Pionier und Motor der digitalen Revolution in der Augenheilkunde

Vor rund sechs Jahren wurde an der MedUni Wien in Kooperation zwischen dem Zentrum für Medizinische Physik und Biomedizinische Technik und der Universitätsklinik für Augenheilkunde der MedUni Wien die hochauflösende optische Kohärenztomographie (OCT) entwickelt: Ein bildgebendes Verfahren, das ähnlich dem Ultraschall – allerdings berührungslos – genaue Schichtbilder der Netzhaut zeigt. Mit Unterstützung der in jüngster Zeit an der Medizinischen Universität Wien entwickelten Algorithmen lassen sich damit binnen weniger Sekunden Erkrankungen der Netzhaut frühzeitig diagnostizieren und gezielt behandeln, so die Medizinische Universität und betont damit ihre Rolle als Pionier und zugleich Motor der digitalen Revolution in der Augenheilkunde – eine Revolution, die nun vor dem weltweiten Durchbruch stehe.

„In einem topaktuellen Paper hat nun auch ‚Google‘ das Thema aufgegriffen, dass digitale Algorithmen Augendiagnosen vollautomatisch und präzise stellen können, wie wir dies in den vergangenen Jahren entwickeln und publizieren konnten“, erklärt Ursula Schmidt-Erfurth, Leiterin der Universitätsklinik für Augenheilkunde und Optometrie. Ihre Studien an der MedUni Wien zu diesem Themenbereich wurden in der Nature Medicine-Arbeit von „Google“ gleich viermal zitiert.

Dass Google – wie auch zum Beispiel der Technologiekonzern IBM – nun auf den „digitalen Zug in der Ophthalmologie aufspringt“, so die Sprecherin des MedUni Wien-Forschungsclusters für Medizinische Bildgebung, ist durchaus positiv zu sehen: „Dadurch wird unsere Idee der künstlichen Intelligenz in der Augenheilkunde weiter transportiert und als Geschäftsmodell weltweit umgesetzt. Sehr bald wird es möglich sein, dass jeder Augenarzt überall auf der Welt auf unsere Technologie zugreifen kann – zum Wohl der PatientInnen und Unterstützung der Ärzte und Ärztinnen.“

Gewürdigt wurde diese Pionier- und Vorreiterstellung der Wiener Forscher zeitgleich durch ein ausführliches „Review“ zum Stand der künstlichen Intelligenz in der Erforschung und Behandlung von Netzhauterkrankungen im Top-Journal „Progress in Retinal and Eye Research“, zu dem die Wissenschaftlerin der MedUni Wien eingeladen wurde. 

60 Millionen Pixel in 1,2 Sekunden

Bei der Analyse werden die Daten der optischen Kohärenztomografie mithilfe automatisierter Algorithmen evaluiert, die auf Basis von Artificial Intelligence (AI) entwickelt werden. Beides, Gerät und AI-Methode, sind eigene Entwicklungen der Medizinischen Universität Wien, insbesondere am Zentrum für Medizinische Physik und Biomedizinische Technik und im Christian Doppler-Labor OPTIMA unter der Leitung von Schmidt-Erfurth. Für die frühe Entwicklung der OCT als Methode wurden Christoph Hitzenberger und Adolf Fercher vom Zentrum für Medizinische Physik und Biomedizinische Technik im Jahr 2017 mit dem Dolores H. Russ Prize, dem „Nobelpreis für Ingenieurswissenschaften“, geehrt. Bei dieser Methode können innerhalb von 1,2 Sekunden 60 Millionen Pixel aufgenommen und gleichzeitig analysiert werden. Schmidt-Erfurth: „Der behandelnde Arzt soll diese Fülle an diagnostischen Informationen nutzen – und wir machen es möglich.“

Wird eine Erkrankung entdeckt beziehungsweise prognostiziert, können ebenfalls sehr rasch die für den Betroffenen vom behandelnden Arzt exakt die richtigen therapeutischen Schritte eingeleitet werden, ganz im Sinn der Präzisionsmedizin beziehungsweise personalisierten Medizin. „Das kommt jedem der rund 170 Millionen Menschen zugute, die an einer Makuladegeneration leiden“, so Schmidt-Erfurth. Es bedarf also der exakten Analyse durch die digitale Medizin und anschließend der vom Arzt veranlassten, individuellen Therapie für den individuellen Patienten zur richtigen Zeit. 

Zukunftsvision „Augen-Scan-Automaten“

Dass zunächst alle Augenärzte der Welt oder auch Optiker auf die digitalen Diagnose-Methoden in der Augenheilkunde zugreifen können, ist der erste Schritt. Der nächste, und damit skizziert Schmidt-Erfurth eine Zukunftsvision, die nach Einschätzung der ExpertInnen bereits in rund drei Jahren wahr werden könnte, sind – analog zu den vielerorts jetzt im Stadtbild zu findenden Passfoto-Automaten –„Augenuntersuchungsboxen“: „Dann könnte sich jeder bzw. jede zu jederzeit die Augen scannen lassen, unabhängig vom Standort – und wenn das Ergebnis eine mögliche Erkrankung ergibt, sofort zum zuständigen Arzt gehen.“ 

Service: Progress in Retinal and Eye Research
„Artificial intelligence in retina.“ U. Schmidt-Erfurth, A. Sadeghipour, B. Gerendas, S. Waldstein, H. Bogunovic. https://doi.org./10.1016/j.preteyeres.2018.07.004. 31 July 2018.

Quelle:
Medizinische Universität Wien

Ähnliche Beiträge