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2008: Mehr Punkte! 2009: Mehr Geld?

Was bringt die Honorarreform den Augenärzten?
Seit Jahresbeginn ist der neue EBM 2008 in Kraft. Ärztliche Leistungen werden im Durchschnitt um zehn Prozent höher bewertet. Doch niedergelassene Augenärzte und Verbände sind skeptisch, ob der neue Bewertungsmaßstab auch finanziell halten wird, was mit ihm versprochen wurde. Von Angela Mißlbeck.

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Eine Euro-Gebührenordnung und die Berücksichtigung der Morbidität – mit diesen Versprechen ist die aktuelle Honorarreform gestartet. Die Bundesregierung drückte aufs Tempo und hatte Erfolg: Fristgerecht haben Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und Krankenkassen sich auf den neuen EBM 2008 verständigt. Fristgerecht ist er zum Jahresanfang in Kraft getreten. Doch die Euro-Gebührenordnung kommt nicht vor 2009. Dann erst soll sich die gesteigerte Punktzahl für Haus- und Fachärzte auch finanziell bemerkbar machen. Für 2008 hat KBV-Chef Dr. Andreas Köhler den Vertrags_ärzten ein „Tal der Tränen“ angekündigt. Die bisherige Budgetierung und die regionalen Honorarverteilungsverträge gelten weiter. Deshalb greifen die höheren Punktzahlen nur im unbudgetierten Bereich, also zum Beispiel bei ambulanten Operationen in manchen KV-Bezirken. Innerhalb der Budgets wird dagegen ein Punktwertverfall erwartet.

Ab 2009 soll ein einheitlicher Orientierungspunktwert den Praxen mehr Planungssicherheit bieten. Dass dieser Punktwert die kalkulierten 5,11 Cent erreicht, gilt als äußerst unwahrscheinlich. Die KBV legt den derzeitigen durchschnittlichen Auszahlungspunktwert von 3,72 Cent zugrunde und rechnet auf dieser Basis mit mindestens 2,4 Milliarden Euro zusätzlich im Jahr 2009. Doch der KBV-Chef erwartet mehr: „Wir gehen davon aus, dass der Orientierungspunktwert weit höher liegt“, sagte Köhler bei der Präsentation der EBM-Beschlüsse.

Skepsis bei den Augenärzten

Skeptisch bis pessimistisch fallen dagegen die Reaktionen der augen_ärztlichen Organisationen aus. Keiner der vom AUGENSPIEGEL befragten Verbandsvertreter glaubt derzeit daran, dass dem neuen EBM tatsächlich neues Geld in entscheidender Menge folgt. Die Geschäftsführerin des Bundesverbands deutscher Ophthalmochirurgen (BDOC) Eva Hansmann vergleicht den EBM 2008 mit einem Scheck. „Der wird vom ordentlichen Kaufmann ‚Eingang vorbehalten‘ gutgeschrieben. Die endgültige Gutschrift erfolgt aber erst, wenn das Geld wirklich angekommen ist“, so Hansmann. Ob die größere Punktmenge aus 2008 sich 2009 wirklich in Euro und Cent bemerkbar mache, bleibe leider abzuwarten. Dass die Mengensteuerung nicht aufgehoben wird, stimmt Hansmann skeptisch. „Wir behalten eine Mengensteuerung und die bisherige Unterfinanzierung im System wird wohl gemildert, aber eben nicht beseitigt. Das Verteilungsgerangel um das mögliche Mehr an Geld wird bis zuletzt weitergehen. Keiner kann heute mit Sicherheit sagen, wer letztendlich profitiert“, so die BDOC-Geschäftsführerin. Dagegen sei der Wegfall des Zuschlags für Gemeinschaftspraxen für die Betroffenen bereits 2008 deutlich spürbar.

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Eva Hansmann, Geschäftsführerin des Bundesverbands
deutscher Ophthalmochirurgen (BDOC).

„Vielleicht erreicht Herr Dr. Köhler für 2009 doch eine etwas höhere Gesamtvergütung für alle Ärzte, von der wir auch profitieren könnten. Aber bei dem Diktat der Beitragssatzstabilität und der Bundestagswahl 2009 mit – wie in den letzten Legislaturperioden immer – folgendem Vorschaltgesetz zur Kostendämpfung, sehen wir das eher pessimistisch“, so der neue BVA-Chef Prof. Bernd Bertram. „Ein katastrophales Ergebnis“ mit Blick auf die Bewertungen des neuen EBM hätten Hochrechnungen des BVA aus Abrechnungsfrequenzen in Bayern, Nordrhein und Niedersachsen für die Grundpauschale der Augenärzte gezeigt. Für die rund 70 Prozent Einzelpraxen der Fachgruppe ergeben sich daraus laut Bertram Veränderungen zwischen minus zwei und plus drei Prozent. Die etwa 30 Prozent Gemeinschaftspraxen hätten demnach ein Minus bis zu neun Prozent. „Da auch die Bewertung der Sonderleistungen nur um drei bis vier Prozent steigt, dürfte für uns Augenärzte nur ein minimaler Zuwachs an Punkten durch den EBM 2008 erfolgen“, so Bertram. Tatsächliche Verluste fürchtet er, wenn 2009 die Honorartrennung zwischen Haus_ärzten und Fachärzten wegfällt und „wir im Vergleich zu anderen Fachgruppen sogar eine Verschlechterung bekommen – und dies, obwohl wir Augenärzte schon seit Jahren eine zunehmend Unterfinanzierung unserer Leistungen hinnehmen müssen.“ so Bertram.

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Prof. Dr. Bernd Bertram, 1. BVA-Vorsitzender.

Auch der Aufsichtsratsvorsitzende der augenärztlichen Genossenschaft Westfalen Dr. Ulrich Oeverhaus betrachtet die Aufhebung der Fachgruppen- und Hausarzt-/Facharzt-Trennung als problematisch. „Damit ist vollkommen offen, wie viel Geld in welche Fachgruppe fließt.“ Oeverhaus meint, dass es noch in der Hand der Ärzte liegt, ob sie ab 2009 besser vergütet werden. „Im Prinzip müsste man jetzt Aktionen und Streiks wiederholen, damit 2009 mehr Geld kommt. Unsere Proteste haben einen Nachhall hinterlassen. Wir sollten jetzt nicht auf der Zielgeraden aufgeben“, sagt Oeverhaus.

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Dr. Ulrich Oeverhaus, Aufsichtsratsvorsitzende der
augenärztlichen Genossenschaft Westfalen.

Dagegen hat die Vorsitzende der augenärztlichen Genossenschaft Bayerns Dr. Regine Poetzsch-Heffter bereits jegliche Hoffnung auf neues Geld aufgegeben. Aus ihrer Sicht profitieren nur „Verwaltung, KV und Ähnliche“.

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Dr. Regine Poetzsch-Heffter, Vorsitzende der
augenärztlichen Genossenschaft Bayerns.

Bei allen Unsicherheiten mit Blick auf die Finanzen steht am neuen EBM eines fest: Die Abrechnung wird anders. Glaubt man der KBV, so wird sie einfacher. Zumindest für die Hausärzte scheint das nicht von der Hand zu weisen: Sie rechnen künftig für die Behandlung eines Patienten eine altersabhängig gestaffelte Quartals-Betreuungspauschale ab, mit der fast alle Leistungen abgegolten sind. Bei den Fachärzten ändert sich dagegen zunächst wenig.

Die geplanten diagnosebezogenen Fallpauschalen für den ambulanten Facharzt-Bereich und auch ein eventueller Ophdo kommen nicht vor 2011. Bis dahin ist eine fachgruppenspezifische Grundpauschale vorgesehen, in die der bisherige Ordinationskomplex, der Konsultationskomplex, übliche Gesprächsleistungen – und gegebenenfalls übliche diagnostische Leistungen eingehen. Sie werden entsprechend ihrem Anteil und ihrer Häufigkeit im ersten Halbjahr 2006 gewichtet. Bei bestimmten Leistungs-, Struktur- oder Qualitätsmerkmalen können in einigen Fächern ab 2008 Zusatzpauschalen angesetzt werden. Daneben bleibt die Einzelleistungsabrechnung erhalten. Ist der Ophdo also in weite Ferne gerückt, nachdem er im Sommer kurzzeitig nah erschien?

Alternative Ophdo?

Darüber, dass der Ophdo zumindest vorerst nicht kommt, gehen die Meinungen auseinander. BVA-Chef Bertram trauert ihm derzeit keine Träne nach. „Da die letzte Variante der KBV nur noch ein schlechter Rest des eigentlichen Konzeptes war und davon dann in den Verhandlungen mit den Kassen vielleicht noch weniger übrig geblieben wäre, sind wir nicht traurig, dass dieser Rest-Ophdo jetzt nicht umgesetzt wurde“, sagt er. Von zunächst 20 Leistungskomplexen seien bei Verhandlungen mit der KBV immer weniger übrig geblieben und der Inhalt der verbliebenen Ziffern sei „immer grotesker“ geworden.

Oeverhaus dagegen bedauert, dass der Ophdo nicht kommt. „Der Ophdo hätte die augenärztliche Leistung besser differenziert und besser abgebildet. Aber die Umsetzung hätte so viele Punkte gekostet, dass es mit Geld nicht zu bezahlen gewesen wäre“, sagt Oeverhaus. Poetzsch-Heffter meint: „Wenn die KBV eine diagnosekonzentrierte Gebührenordnung hätte einführen wollen, wäre sie am Ophdo nicht vorbei gekommen. Mit dem gegenwärtigen Konzept ist der Ophdo nicht vereinbar. Ich wünsche weder Ophdo und noch viel weniger EBM, sondern Direktabrechnung.“

Der BDOC hofft darauf, dass der Ophdo in Zukunft eine gerechtere Vergütung bringt, „die ohne Mengenbeschränkungen auskommt“, so Hansmann. Es könne nicht sein, dass entweder Patienten nicht all das bekommen, was sie brauchen, oder die Ärzte auf leistungsgerechte Vergütung verzichten und floatende Vergütung in Kauf nehmen müssen, wenn Sie ihren Patienten alle notwendigen Leistungen zukommen lassen. „Vielleicht gelingt das ja mit dem Ophdo etwa ab 2011“, so die BDOC-Geschäftsführerin.

Doch nicht nur in Bezug auf die Zukunft, sondern auch für die aktuelle Kassenabrechnung gibt es noch einige Unsicherheiten. So ist derzeit unklar, ob augenärztliche Operateure die Grundpauschale für Patienten abrechnen dürfen, die von einem Fachkollegen überwiesen wurden. Hansmann meint, wenn der Operateur im ersten Termin Aufklärung und Voruntersuchungen vornimmt, könne er die Versichertenpauschale abrechnen. Eine grundsätzlichere Position dazu bezieht der Berliner Augenarzt Dr. Elmar Wille, der Vize der Ärztekammer Berlin ist. „Wenn der Arzt von der reinen Auftragsleistung nicht mehr leben kann, dann ist die Auftragsleistung offensichtlich zu gering bewertet“, sagt Wille. Er fürchtet Einbußen für etliche Kollegen, wenn die Grundpauschale bei fachinternen Überweisungen nicht abgerechnet werden kann.

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Dr. Elmar Wille, Vize der Ärztekammer Berlin.

Bürokratischer Irrsinn

Unklar ist auch noch, wie es mit der Leistungsdokumentation weitergeht. Ab Jahresmitte will die KBV ein elektronisches Dokumentationssystem einführen, das es angeblich erlauben soll, mit wenigen Klicks während der Abrechung einer Pauschale die dahinter stehenden Leistungsinhalte anzugeben. BVA-Chef Bertram traut dieser Ankündigung nicht. „Wenn die geplante Dokumentationspflicht für die Teilleistungen von EBM-Ziffern Mitte 2008 umgesetzt würde, hätten wir noch mehr Dokumentationsaufwand und Bürokratie. Hier hoffe ich aber noch auf Einsicht der Gremien, die uns vor diesem Irrsinn bewahren könnten“, so Bertram.

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