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Zur 9. gemeinsamen AAD-Tagung von BVA und DOG in Düsseldorf

Aktuelle Entwicklungen – zukünftige Strukturen
Aktuelle Entwicklungen in der Augenheilkunde – so lautete das diesjährige Hauptthema unter dem die Augenärztliche Akademie Deutschland (AAD) zu einem gefühlten Frühlingsbeginn Anfang März in Düsseldorf tagte. Zum gewohnt breit gefächerten fünftägigen Fortbildungsprogramm in Form von Vorlesungen, Seminaren und Symposien fanden sich auch Kursangebote, die aktuelle berufspolitische Aspekte aufgriffen und gegenwärtig drängende Fragen niedergelassener Augenärzte widerspiegelten: So standen Möglichkeiten von Kooperationsformen ebenso auf dem Programm wie Fragen zur Zulassungsrückgabe und eine Diskussion mit KBV-Chef Dr. Andreas Köhler zur zukünftigen Struktur augenärztlicher Versorgung. Ein Bericht von Ulrike Lüdtke.

Mit rund 4.000 angemeldeten Teilnehmern zum Auftakt der Veranstaltung konnte die Augenärztliche Akademie Deutschland (AAD), die ihre letzte Jahrestagung nicht ganz glücklich zeitgleich zur Eröffnung des rheinischen Karnevals abgehalten hatte, im Vergleich zum Vorjahr wieder einen Besucherzuwachs verbuchen. Im Mittelpunkt der Tagung, als neunte gemeinsame Fortbildungsveranstaltung des Berufsverbandes der Augenärzte (BVA) und der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG), stand die Evaluation neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse als „Richtschnur für die tägliche augenärztliche Entscheidung in Klinik und Praxis“, so Prof. Dr. Anselm Kampig, Generalsekretär der DOG zur Eröffnung der AAD. Neben der Vermittlung des aktuelles Standes von Wissenschaft und Erfahrung für die tägliche Praxis in rund 200 Kursen, Referaten und Seminaren sollten mit dem Hauptthema „Aktuelle Entwicklungen in der Augenheilkunde“ die zahlreichen Neuerungen in verschiedenen Bereichen wie der Hornhautchirurgie, über die refraktive Linsenchirurgie bis hin zu vielfältigen pharmakologischen Ansätzen, wie der Therapie der feuchten Altersbedingten Makuladegeneration, nach ihrer Relevanz für die evidenzbasierte augenärztliche Praxis bewertet werden.

Erkenntnisfortschritte und Behandlungsdefizite

Vielfältige Erkenntnisfortschritte, kontinuierliche Innovationen im Bereich von Technik und Technologie – also eigentlich eine positive Bilanz gegenwärtiger Errungenschaften in der Augenheilkunde. Dass dennoch nicht alles zum Besten stehe, machten BVA und DOG anlässlich der AAD auf der Pressekonferenz gegenüber der Öffentlichkeit deutlich: Es sei ein Anachronismus und den Ansprüchen der heutigen Zeit nicht angemessen, wenn behandlungsfähige Erkrankungen nicht diagnostiziert und damit auch nicht behandelt würden, erklärte der BVA-Sprecher Dr. Georg Eckert. Insbesondere bei Amblyopie seien die Folgen gravierend und besonders tragisch, wenn bei Kindern eine vermeidbare Sehschwäche oder gar Erblindung dadurch entstehe, dass keine augenärztliche Vorsorge stattgefunden habe. „Es besteht Handlungsbedarf“, betonte der 1. BVA-Vorsitzende Prof. Dr. Bernd Bertram, deshalb fordere der BVA die Aufnahme augenärztlicher Vorsorgeuntersuchungen für kleine Kinder in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen. Zwar habe das IQWIG (Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen) durch seinen „desaströsen“ Vorbericht die Aussichten auf Aufnahme gemindert, aber nach seiner Einschätzung lande der Antrag erneut im Bundesausschuss (G-BA).

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Der neue BVA-Vorsitzende Prof. Dr. Bernd Bertram.

Auch beim Thema Glaukom wurde Handlungsbedarf formuliert: Prof. Dr. Norbert Pfeiffer, Direktor der Universitäts-Augenklinik Mainz und wissenschaftliches Mitglied im BVA, machte die Notwendigkeit eines Glaukomscreenings deutlich: In Deutschland seien 50 Prozent der Betroffenen nicht diagnostiziert. Die weit verbreitete Unwissenheit in der Bevölkerung zum Thema Glaukom zeige, dass die mangelnde Aufklärung der größte Risikofaktor sei, betonte Pfeiffer und stellte bedenkliche Ergebnisse einer Multiple Choice-Umfrage vor, bei der beispielsweise 40 Prozent der Befragten angaben, Glaukom könne man an roten Augen erkennen und immerhin 19 Prozent der Meinung waren, dass der Verzicht auf Alkohol und Tabak hilfreich sei. Aus diesem Grund, so Pfeiffer, habe man sich einer internationalen Initiative der World Glaucoma Association (WGA) sowie der World Glaucoma Patient Association (WGPA) angeschlossen und den 6. März zum ersten Weltglaukomtag erklärt. Damit soll künftig dazu beigetragen werden, eine erhöhte öffentliche Aufmerksamkeit für die Gefahren des Glaukoms zu erzielen.

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Vertreter von BVA, DOG und dem Initiativkreis Glaukomfrüherkennung e.V. begrüßten die Einführung des Weltglaukomtages (v. ls.: Prof. F. Grehn, Prof. N. Pfeiffer, Prof. L. Pillunat, Dr. R. Gerste, Prof. C. Erb).

Anlass zu Sorge biete aber auch die gegenwärtige Versorgungssituation, so der BVA. Trotz kontinuierlicher Fortschritte und Möglichkeiten in der Augenheilkunde werde die Situation des Faches überschattet von unglücklichen Entwicklungen in der Gesundheitspolitik. Die Rahmenbedingungen für die Berufsausübung haben sich verändert und führen zu Versorgungsengpässen, fasste der BVA-Sprecher Eckert zusammen. Ein drängendes Thema, das mit vielen Fragen und noch mehr Unmut verbunden ist und damit Grund genug, diesen Aspekt in den Mittelpunkt der berufspolitischen Diskussion zur AAD zu stellen.

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Eine größere Besucherresonanz als im letzten Jahr verzeichneten auch die Industrieaussteller, die sich insgesamt zufrieden zeigten und über intensive Gespräche an den Ständen freuten.

Das berufspolitische Gespräch

Mit rund 200 Teilnehmern lockte das berufspolitische Seminar des BVA, das erstmals vom neuen BVA-Vorsitzenden Bertram moderiert wurde, deutlich mehr Interessenten als im vergangenen Jahr an. Für das große Interesse an der Veranstaltung sorgte sicherlich nicht nur das Thema, mit dem Bertram die Struktur der zukünftigen augenärztlichen Versorgung in den Mittelpunkt gerückt hatte, sondern auch die Teilnahme von KBV-Chef Dr. Andreas Köhler, der neben dem Vorstandvorsitzenden der AOK Rheinland/Hamburg Dr. Wilfried Jacobs als Referent geladen war und dem Publikum eine willkommene Gelegenheit bot, deutlichen Ärger über die aktuelle Vergütungssituation zu äußern.

Auftakt der Diskussion bildete Bertrams Bestandsaufnahme der gegenwärtigen Versorgungssituation und seinem Fazit zur Honorierung vertragsärztlicher Leistungen, bei dem das Zahlenbeispiel Nordrhein belege, dass das augenärztliche Honorar im Vergleich zu 1996 (noch ohne ambulante Kataraktoperationen) heute nur noch 70 Prozent betrage. Bertram prognostizierte einen künftigen Zuwachs von Kooperationen und Zusammenschlüssen und forderte zugleich den Fortbestand ärztlicher Freiberuflichkeit zu vernünftigen Rahmenbedingungen.

Der konservative Augenarzt als Primärversorger

Doch statt einer von vielen Anwesenden vermutlich erwarteten Stellungnahme zur beklagten Vergütungsmisere in der derzeit geltenden Vergütungsform überraschte KBV-Chef Köhler in seinem Vortrag mit einem Vorschlag zur Neuordnung der Versorgungsebenen, die unterschiedliche Vergütungs- und Vertragsformen vorsieht. Der Honorarzuwachs sei zu den Spezialisten geflossen und man habe es gemeinsam versäumt, das Geld auch in die wohnortnahe Versorgung zu leiten, leitete Köhler zunächst noch unter Applaus seinen Vortrag an. Deshalb stelle die KBV den Fachärzten eine Neu-Definition der Versorgungsebenen zur Diskussion.

Vorgesehen seien in dem Konzept der KBV fünf Versorgungsebenen:
• die Primärversorgung
• die wohnortnahe fachärztliche Versorgung
• die spezialisierte fachärztliche krankenhausnahe Versorgungsebene
• die stationäre Grund- und Regelversorgung
• die stationäre spezialisierte Versorgung

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Sein Strategiepapier zur Neuausrichtung der Versorgungs_ebenen stellte KBV-Chef Dr. Andreas Köhler erstmals auf der AAD öffentlich zur Diskussion.

Primärversorger sollen Hausärzte, Augenärzte und Frauenärzte sein. Der konservativ tätige Augenarzt sei ein Primärversorger, mit Kollektivvertrag als Regelvertragsform und Sachleistungsprinzip. Die nächsthöhere Versorgungsebene solle nur auf Überweisung möglich sein. Spezialisten müssten sich als solche bekennen. Operierende, nicht in der wohnortnahen Versorgung tätige Augenärzte, seien Spezialisten und gehörten dann zur nächsthöheren Versorgungsebene, für die außerhalb des Kollektivvertrags eine andere Vergütungsform gelte. Bei freier Arztwahl gelte innerhalb der verschiedenen Versorgungsebenen für Versicherte, die ohne Überweisung direkt einen Arzt der nächst höheren Versorgungsebene aufsuchen dann die Kostenerstattung. Angelegt sei in dem Konzept, dass die wohnortnahe fachärztliche Versorgung mit der Primärversorgung und die spezialisierte krankenhausnahe Versorgung mit der stationären Grund- und Regelversorgung fusioniere. „Je wohnortnäher desto kollektivvertraglicher, je krankenhausnäher desto wettbewerblicher“, fasste Köhler den wesentlichen Kern des Konzepts zur Neuordnung zusammen, das nach Meinung des KBV-Chefs als bislang fehlende Wettbewerbsordnung die ambulante Versorgung neu strukturieren könne und für alle Facharztgruppen eingeführt werden solle.

Aktuelle Stellungnahme des BVA
Der BVA-Vorstand hat sich nach der AAD mit dem Konzept der KBV beschäftigt und eine Wertung der Konsequenzen für die Augen_ärzte vorgenommen. Der entsprechende Beitrag ist in der aktuellen Ausgabe vom AUGENARZT veröffentlicht. Wie Prof. Dr. Bernd Bertram mitteilte, habe der BVA-Vorstand das Thema auch unmittelbar mit den anderen Berufsverbänden diskutiert und seine Bedenken vehement an den relevanten Stellen vorgetragen. Zusammen mit anderen Berufsverbänden werde der BVA dafür kämpfen, die massiven Nachteile dieses KBV-Entwurfes zu beseitigen und ihn in ein vernünftiges und zukunftsfähiges Konzept zu verändern, so Bertram.

Die anschließende kurze, aber hitzige Diskussion mit dem Publikum entzündete sich jedoch weniger an dem KBV-Konzept als vielmehr an der drängenden Frage nach einer angemessenen Vergütung. Heftigen Protest erntete Köhler vor allem für die von ihm zitierte KBV-Statistik mit einer Behandlungsfallzahl von 39 Euro, die sich unter Herausrechnung der Nicht-Kataraktoperierenden auf 20 bis 25 Euro pro Fall reduzieren würden, so die Einwände aus der Zuhörerschaft.

Breite Zustimmung aus dem Plenum gab es auch für Wortmeldungen, die eine Überregulierung durch die KBV und den „Qualitätssicherungswahnsinn“ kritisierten, der Geld aus der Versorgung abziehe und zusätzliche Bürokratisierung mit sich bringe. Einwände, auf die Köhler in Bezug auf den EBM mit der Feststellung konterte, es handele sich um „Ent-Kriminalisierung nicht um Bürokratisierung“.

Auf die Frage, welcher Versorgungsebene denn eine Augenarzt zuzurechnen sei, der im Rahmen seiner wohnortnahen Versorgung beispielsweise auch Lidchirurgie und Laseroperationen durchführen würde, antwortet Köhler mit einem Verweis auf die Strukturschwäche des Systems: Spezialisten müssten sich entscheiden, täten es aber nicht. „Wir befürworten die Einzelpraxis, aber nicht in der spezialisierten Versorgung.“ Die Spezialisten wolle man in den Wettbewerb geben. Wiederholt erfolgte der Verweis auf die Honorareinbußen in der wohnortnahen augenärztlichen Versorgung, ein Aspekt, dem sich Köhler nicht wirklich stellen wollte. Auch die Frage nach der Kostenerstattung als Alternative zu Einzel- oder Kollektivvertrag entzog sich Köhler: „Wir sehen nicht, dass die Politik zu akzeptablen Rahmenbedingungen dazu bereit wäre“. Stattdessen sollten Zugangssteuerung und Versorgungsform neu diskutiert werden. „Wir wollen, was Sie gefordert haben: mehr Wettbewerb“.

Deutlich wurde dabei, dass es Köhler hier vor allem um eine neue Positionierung der KVen und der KBV gelegen war, die sich von ihrer Rolle als Monopolisten auf einem zunehmend wettbewerblich ausgerichteten Markt verabschieden müssen. Bereits die einleitende Aussage, dass die Frage nach Einzel- oder Kollektivvertrag noch dieses Jahr entschieden werden müsse, zeigte sein eigentliches Hauptanliegen: Köhler plädierte mit der Vorstellung des Konzeptes für den Verbleib im Kollektivvertrag und eine KBV, die die Vertragskompetenz auch im Wettbewerb übernehmen will. Das Gesundheitswesen sei ein Wachstumsmarkt, für den Investoren und ausländisches Kapital schon bereit stünden. Zudem sei derzeit bereits ein Finanzvolumen von 27 Milliarden Euro vorhanden, von dem 1,164 Milliarden Euro auf die Augenärzte entfallen würden, so Köhler und warnte: „Für den Arzt im Einzelvertrag statt im Kollektivvertrag wird es nicht mehr Geld geben.“ Stattdessen sollten sich Augenärzte auf ihr Alleinstellungsmerkmal besinnen. Zugleich warnte er vor der Substitution ärztlicher Leistungen durch berufsfremde Gruppen und dem Eindringen von Krankenhäusern in die wohnortnahe Versorgung. „Wenn Sie jetzt kollektiv aussteigen, müssen Sie die KV in drei Jahren neu erfinden“, so Köhler, dessen Konzept anschließend von Bertram als Ablenkungsmodell für den EBM 2009 bewertet wurde.

„Geld soll Qualität folgen“

Dem AOK-Vorsitzenden Dr. Wilfried Jacobs verblieb nur noch wenig Redezeit und in der Kürze fiel seine Stellungnahme zur zukünftigen Versorgungsstruktur etwas drastischer aus, aber umso unmissverständlicher war die Botschaft: Geld solle der Qualität folgen, ohne Rücksicht auf Verluste. Ihm sei es dabei „egal, ob Verträge mit oder ohne KVen“ gemacht würden. Und: Budgets seien falsch und würden keine Lösung bieten. Aber: Man könne nicht alle Ärzte mit in die Zukunft nehmen. Eine Schwäche der Vergütung sei, alle gleich zu bezahlen, so Jacobs und formulierte mehr als deutlich, dass er eine zukünftige Vertragsgestaltung, ob als Einzel- oder Gruppenvertrag, an dem Kriterium Qualität ausrichten möchte. Wie diese Qualität zu definieren sei, müssten die Ärzte selber festlegen. Es gehe nicht um Einsparungen, sondern eine Umlenkung des Geldes „dahin, wo Qualität ist“. Das gelte auch für den Umgang mit medizinischen Innovationen: „Innovationen dürfen nicht aus Kostengründen außerhalb des Leistungskataloges bleiben, aber nicht alles, was in den Leistungskatalog kommt, ist auch eine Innovation“, kritisierte Jacobs. Es gäbe akzeptable Kostenblöcke und unakzeptable, so beispielsweise auch bei Ablaufstrukturen im Medizinbetrieb.

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Der Vorstandvorsitzende der AOK Rheinland/Hamburg Dr. Wilfried Jacobs teilte kräftig an die Ärzteschaft aus.

Lange Wartezeiten für einen Termin beim Augenarzt belegten ein schlechtes Praxismanagement. Und es sei auch nicht hinnehmbar, wenn die Behandlung von Privatpatienten oder IGeL-Angebote zu Lasten des GKV-Patienten gingen. In einem solchen Fall würde es keinen Einzelvertrag geben, kündigte Jacobs an, der für diesen Vorwurf heftige Proteste erntete. Bei Leistungszuwachs durch intravitreale Injektionen sowie Fallzahlzuwachs könne es nun mal Terminprobleme geben und grundsätzlich entscheide immer die medizinische Notwendigkeit über die Reihenfolge der Behandlung, so ein Einwand aus dem Publikum, den Jacobs mit dem knappen Hinweis konterte, ein gute Praxis habe keine Terminprobleme.

„Wir finanzieren Leistungen ohne medizinischen Nutzen“, fasste Jacobs seine Einschätzung zusammen und wies die grundsätzliche Verantwortung hierfür den Ärzten zu. Auch bei der Arzneimittelverordnung könne Qualität das entscheidende Kriterium sei, aber: „Sie, die Mediziner zertifizieren die nicht vorhandene Qualität“ kritisierte Jacobs und forderte erneut eine Positivliste. Geld sei ausreichend vorhanden, nur würde es falsch verteilt, lautete das abschließende Fazit seiner leichthändigen Schelte an die Ärzteschaft, die er mit einer klaren Warnung vor einem voreiligen Ausstieg aus den Kollektivverträgen verband: „Ab 1.1.2009 wird es eine Bewegung geben. Man sollte nicht zu früh die Tassen aus dem Schrank holen.“

Plakative Aussagen, die mangels Zeit auch nicht mehr zur Diskussion standen. So blieb sicher für manchen Teilnehmer vieles unbeantwortet. Die gegenwärtige Vergütungssituation sorgt für Unmut und Frust, die zukünftige ist nicht abzusehen und Köhlers Konzept eben nur ein weiterer Entwurf. Oder um die Stimmung im Saal mit den Worten Bertolt Brechts zu beschreiben: „Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen, den Vorhang zu und alle Fragen offen…“

Systemausstieg oder Kooperation?

Könnte man die Stimmung für einen Systemaustieg der Augenärzte an der Auslastung entsprechender Seminarangebote festmachen, würde die Antwort eindeutig ausfallen: Mit einer Vielzahl leerer Sitzplätze überraschte das Informationsangebot von Dr. Thomas Scharmann zum Thema „Du und Dein Ausstieg“. Oder doch nicht überraschte? Zeitgleich hatten die bayerischen Hausärzte den Aufstand geprobt – und waren an sich selber gescheitert. Das Risiko von Einkommenseinbußen schien vielen zu groß. Auch Scharmann, der sehr differenziert Vor- und Nachteile des kollektiven Ausstiegs aufführte, wollte keine eindeutige Empfehlung formulieren. Problematisch sei, dass insbesondere die Augenärzteschaft keine homogene Gruppe in Bezug auf die Einkommenssituation darstelle. Die Kluft zwischen Scheinwerten einer operierenden und konservativen Praxis sei zu groß. Zudem müsste berücksichtigt werden, in weit eine Monopolstellung gegeben sei oder Leistungen womöglich durch andere Berufsgruppen substituiert werden könnten. Auch eine individuelle Zulassungsrückgabe könnte man nur im Einzelfall entscheiden und da „gibt es keinen Königsweg“. Unabdingbar sei eine genaue Markt- und Einkommensanalyse, beispielsweise durch Ermittlung eines individuellen Praxis-Scheinwertes, der sich aus Honorar, IGeL-Umsatz und Patientenanzahl ergibt. Eine unmissverständliche Empfehlung hatte er dann aber doch: Nur fachübergreifend und gemeinsam könnten Fachärzte auf KV und Politik den notwendigen Druck ausüben, um die Situation des Versorgerfacharztes zu stärken, appellierte Scharmann an das spärlich besetzte Publikum.

Hingegen ausgefüllt bis auf den letzten Platz waren auch in diesem Jahr die beiden Veranstaltungen zu regionalen und überregionalen Kooperationsmodellen für Niedergelassene. Sichtbares Zeichen für die Suche nach Perspektiven. Von Aufstand oder Ausstieg aber keine Rede.

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Betriebswirtschaftliche und rechtliche Aspekte von Kooperationsformen stießen auf großes Interesse.

Fazit

In der Fülle des fünftägigen Informations- und Fortbildungsangebotes gab es folglich einige ernste Themen und berufspolitisch sehr bewegte Gemüter. Deutlich wurde aber auch der Wunsch und Wille sich den vielfältigen Herausforderungen zu stellen, sich zusammenzuschließen, die eigenen Stärken der Ärzteschaft zu bündeln und so die Versorgung der Zukunft aktiv zu gestalten. Ein lohnenswertes Engagement, um sich gegen Leistungsübernahme zu schützen und die Freiberuflichkeit der niedergelassenen Ärzteschaft zu sichern. Denn bei aller Kritik an den Rahmenbedingungen dürfe man nicht vergessen, hatte der BVA-Vorsitzende Bertram schließlich schon zu Beginn der Tagung betont, dass es sich angesichts kontinuierlicher Innovationen in der Augenheilkunde sowie der Vielfältigkeit der Aufgaben um ein nach wie vor ausgesprochen attraktives Fach handele.

Medienpreis
Die diesjährigen BVA-Medienpreise 2008 erhielten Susanne Kutter, Redakteurin der Wirtschaftswoche und zuständig für das Ressort Technik und Wissen, die in ihren Beiträgen immer wieder auch aktuelle und verbrauchernahe Themen der Augenheilkunde aufgreife sowie der Bundesverband der Verbraucher Initiative e.V., vertreten durch den Geschäftsführer Georg Abel, für seine Publikation „Sehen und Hören“, die zu eigenverantwortlichem Handeln des Verbrauchers motiviere und den Nutzen von Früherkennungsmaßnahmen unterstreiche. Überreicht wurde der Preis vom 1. BVA-Vorsitzenden Prof. Dr. Bernd Bertram im Rahmen der AAD-Eröffnungsvorlesung und fand damit erstmals vor Publikum statt.

Mit der Verleihung des Medienpreises würdigt der BVA die Gesundheitsberichterstattung und insbesondere die Darstellung und Auseinandersetzung mit Themen aus der Augenheilkunde. Anerkannt wird dabei eine allgemein verständliche Darstellung der augenheilkundlichen Themen und Anliegen, die das Verständnis in der Bevölkerung fördere und dem Aufklärungsanliegen der Augenärzteschaft entgegen komme.

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Abb. 8: Die diesjährigen Medienpreisträger.

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Fachlicher Austausch zu Bewährtem und Innovativen.

Die AAD findet 2009 vom 10. bis 14. März ebenfalls im Congress Center Düsseldorf statt.

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