Neuronale Ceroid Lipofuszinosen
Zur frühzeitigen Diagnosestellung beim Augenarzt
Die Neuronalen Ceroid Lipofuszinosen (NCL) stellen die häufigsten neurodegenerativen Erkrankungen des Kindesalters dar. Sie gehen mit schwerem körperlichem und geistigem Abbau einher und führen zu Erblindung und frühem Tod. Therapeutische Möglichkeiten fehlen. Dennoch ist eine frühe Diagnosestellung für den weiteren Verlauf der Erkrankung von wesentlicher Bedeutung. Häufige Vertreterin der Gruppe ist die CLN 3 (Spielmeyer-Vogt-Krankheit, Batten disease, juvenile NCL). Initialsymptom ist oft ein rascher Visusverlust im Schulalter, weshalb dem Augenarzt als Erstdiagnostiker eine Schlüsselfunktion zukommt. Ein Beitrag von Dr. Isabel Lindemann.
Erste Erwähnung in der Literatur fanden die Neuronalen Ceroid Lipofuszinosen 1826 durch den norwegischen Arzt Dr. Christian Stengel. Weitere Ausführungen erfolgten durch den britischen Neurologen Batten, der 1903 ein Geschwisterpaar mit progressiver Makuladystrophie in Kombination mit progredienter cerebraler Degeneration beschrieb (Batten 1903).
Ätiologie und Pathogenese
Die Neuronalen Ceroid Lipofuszinosen (NCL oder CLN) machen die größte Gruppe neurodegenerativer Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter aus. Ihre Inzidenz liegt bei etwa 1:30.000 Lebendgeborenen (Kohlschütter 2005), in Deutschland kommen so jährlich etwa zehn bis 15 neue NCL-Fälle hinzu (Stehr 2008). Mindestens zehn verschiedene NCL-Formen sind bekannt. Diese werden als CLN1-10 bezeichnet. Sie unterscheiden sich unter anderem im Alter der Patienten zu Beginn der Erkrankung, weshalb auch eine Einteilung der verschiedenen Formen der NCL in die Gruppen kongenital, infantil, spät-infantil sowie juvenil vorgenommen wird. Gemeinsame Merkmale dieser heterogenen Speichererkrankungen ist neben der meist autosomal-rezessiven Vererbung (bis auf eine seltene adulte Form, die autosomal-dominant vererbt wird) die Kombination ihrer drei wesentlichen klinischen Symptome: Visusverlust, Demenz und Epilepsie. Diese treten je nach NCL-Form in unterschiedlicher Reihenfolge auf.
Neuropathologisches Korrelat ist dabei die Speicherung des wachsartigen Ceroid-Lipofuszinmaterials im Gehirn oder anderen Geweben, wobei es zur Ablagerung von Speichermaterial in den Lysosomen insbesondere neuronaler Zellen, auch der Retina, kommt.
Für den Augenarzt von besonderer Relevanz ist insbesondere die juvenile NCL (CLN3, Spielmeyer-Vogt-Krankheit, Batten disease). Diese äußert sich meist mit dem Initialsymptom eines raschen Visusverlustes im Schulalter aus scheinbar völliger Gesundheit der betroffenen Kinder heraus.
Das juvenile NCL-Gen (CLN3) wurde dabei 1995 auf dem Chromosom 16 (p12.1-11.2) lokalisiert (The international batten disease consortium). Meist liegt der Erkrankung eine 1kb umfassende Deletion in diesem Gen zugrunde. Der Gendefekt führt dabei zum Verlust eines lysosomalen Membranproteins mit bislang unbekannter Funktion. In Versuchen mit Mäusen konnte für Antikörper gegen das entsprechende Protein in retinalen Neuronen eine gegenüber den corticalen Neuronen sehr frühe Expression nachgewiesen werden (Munroe 1997). Dies könnte auf eine wichtige Funktion des CLN-3-Proteins in der Retina hinweisen und der Grund für das Initialsymptom einer dramatischen Visusverschlechterung der betroffenen Kinder darstellen.
Mehr dazu im AUGENSPIEGEL 02/2009.