Steigender Bedarf an ophthalmologischer Rehabilitation

Trotz verbesserter Behandlungsoptionen gehen viele Erkrankungen der Augen und der Sehbahn mit bleibenden visuellen Defiziten einher, die eine Rehabilitation erfordern. Mit der demographischen Entwicklung stellt der steigende Bedarf an ophthalmologischer Rehabilitation eine große Herausforderung für Augenärzte und die mit ihnen interdisziplinär zusammenarbeitenden Berufsgruppen dar. Prof. Dr. Susanne Trauzettel-Klosinski und Nhung X. Nguyen geben einen Überblick über ophthalmologische Rehabilitationsmaßnahmen.

Zurzeit sind in Deutschland etwa 500.000 Menschen sehbehindert. Diese Zahl wird aufgrund der demographischen Entwicklung steigen. Nach einer Studie von Krumpatzki (1999) ist fast die Hälfte aller neu erblindeten Menschen über 80 Jahre alt. Man muss dabei allerdings bedenken, dass hier Blindheit im gesetzlichen Sinne gemeint ist, das heißt alle Betroffenen mit einem Visus von 1/50 oder weniger, während Sehreste hier nicht berücksichtig wurden.

Die Altersverteilung der Patienten, die 1999 bis 2005 die Sehbehindertenambulanz Tübingen aufsuchten, ist Abb. 1 zu entnehmen und zeigt einen hohen Anteil (40 Prozent) der 75- bis 90-Jährigen (Nguyen et al. 2007a).

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Altersverteilung der Patienten der Tübinger SBA im Zeitraum 1999 bis 2005.
Das durchschnittliche Alter betrug im Median 72 Jahre (4 bis 101 Jahre) mit einem
hohen Anteil der Altersgruppen von 75 bis 90 Jahren (aus Nguyen et al. 2007a).

Die Altersverteilung hat sich in den letzten Jahren wesentlich verändert und zeigt einen deutlichen Anstieg der über 80-Jährigen. In Abb. 2a ist die Altersverteilung der Patienten der Tübinger Sehbehindertenambulanz (SBA) im Zeitraum 1994 bis 1996 dargestellt (Laubengaier 2001). Abb. 2b zeigt die Altersverteilung der SBA Heidelberg aus dem Jahre 1996 (Rohrschneider et al 1999) und der SBA Tübingen aus den Jahren 1999 bis 2005 (Nguyen et al. 2007a). Es zeigt sich deutlich eine Zunahme der über 80-Jährigen über den gesamten Beobachtungszeitraum. Er lag jetzt in der Tübinger SBA bei 35 Prozent.
Die häufigste Ursache der Sehbehinderung im Alter ist die Altersabhängige Makuladegeneration (AMD; WHO 2004). Während der Anteil der Patienten mit AMD in der SBA Heidelberg 1996 26 Prozent, in der SBA Tübingen in den Jahren 1994 bis 1996 noch 29 Prozent betrug, so stieg dieser Anteil in der SBA Tübingen in den Jahren 1996 bis 2005 auf 40 Prozent (Abb. 3). Dies entspricht der allgemeinen Situation der Zunahme der Sehbehinderten und Blinden in der westlichen Welt.

Eine Zusammenfassung aus 25 internationalen Studien zeigt, dass in der Altersgruppe zwischen 75 und 84 Jahren jeder Vierte und bei den über 80-Jährigen nahezu ein Drittel von einer beginnenden AMD betroffen ist. Fünf Prozent der 75- bis 84-Jährigen und 13 Prozent der über 85-Jährigen haben eine AMD im Spätstadium (Abb. 4, nach Klaver 2004).
Betrachtet man hierzu die Alterspyramiden (Abb. 5), so wird offensichtlich, dass der Bedarf am Rehabilation in den kommenden Jahren hochgradig steigen wird.

In einer Studie von Knauer und Pfeiffer 2006 wird der massive Anstieg an Blinden und Sehbehinderten in den nächsten 30 Jahren aufgezeigt: Die Anzahl wird um 34 Prozent bei den Blinden, bei den hochgradig Sehbehinderten um 36 Prozent und bei den Sehbehinderten insgesamt um 34 Prozent ansteigen. Die Anzahl der Neuerblindungen wird um mehr als 60 Prozent steigen.

In Europa gibt es zurzeit etwa 5,5 Millionen Sehbehinderte und 2,7 Millionen Blinde. 12,5 Millionen Europäer leiden an einer AMD. Die Kosten für die Sehbehinderten und Blinden in Europa belaufen sich auf 100 Billionen Euro pro Jahr (geschätzte Zahlen der EU-Kommission, Euro-Hear-Meeting Paris 2007).

Mehr dazu im AUGENSPIEGEL 01-2008.

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