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Zur 10. Jahrestagung der European Association for Vision and Eye Research (EVER)

United in diversity
Ein kleines Jubiläum feierte die European Association for Vision and Eye Research (EVER) mit ihrer 10. Jahrestagung, die mit Prof. Dr. Uwe Pleyer (Universitäts-Augenklinik Charité, Berlin) einen deutschen Tagungspräsidenten an der Spitze hatte. Das vielfältige wissenschaftliche Programm und ein neuer Teilnehmerrekord machten deutlich, dass sich die Veranstaltung inzwischen zu einem wichtigen Treffpunkt zahlreicher europäischer, ophthalmologischer Gesellschaften etabliert hat, die sich gemeinsam mit den wissenschafts- und berufspolitischen Themen in Europa auseinandersetzen. Erstmals war Slowenien (Portoroz) Gastgeber der EVER-Tagung. Prof. Dr. Uwe Pleyer berichtet über den europäischen Gedanken und die Tagung.

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Die 10. Jahrestagung der European Association for Vision and Eye Research (EVER) 2007, zu der im letzten Oktober an die slowenischen Küste eingeladen wurde, kann auch unter dem Leitgedanken der Europäischen Gemeinschaft „United in diversity“ zusammengefasst werden. Schon die Gründungsgeschichte der EVER, an die im einleitenden Grußwort des Tagungspräsidenten erinnert wurde, ist gleichermaßen bewegt wie in vieler Hinsicht auch eine typisch europäische „Historie“:

EVER ist der Zusammenschluss zweier übernationaler, wissenschaftlicher Organisationen: zum einen der Association for Eye Research (AER) und zum anderen der European Community Ophthalmology Research Association (ECORA). Zur Gründung von EVER führte die Einsicht, dass diese beiden, zwar in vielen Belangen konkurrierenden, aber auch ähnliche Ziele verfolgenden Gesellschaften zusammengeführt werden sollten. Dies war allerdings leichter geplant als umgesetzt. Einer Gruppe vor allem französischer Kollegen unter ihnen Gabriel Coscas, Gisèle Soubrane and Gilles Renard ist es zu verdanken, dass sie zunächst eine „Zwischenlösung“ schufen: Sie gründeten kurzerhand eine neue Gesellschaft – „JERMOV“ (Joint European Meeting in Ophthalmology and Vision) und organisierten erstmals 1994 gemeinsame Treffen in Montpellier, Frankreich. Der Erfolg gab dieser Idee recht: Mit über 600 Teilnehmern wurden diese Tagungen sehr gut angenommen und die Entscheidung zur Fusion der beiden Gesellschaften im Plenum 1996 getroffen. Wäre nicht mit dem Bankrott des lokalen JERMOV-Kongressorganisators ein überraschendes Problem eingetreten, wäre die Veranstaltung möglicherweise weiterhin in Montepellier verblieben. Ein jähes Ende konnte wiederum nur durch ein rasches Eingreifen, dieses Mal durch belgische Kollegen, abgewendet werden.

Die Gründung von EVER als Zusammenschluss beider Organisationen erfolgte unter einer belgischen Rechtskonstruktion. Dies erklärt, dass auch heute noch nationales belgisches Recht in den Statuten der EVER gültig geblieben ist. 1997 fand das erste Treffen unter der neuen „Flagge“ EVER nochmals in Montpellier statt, seitdem sind Palma de Mallorca, Alicante und Vilamoura Tagungsorte der letzen Jahre gewesen. Inzwischen ist die Gesellschaft mit mehr als 750 Mitgliedern in elf wissenschaftlichen Sektionen organisiert, die alle Bereiche der Ophthalmologie von der Anatomie, Epidemiologie bis zur Optik, Kornea und Retina sowie Immunologie und Genetik umfassen.

Special Interest Symposia

Mit 243 eingeladenen Referaten und über 600 Präsentationen sprengte die Jahrestagung in Portoroz alle bisherigen Tagungsrekorde. Inhaltlich bildeten Special Interest Symposia (SIS), die innerhalb der Sektionen organisiert werden, ein zentrales Element des Tagungsprogrammes. Hierbei geben exzellente Redner sehr fokussiert in vier bis sechs Referaten einen Überblick und stellen aktuelle Entwicklungen dar. Ein Blick in das Programm der vergangenen Tagung zeigt, dass neben den zur Zeit stark diskutierten Themen wie AMD oder Innovationen der Glaukomtherapie auch Bereiche angesprochen werden, die selten behandelt werden, wie beispielsweise molekulare Grundlagen der Kataraktentwicklung, Genetik der Glaukome oder okuläre Parasitosen.

Damit bietet die EVER eine ideale Möglichkeit, sich auch rasch in Bereichen zu orientieren, die außerhalb eigener Forschungsaktivität liegen. Eine Gelegenheit, die bei kaum einer anderen Veranstaltung in dieser Dichte geboten wird. Dies bezeugt auch die stetig ansteigende Zahl nichteuropäischer Teilnehmer, insbesondere aus Asien und USA.

Ziele: Forschungsprojekte und Mentoring

Eine fruchtbare Zusammenarbeit hat sich inzwischen mit der Association for Research in Vision and Ophthalmology (ARVO) entwickelt. Gemeinsam organisierte Sitzungen konzentrieren sich überwiegend auf den Austausch von Informationen über Struktur, Finanzierung und Kooperationen von Forschungsprojekten. Ein weiteres gemeinsames Ziel ist die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses, dem sich u. a. ein Symposium mit dem Titel: „Mentoring: How, what, why and when” geleitet von Sally Atherton, der ehemaligen ARVO-Präsidentin, und Nicholas Delamere widmete. Obwohl der so genannte Nachwuchsmangel inzwischen ein weithin spürbares Problem ist, fehlt es oft an konkreten Maßnahmen und Hilfestellungen. Dies sei nicht nur ein europäisches Dilemma, sondern substantiell auch in den USA spürbar, betonte Sally Atherton. Aktive Maßnahmen seien notwendig, um junge Kollegen und Kolleginnen für eine akademische Laufbahn zu gewinnen. Meist gingen bereits in einer sehr frühen Phase Talente verloren. Unzureichend definierte Karrierewege und oft geringe Anerkennung wissenschaftlichen Engagements seien Umstände, die demotivierend wirken und zur Abkehr führen. Die unmittelbare, individuelle Unterstützung und Anleitung, kurz: Mentoring, hingegen sei ein wichtiger Faktor, um dies positiv zu beeinflussen, so Atherton.

European Education in Ophthalmology

Ebenfalls dem Thema Nachwuchsförderung war eine Sitzung zur Koordination der ophthalmologischen Ausbildung im europäischen Verbund gewidmet. Unter dem Titel „CONCORDIA: Promoting European Education in Ophthalmology” waren Vertreter verschiedener europäischer Organisationen aufgefordert ihre Konzepte zur klinischen und wissenschaftlichen Ausbildung darzulegen. Vertreter von EBO, EUPO, SOE und EVER legten dazu ihre Vorstellung und Visionen vor. Dabei wurden zwei Schwerpunkte erkennbar und hervorgehoben: Einerseits sind in Europa Fortschritte mit zunehmender Harmonisierung der Ausbildung mit gemeinsamen Curriculum und anerkanntem Abschluss erreicht worden. Die steigende Zahl der Absolventen, die sich der Prüfung zum FEBO unterziehen zeigt, dass dieses Angebot bereits stark genutzt wird (TASSIGNON MJ, EBO). Förderprogramme mit Kurzzeitstipendien (z. B. durch SOE, EBO) und Laboraufenthalte im Rahmen wissenschaftlicher Programme zeigen ebenfalls positive Auswirkungen. Andererseits wurde als gleichzeitig kritisch einzuschätzende Konsequenz bemerkt, dass die zunehmende Mobilität und Freizügigkeit des Arbeitsmarktes in Teilen Europas zu einer starken Abwanderung junger Kollegen führt und erste Versorgungslücken auftreten, so in Polen und Deutschland. Dies ist eine Entwicklung, die sich vermutlich zukünftig noch verschärfen wird.

Anderseits wird Europa vor allem für wissenschaftlich interessierte Kollegen vor dem Hintergrund seines hohen fachlichen Standards sowie der guten internationalen Reputation zunehmend attraktiver, während gleichzeitig die Einschränkungen anderenorts, wie zum Beispiel die Einreiseprobleme in die USA, das Interesse für Europa noch zusätzlich fördern. Der Autor ergänzte zu diesem Thema, dass in den letzten zehn Jahren an der Berliner Charié Universitäts-Augenklinik kontinuierlich junge Kollegen aus Frankreich, der Tschechischen Republik, China und Staaten des ehemaligen Jugoslawien mit nationalen und internationalen Stipendien ausgebildet wurden.

Keynote Lecture

Zweifellos gelten so genannte Keynote Lectures als Glanzlichter großer Veranstaltungen. Zwei der insgesamt sieben Plenumvorträge seien kurz hervorgehoben.
Sehr beeindruckend stellte G. Rao (Prasad Eye Institute, Hyderabad, Indien) die Entwicklung der Versorgungssituation in Indien dar. Unter dem Titel: „Delivery of Eye Care in Developing Countries – the Role of Research” zeigte er eindrucksvoll die Fortschritte in der Bekämpfung von Blindheit auf dem Subkontinent auf. Gleichzeitig wurde in seiner Rede klar, dass ein konsequentes Vorgehen, wissenschaftliche Erkenntnisse und Methoden, die von der Epidemiologie bis zur Molokularbiologie reichen, einen wesentlichen Beitrag an dieser Entwicklung in Indien einnehmen. Die Fortschritte in der konservativen und chirurgischen Behandlung von Augenerkrankungen verliefen dabei parallel zum Aufbau eines flächendeckenden Gesundheitswesens. Allerdings müsse der traditionelle Ansatz „from the laboratory to the clinic“ um den Schritt „from the laboratory to the clinic and to the community” erweitert werden, forderte Rao. Viele Aufgaben seien verblieben und noch zu meistern. Während Programme zur Prävention, wie der WHO zur Trachombekämpfung, erfolgreich gewesen seien und die Versorgung von Kataraktpatienten wesentliche Fortschritte zeige, stellten komplexere Erkrankungen wie Glaukom und diabetische Retinopathie große Herausforderungen dar.

European Ophthalmologic Heritage Lecture

Mit der erstmals im Programm aufgeführten European Ophthalmologic Heritage Lecture soll künftig an die lange Tradition der Augenheilkunde in Europa angeknüpft werden. Ziel ist es, an herausragende Leistungen zu erinnern und gleichzeitig künftige Entwicklungen zu stimulieren. In der ersten Lecture zur 10. Jahrestagung spannte Jean-Jacques De Laey (Leuven, Belgien) einen Bogen von Helmholtz bis zum Laserscanning Ophthalmoloskop und bezog sich damit auf 150 Jahre seit der Einführung des Ophthalmoskops. Europa gelte nicht nur als Geburtsstätte der modernen Augenheilkunde, sondern gebe auch bis heute wichtige, neue Anstöße für weitere Innovationen des Faches.

Interaktives Repititorium

Bereits seit einigen Jahren ist am Vortag des Tagungsbeginns ein Kursprogramm vorgeschaltet. Dieses Angebot richtet sich vor allem an junge Kollegen und umfasste diesmal unteranderem Themen zur Infektionsdiagnostik bei Keratitis und Endophthalmitis, Einführung in die Ophthalmopathologie und Kinderophthalmologie. Als bestbesuchte Veranstaltung ist der EBO-Kurs (European Board of Ophthalmology) hervorzuheben. Mit diesem interaktiven „Repititorium“ sollen Kandidaten auf das europäische Examen vorbereitet werden. Als erster Themenschwerpunkt wurde „Uveitis“ gewählt. Zunächst wurde der Kenntnisstand der Teilnehmer geprüft und anschließend das Thema durch ein international besetztes Dozentenpanel (Bodaghi, Paris; Herbort, Lausanne; Pavesio, London; Pleyer, Berlin) behandelt. Ihr durchweg verbessertes Wissen konnten die Kollegen am Ende der Tagung bei einem erneuten, freiwilligen Test unter Beweis stellen. Aufgrund der ad hoc hohen Akzeptanz dieses Kurses mit sehr positivem Feedback wird das Konzept 2008 mit zwei neuen Themenschwerpunkten, Neuroophthalmologie und Onkologie, fortgeführt.

Ziele und Perspektiven

Den Blick voraus zu richten, Ziele für die Zukunft zu formulieren und das Profil von EVER zu schärfen, das sind Herausforderungen, die am Ende der Tagung betont wurden. In diesem Zusammenhang formulierte der Tagungspräsident fünf Ziele für die Gesellschaft:
• EVER als führendes Forum für die Augenheilkunde sowie für benachbarte wissenschaftliche Bereiche zu fördern
• Die Bedeutung des europäischen Beitrags für die wissenschaftliche Ophthalmologie international besser darzustellen und zu vertreten
• Die Zusammenarbeit mit europäischen und internationalen Organisationen zu stärken. Dies schließt ausdrücklich auch die politische Ebene der nationalen und europäischen Institutionen und Parlamente ein
• Die Kooperation europäischer Zentren in Wissenschaft und Ausbildung zu stärken
• Verstärkt die Fortbildung und berufliche Orientierung des wissenschaftlichen Nachwuchs innerhalb eines weiterhin wachsenden Europas zu fördern

Mit der 10. Tagung der EVER hat die Gesellschaft ihren Anspruch auf eine wichtige Rolle in der wissenschaftlichen Augenheilkunde eindrucksvoll untermauert. Die hohe Qualität und das breite Spektrum der wissenschaftlichen Beiträge sowie neue Programmstrukturen haben wesentlich zum Gelingen der Veranstaltung beigetragen. Gleichzeitig ist erkennbar, dass wissenschafts- und berufspolitische Themen in Europa zunehmend an Bedeutung gewinnen. Eine Bündelung der vielfältigen, europäischen Anstrengungen und Aktivitäten kann die gute Ausgangssituation der Ophthalmologie im internationalen Vergleich verbessern. Die Diskussion dazu wird sich auch 2008 fortsetzen.

Die 11. Jahrestagung der EVER findet vom
1. bis 4. Oktober 2008 wieder in Portoroz statt.

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