Augenvotiv aus Wachs

Votive beziehungsweise Devotionalien (lat. votivus: gelobt, versprochen) finden sich in allen Kulturen und zu allen Zeiten. Auf europäischem Gebiet stammen die ältesten schon aus früher vorchristlicher Zeit, selbst neuere steinzeitliche Grabungsfunde aus Süddeutschland lassen figürliche Darstellungen als Bitt- oder Dankopfer interpretieren. In der Antike finden sie sich in griechischen wie auch römischen Tempeln, in keltischen Weihestätten, in christlicher Zeit in den Kirchen und an Wallfahrtsorten. Es scheint, dass der Patient, wenn Heiler oder Arzt erfolglos blieben, die Hilfe bei den Göttern suchte. Ihnen wurde bei Gesundung auch gedankt.

Die bekanntesten Devotionalien beziehen sich meist auf das betroffene Organ, alle Fachgebiete sind vertreten. So gibt es Darstellungen vom Kopf, Arm oder Bein. Es gibt sie gegen Impotenz, für und gegen Schwangerschaften und besonders häufig für gesunde Kinder. Auch Sinnesorgane wie Nase oder Ohr sind zu finden. Die Krankheitsbilder selbst werden dabei nur selten dargestellt, allein der gesunde Körper war das Motiv für Bitte oder Dank.

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Im Bereich der Augenheilkunde sind die ältesten Votive Darstellungen jeweils des isolierten Augapfels, erst in der Neuzeit kommen dann Augenpaare in Mode, sie wirken wie maskenförmige Ausschnitte eines Gesichts. Am bekanntesten sind hier die verzierten barocken Darstellungen aus Metall, die wertvolleren waren meist aus Silber, die preiswerten, fürs einfache Volk, aus Kupfer oder dem noch billigeren Wachs. Je nach Lage des Geschäfts konnte man die Votive schon an der Kirchenpforte erwerben, ein gewisser Obolus für die Aufbewahrung innerhalb der Kirche war stets im Preis enthalten. War der Patient letztendlich geheilt oder verstorben, verschwanden diese Opfergaben auch wieder. Manch‘ cleverer Händler, so scheint es, hat sie dann erneut verkauft.

Die wenigen noch erhaltenen Exemplare sind aus Stein, Ton oder Metall, sie finden sich heute meist in den Museen. Auch in einigen katholischen Kirchen und Wallfahrtsorten Bayerns finden sie sich noch den Wänden und werden selbst heute noch neuzeitlich ergänzt. Besonders selten und vom Sammler daher sehr gesucht sind Devotionalien aus Wachs. Die meisten Originale fielen der Vergänglichkeit des Materials zum Opfer. Nur wenige sind wegen der raschen Alterung des Materials noch erhalten. Sie wurden nach wenigen Jahren brüchig, wurden wieder eingeschmolzen oder gingen bei Bränden verloren.

Votive aus Wachs sind dabei meist weniger künstlerisch gestaltet als solche aus Gold oder Silber. Dies lag an den eingeschränkten Bearbeitungsmöglichkeiten des Materials. Die Modelle wurden abgeformt und in Wachs gegossen. Die nahezu unbegrenzte Wiederverwertung der Gussformen aus Ton oder Zinn erlaubte schließlich eine Massenproduktion. Moderne Nachgüsse werden sogar noch heute von Devotionalienhändlern an Wallfahrtsorten angeboten.

Das bekannteste Wachsvotiv und Motiv der Ophthalmologie war das Augenpaar aus rotem Wachs (siehe Abbildung). Die Stiele, anatomisch allerdings nicht exakt dargestellt, erinnern an die Sehnerven. Sie enden an einem wurzelförmigen Ständer, mit dem man das Votiv auf dem Altar abstellen konnte. Bei dem hier gezeigten Original handelt es sich um ein künstlerisch besonders schön ausgearbeitetes und vollständig erhaltenes Augenpaar. Es stammt aus Niederbayern und ist datiert aufs frühe 18. Jahrhundert.

Vor einigen Monaten berichtete der AUGENSPIEGEL unter der Rubrik Aktuelles, dass der Ulmer Augenarzt Dr. Hans-Walter Roth, langjähriger Vorsitzender des Redaktionsbeirats des AUGENSPIEGEL und Autor zahlloser Artikel zur Augenheilkunde und Kontaktlinse, die Errichtung eines Technik-Museums plant. Dort soll unter anderem seine umfangreiche eigene Sammlung zur Geschichte von „Auge und Sehen“ untergebracht werden. Bereits in der Vergangenheit wurden immer wieder Exponate in Ausstellungen gezeigt, unter anderem anlässlich des Jubiläums der Universität oder dem ECLSO-Kongress in Ulm. In loser Folge werden an dieser Stelle ausgewählte Exponate vorgestellt und nach ihrer Herkunft und Bedeutung beschrieben.

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