Off-Label-Use bei AMD-Therapie zulässig

Die Novartis Pharma GmbH, Nürnberg, hatte im Juli einen so genannten Erlass auf einstweilige Anordnung beantragt, um zu verhindern, dass der zwischen der Vereinigung operierender Augenärzte und dem Bundesverband Deutscher Ophthalmochirurgen einerseits sowie drei gesetzlichen Krankenkassen andererseits geschlossene „Vertrag zur Behandlung der feuchten Makuladegeneration mittels intravitrealer Eingabe von VEGF-Hemmern“ zur Anwendung kommt. Das Sozialgericht Düsseldorf hat den Antrag des Unternehmens zurückgewiesen (Az. S 2 KA 104/07 ER vom 23. August 2007).

Das Unternehmen Novartis sah in dem Vertragswerk letztendlich die Vereinbarung der faktischen Favorisierung einer rechtswidrigen Off-Label-Use-Behandlung mit Avastin. Dies führe faktisch zu dem „wirtschaftlichen Totalboykott des anerkannten, zugelassenen und nachweislich überragend wirksamen Medikaments Lucentis“ und verletze die Antragstellerin zivilrechtlich, wettbewerbsrechtlich und kartellrechtlich in ihren Rechten, so Novartis in der Anklageschrift.

Bestandteil des zwischen den beiden Ärztevereinigungen und den Krankenkassen geschlossenen Vertrages war ein Formblatt zur Patientenaufklärung, in dem die Medikamente Avastin (Bevacizumab), Macugen (Pegaptanib) und Lucentis (Ranibizumab) kurz vorgestellt und bewertet werden. Das Formblatt endet mit einer von dem Patienten zu unterschreibenden Erklärung, nach welcher dieser mit der Therapie mit Avastin und der damit verbundenen Operation einverstanden sei. Diese Entwurfsfassung ist nicht verbindlicher Vertragsinhalt geworden. Nach Überarbeitung durch die Qualitätssicherungskommission ist sie durch eine Anlage 1a (Aufklärung und Einverständniserklärung) ersetzt worden. Diese stellt die drei Wirkstoffe mit ihren Medikamentennamen wiederum dar und bewertet sie auch unter Kostenaspekten. Hierzu listet sie die zu erwartenden durchschnittlichen jährlichen Medikamentenmindestkosten auf, die sich für Macugen auf 9.350 Euro, für Lucentis auf 14.100 Euro und für Avastin auf 650 Euro belaufen sollen. Das Formblatt schließt mit einer vom Patienten zu unterzeichnenden Erklärung, nach der er schriftlich und mündlich über die verschiedenen therapeutischen Möglichkeiten aufgeklärt worden sei. Für den Fall, dass sich der Patient für die Behandlung mit Bevacizumab entscheide, sei er darüber aufgeklärt worden, dass es sich bei diesem Medikament um ein für diese Behandlung nicht zugelassenes Medikament handele. Die Einverständniserklärung des Patienten zur Therapie und den damit verbundenen Operationen enthält keine vorgedruckte Therapie mit einem bestimmten Präparat oder Wirkstoff, sondern einen individuell auszufüllenden Leerraum.

Gegenstand des vertraglichen Versorgungsauftrages ist die Diag-nostik und Behandlung einer feuchten Makulapathie mit intravitrealer Medikamenteneingabe nach näher bestimmten Qualitätsstandards. Die an dieser Versorgung teilnehmenden Ärzte enthalten nach Anlage 3 zum Vertrag eine Leistungskomplexpauschale inklusive Anästhesie und VEGF-Hemmer in Höhe von 450 Euro. Der Vertrag regele die Behandlung der AMD durch das Verfahren der so genannten intravitrealen operativen Medikamenteneinbringung (IVOM), einem in der GKV nicht zugelassenen Verfahren. Angesichts der alternativlosen Behandlungsmöglichkeiten der AMD mit IVOM liege insofern ein Systemversagen vor. Diesem Zustand hätten die meisten Krankenkassen Rechnung getragen und ab Anfang 2006 die Behandlungskosten der IVOM mit Avastin im Wege der Kostenerstattung übernommen. Mit dem nunmehr geschlossenen Vertrag sei die Kostenerstattung patientenfreundlich, leicht praktikabel und standardmäßig abzuwickeln. Der Vertrag ermögliche darüber hinaus, Avastin und Lucentis Ranibizumab wegen der identischen Wirkprinzipien in wissenschaftlichen Studien zu vergleichen.

Die Behandlung mit Lucentis werde durch den Vertrag nicht ausgeschlossen, die Therapiefreiheit verbleibe bei dem Arzt. Im Hinblick auf die Kostenunterschiede zwischen Avastin und Lucentis liege der pauschalen Vergütungshöhe eine realitätsnahe Mischkalkulation zu Grunde. Verändere sich das Verhältnis des Einsatzes von Lucentis zu Avastin, sei eine Anpassung der Vergütung möglich, so das Gericht.

Beide Mittel wurden von der Roche-Tochter Genentech entwickelt.

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