern sei diese Technik nicht geeignet.

Partnerschaften

Im Themenkreis Partnerschaften wurde über Aktivitäten in Afrika und Südamerika berichtet. Zunächst erläuterte Dr. Markus Schulze Schwering, Rheine, die aktuelle Entwicklung internationaler Universitäts-Partnerschaften. Die Anzahl aktiver deutscher Universitäts-Partnerschaften stagniere im Gegensatz zu England und Frankreich. Die Anzahl aktiver privater ophthalmologischer Initiativen hingegen steige in Form von Stipendien zur Ausbildung von Personal, Geld für technische Unterstützung bis hin zum Krankenhausneubau. Diese Entwicklung bezeichnete Schulze Schwering als sehr sinnvoll, „weil diese Personen in Eigeninitiative die Kontinuität von Projekten bewirken können. Zudem ist das fachliche Niveau der privaten Initiativen sehr hoch, ein Spiegelbild der hochwertigen ambulanten augen­ärztlichen Versorgung.“ Ein Grundproblem sei die fehlende Information bei den Partnerinitiativen im Vorfeld. Es sei wichtig, schon vor Beginn der Hilfe die Situation vor Ort zu erkunden, um „dann als Freund“ zu kommen.

Voraussetzungen für erfolgreiche Arbeit:
1. Lokale augenärztliche Besonderheiten beachten.
Was gibt es, was fehlt?
2. Recherche nach Partnern, die bereits vor Ort sind
3. Langzeiteinsatz (in Generationen denken)
4. Wiederholte Besuche
5. Einbeziehung der Gemeinde
6. Unterrichtung von Fertigkeiten
7. Geeignete Technologien erkunden

Kenia

Dr. Tomas Schaal, Bad Tölz, berichtete anschließend von der Summer School in Nairobi. Seit 30 Jahren bestehe eine intensive Partnerschaft zwischen der Augenklinik der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) und der University of Nairobi (East African College of Ophthalmology) in Kenia. Auf dieser Basis ist ein neues Netzwerk, das Afro-German-Eye-Net (AGENT) gegründet worden. Das Ziel sei, die Kommunikation zwischen Postgraduierten zu stärken, die Partnerschaften zwischen den Universitäten fortzuführen und die Fortbildung kontinuierlich möglich zu machen.

In diesem Rahmen fand in Nairobi eine Fortbildung mit einem weit gespreizten Themenkatalog statt. Hierzu zählten die Themen: Kinderophthalmologie, Ultraschall und Biometrie, Katarakt, Refraktive Chirurgie, AMD, Vitrektomie nach Traumata, Hilfestellung bei der Herstellung von wissenschaftlichen Publikationen, Glaukom und Traumatologie. Die Summer School wird durch Vorträge von Gastdozenten und chirurgische Demonstrationen begleitet. Damit hat sich AGENT als gute Weiterentwicklung für die Aus- und Weiterbildung der Kollegen aus Kenia und den umliegenden (anglophonen) Ländern erwiesen.

Äthiopien

Daran anschließend berichtete Prof. Dr. Matthias Sachsenweger, Landshut, über das Engagement von OcuNet, einem Zusammenschluss von Augenärzten, die gemeinsam Qualitätsprojekte realisieren. OcuNet hat gemeinsam mit der Christoffel Blindenmission eine Augenklinik in Chiro, Äthiopien, gebaut, die nach fast zweijähriger Bauzeit vor einigen Wochen feierlich eingeweiht wurde. Leider konnte der Mit-Initiator Sachsenweger aus gesundheitlichen Gründen nicht an dieser Feier teilnehmen.

Die Klinik wird drei Operationssäle enthalten sowie eine Ambulanz und ein Bettenhaus. Der Bau des Gebäudes erwies sich als technisch schwierig, da man auf vulkanischen Boden gebaut hat, was ein sehr tiefes Fundament erforderlich machte. Es sollen später, wenn möglich, immer ein oder zwei deutsche Kollegen vor Ort sein. Es werden dafür deutsche Augenärzte gesucht. Interessenten werden gebeten, Prof. Sachsenweger in Landshut zu kontaktieren. Das Fernziel ist, die Klinik ausschließlich von äthiopischen Ärzten führen zu lassen, ein durchaus realer Plan, denn momentan befinden sich drei äthiopische Ärzte in Addis Abeba in der Ausbildungsphase. In der Region Chiro in Äthiopien leben 3,5 bis 5 Millionen Menschen, bisher ohne augenärztliche ­Versorgung.

Kamerun

Prof. Dr. Rudolf Guthoff leitet schon seit vielen Jahren ein operatives Projekt in Kinshasa/Demokratische Republik Kongo, wo er mehrmals im Jahr die Kinderophthalmologie weiter entwickelt. Guthoff war mit Dr. Steffi Knappe Ende des vergangenen Jahres wieder in Kinshasa.

Tansania

Dr. Klaus Ellendorff, Lüneburg, berichtete danach über die ­Outreach-Arbeit in Mbeya/Tansania. Mehrere Jahre war kein Augenarzt in Mbeya im Süden Tansanias tätig. Vor zwei Jahren hatte das Deutsche Komitee zur Verhütung von Blindheit beschlossen, die Augenabteilung wieder zu beleben. In diesem Rahmen konnte man den tansanischen Augenarzt Dr. Kilima für den dortigen Einsatz gewinnen, der nun seit einem Jahr vor Ort dort tätig ist und von vier Optometristen und zwei Augenpflegern unterstützt wird.

Im Referral Hospital besteht nun eine Augenabteilung mit 35 Betten und einem großem Operationssaal. Dennoch wurden im vergangenen Jahr nur 250 Katarakte durch Dr. Kilima operiert. Man steigert nun die Outreach-Arbeit, um die Patienten für einen operativen Eingriff zu motivieren. Diese Outreach-Arbeit erfolgt in Zusammenarbeit mit dem Tropeninstitut der LMU, die bestimmte Familien in regelmäßigen Abständen untersucht, um sich so ein Bild über die Verbreitung und den Verlauf bestimmter Tropenerkrankungen machen zu können.

Dr. Johann Dillinger, Traunstein, hatte bereits vor einigen Jahren das Projekt Kibosho am Kilimandscharo instrumentell ausgestattet. Jetzt war ihm wieder eine Praxiseinrichtung angeboten worden, dessen Besitzer keinen Abnehmer gefunden hatte. Dillinger fuhr mit einem Laster nach Kempten, brachte die gesamte Doppelpraxis nach Traunstein, von wo der Arbeitskreis den See-Transport nach Tansania veranlasste. Dort wurde das Material mit einem Laster 1.200 km auf Holperpiste nach Mbeya gebracht und im Krankenhaus installiert.

Chile

Bodo Hufeland berichtete anschließend über das Cusco-Projekt in Chile. Diese Gruppe unterstützt den chilenischen Augenarzt Dr. ­Pedro Valcarcel beim Bau einer Augenklinik, einem dreigeschossiges Gebäude. Das Projekt entsteht in enger Zusammenarbeit zwischen CBM, dem Komitee zur Verhütung von Blindheit, der Universität Magdeburg und der chilenischen Gesellschaft CEPREA.

Kurzzeiteinsätze

In einem dritten Themenblock wurden über Erlebnisse bei Kurzzeiteinsätzen berichtet. Dr. Ulrich Engelskirchen, Bonn, war mit Plan Deutschland in Mali, Dr. Klaus Schiller, Glauchau, in Tororo/Uganda, Dr. Heike Haus, Wörth, in China und Prof. Dr. Paul-Rudolf Preussner, Mainz, in Kamerun.
Annette Keseberg und Dr. Irmela Erdmann, beide CBM, stellten das neue Programm Capacity Development als strategischen Schwerpunkt der CBM vor. Keseberg: „Wir möchten gemeinsam mit den Menschen in Entwicklungsländern den Kreislauf von Armut und Behinderung durchbrechen und eine Welt schaffen, in der Menschen mit einer Behinderung dieselben Chancen und Rechte bekommen wie alle anderen und frei von Krankheit und Armut leben können. Das ist unsere Vision und da möchten wir hinkommen.“

Plattform für gebrauchte ophthalmologische Kleingeräte

Dieter Lebherz, Hirschberg, stellte eine Plattform vor, die sich das Sammeln und Verteilen von Hilfsgütern in der Augenheilkunde zum Ziel gesetzt hat. Bei dieser Initiative stellt die Firma Geuder die Räumlichkeiten zur Verfügung und übernimmt die kostenlose Versendung der Geräte innerhalb Deutschlands.
Damit wird hier eine zentrale Sammelstelle für gebrauchte Kleingeräte geschaffen, bei der man Geräte für die Dritte Welt anfordern kann, aber auch, wie im Falle einer Praxisauflösung, gebrauchte, aber weitgehend intakte Geräte abgeben. Die Plattform kann aber nur OP-Materialien und Kleingeräte vermitteln. Für größere Geräte, so Lebherz, verfüge die Plattform nicht über den notwendigen Stauraum. Schon jetzt seien nur durch die Kleingeräte die Regale bei Geuder prall gefüllt.

Geräte ausschließlich für Projekte in Entwicklungsländern

Eine Liste der vorhandenen, aber auch besonders begehrten Geräte ist bei Dieter Lebhart zu erhalten. (E-Mail: .(Javascript muss aktiviert sein, um diese Mail-Adresse zu sehen)). Alle Geräte werden über das Komitee zu Verhütung von Blindheit abgegeben. Hier ist Jörg Wild, Vorstandsmitglied des DKVB, verantwortlich. (E-mail: .(Javascript muss aktiviert sein, um diese Mail-Adresse zu sehen)).

Die kontrollierte Abgabe durch das DKVB wird gewährleistet, dass Geräte in Privatpraxen verschwinden. Die Vermittlung als auch der Erwerb der Geräte, die zuvor bei der Firma Geuder auf ihre Funktionsfähigkeit untersucht worden sind, ist kostenlos.
Schlussbemerkung

Leider hielten sich einige der Referenten trotz hörbarem Klingelton nicht an die vorgegebene, auf zehn Minuten begrenzte Redezeit, sondern überzogen dieses Limit so kräftig, dass bedauerlicherweise einige Beiträge aus Zeitgründen gestrichen werden mussten.

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Dr. Andreas Dittrich, Yakub Seleman und Prof. Dr. Guido Kluxen (von links).

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Der Organisator Dr. Johann Dillinger (links) und Dr. Raimund Balmes, Vorsitzender des DKVB.

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Die Tagungsteilnehmer trafen sich im Gasthaus Sailer-Keller im Ende Februar noch immer verschneiten Traunstein.

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Vertraute Stimmung unter den Tagungsteilnehmer, die sich sowohl aus Deutschland als auch von gemeinsamen Einsätzen in Entwicklungsländer kennen.

Im Anschluss an die Vorträge fand die Jahreshauptversammlung des DKVB statt. Die nächste Jahrestagung wird unter der Leitung von Dr. Thomas Engel im März 2010 in Berlin stattfinden.

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