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Kommt jetzt die Reform der Reform?

Protestaktionen sollen Änderungen des Honorarsystems herbeiführen
Die Kritik an der neuen Honorarsystematik der niedergelassenen Ärzte reißt nicht ab. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) plant Änderungen und fordert mehr Geld. Von Angela Mißlbeck.

„Wir lassen die Zulassung ruhen!“ Das haben die Augenärzte in Schleswig-Holstein für diesen Monat angekündigt. Rund 100 von knapp 180 Ophthalmologen im Norden stimmten für die Aktion. Zwar brauchen sie die Zustimmung des Zulassungsausschusses von KV und Kassen. Doch schon mit der Ankündigung haben sie ein Zeichen gesetzt. „Durch die Vorgaben der Bundespolitik ergibt sich eine katastrophale Verringerung der bezahlten Behandlungsmenge für GKV-Patienten in Schleswig-Holstein“, so der Landesvorsitzender des Berufsverbands der Augenärzte Dr. Bernhard Bambas. Die Menge im Regelleistungsvolumen (RLV) reiche gerade einmal für acht bis zehn Wochen.

Das RLV der schleswig-holsteinischen Augenärzte umfasst im Schnitt knapp 1.370 Patienten zu gut 23 Euro für das erste Quartal. Mit insgesamt rund 31.500 Euro liegt es unter dem vom BVA errechneten Bundesdurchschnitt von 32.383 Euro. Doch es gibt KV-Regionen, in denen die Augenärzte ein noch geringeres Budget haben. So müssen sie in Nordrhein mit durchschnittlich knapp 27.600 Euro, in Rheinland-Pfalz mit 28.650 und in Hessen mit 29.800 auskommen.

„Die Regelleistungsvolumina sind einfach zu niedrig“, sagt BVA-Vorsitzender Prof. Dr. Bernd Bertram. KBV-Präsident Dr. Andreas Köhler erläuterte dazu Anfang Februar, dass nur 60 bis 70 Prozent der Gesamtvergütungen mit den Regelleistungsvolumina ausbezahlt werde. Der Rest wandert in Rückstellungen und Vorwegabzüge. Außerdem stellte Köhler klar, dass das Gesamtplus für 2009 im Vergleich zu 2008 nur 1,23 Milliarden Euro beträgt. Das liegt daran, dasses in vielen KV-Bezirken im vergangenen Jahr deutlich mehr Honorarzuwachs als die Grundlohnsummensteigerung gegeben hat. Mit Verlusten im Vergleich zum Vorjahr rechnet sie aufgrund der nun vorliegenden Abrechnungsdaten für das erste Halbjahr 2008 in Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein. Auch von Arzt zu Arzt betrachtet verteilt sich das Geld sehr unterschiedlich. „Es ist nicht so, dass bestimmte Arztgruppen in allen Regionen verlieren“, so Köhler. Die alten Honorarverteilungsverträge würden eine Rolle spielen, und Grundverversorger seien derzeit gegenüber Spezilisten im Vorteil.

Um allzu große Verluste abzufedern, wurde den regionalen Vertragspartnern eine Konvergenzphase ermöglicht. Bis zur Jahresmitte will die KBV zudem darauf hinwirken, dass Leistungen außerhalb der Regelleistungsvolumina, die aus der Gesamtvergütung finanziert werden, in der Menge begrenzt werden. Zudem strebt sie wieder etwas mehr Differenzierung an. Einige Leistungen, wie zum Beispiel die augenärztliche Angiographie, sollen aus den RLVs wieder ausgegliedert werden und stattdessen über so genannte Zusatz-RLVs abgebildet werden. Das würde den Spezialisten helfen, aber die RLVs weiter drücken. Köhler hat zudem angekündigt, dass auch die Diskrepanz zwischen dem jetzigen Punktwert von 3,5 Cent und dem Kalkulationspunktwert des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs (EBM) von 5,11 Cent und in diesem Zusammenhang die Leistungsmenge erneut thematisiert werden soll. Bis dazu eine Grundsatzentscheidung getroffen ist, will er keine neuen Leistungen in den EBM aufnehmen. Auf der Warteliste steht dabei auch die Intravitreale Injektion.

Der KBV-Präsident glaubt jedoch nicht, dass die Kritik der Ärzte nur auf Verteilungsprobleme zurückgeht. Insgesamt 1,04 Milliarden Euro für Leistungen, die die Krankenkassen im vergangenen Jahr außerhalb der budgetierten Gesamtvergütungen bezahlt hätten, würden dieses Jahr fehlen, so Köhler. Er kritisierte in diesem Zusammenhang die Rahmenbedingungen für die regionalen Verhandlungen. Ein Schreiben des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) habe zur Folge gehabt, dass regionale Zuschläge für besonders förderungswürdige Leistungen nur sehr begrenzt verhandelt werden konnten. „Zwischenzeitlich glauben wir zu wissen, dass es sich hier um ein Missverständnis des BMG handelte“, so Köhler weiter. Dieser Deutung widersprach das Ministerium jedoch noch am selben Tag, indem es die Forderung der KBV nach einer Nachfinanzierung von einer Milliarde Euro zurückwies. Völlig berechtigt ist die Forderung dagegen aus Sicht von BVA-Vorsitzenden Bertram. „Die Politik hat ihr Versprechen bisher nicht eingelöst. Sie regelt viele Details schon in Gesetzen und regiert in jede Entscheidung der Selbstverwaltung hinein, also ist sie auch weiterhin in der Verantwortung“, sagte Bertram.

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