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„Mehr Druck auf lokale Politiker“

Die Honorarreform, die zu weiteren Honorarverlusten in vielen Augenarztpraxen geführt hat, ruft massiven Ärger und auch Existenszängste hervor. Ärzte gehen zu Tausenden auf die Straße, im Norden sollen reduzierte Sprechstundenzeiten oder auch zum Teil Praxisschließungen auf die Misere aufmerksam machen, öffentlichkeitswirksame Einzelaktionen in Praxen sorgen für Aufmerksamkeit. Was können diese Maßnahmen bewirken? DER AUGENSPIEGEL sprach mit Dr. Ludger Wollring, niedergelassener Augenarzt in Essen und BVA-Landesvorsitzender Nordrhein, über mögliche und notwendige Protestaktionen.

Bild DER AUGENSPIEGEL:
Es gibt ungewöhnlich laute und emotionale Unmutsäußerungen gegen die Honorarreform. Finden die Augenärzte genügend Gelegenheit, Ihren Ärger in Taten umzusetzen?

Dr. Ludger Wollring:
Zu Recht gibt es laute und emotionale Unmutsäußerung, denn es ist eine Verdummung der Leute zu sagen: „Ihr bekommt doch mehr Honorar!“ 2,7 Milliarden Euro mehr Honorar werden ausgezahlt, aber ich kann in Nordrhein nicht feststellen, dass irgendetwas von diesem Geld bei den Niedergelassenen angekommen ist. An Angeboten für Protestaktionen mangelt es nicht: Am Aschermittwoch protestierten die Fachärzte vor dem Landtag, quasi im Anschluss lud die Freie Ärzteschaft nach Solingen, in Münster fand auch eine Veranstaltung statt. Zudem haben wir Ärzte auch Gelegenheit überall dort, wo lokale Politiker sich mal wieder sehen lassen – und das tun sie in diesem Jahr besonders umfangreich – hinzugehen und kritische Fragen zu stellen.

DER AUGENSPIEGEL:
Welche Art von Protestaktionen halten Sie für sinnvoll? Nur große, gemeinsame? Oder auch ganz individuelle Maßnahmen? Was kann der einzelne Augenarzt tun?

Dr. Ludger Wollring:
Wichtig ist, dass die Kollegen nicht zu schnell müde werden, an Protestveranstaltungen teilzunehmen. Das alleine reicht jedoch nicht aus. Wir müssen uns verstärkt um die Mitarbeit unserer Patienten bemühen und ihnen klar machen, dass wir in der Vergangenheit sehr viele freiwillige Leistungen erbracht haben und dies in Zukunft nicht mehr möglich ist. Nicht, weil wir das nicht mehr wollen, sondern weil wir Mitarbeiter und Miete bezahlen müssen.

DER AUGENSPIEGEL:
Im Norden machten die Augenärzte gerade eine Art „Dienst nach Vorschrift“. Ist das eine Aktion, die Vorbild für andere Länder sein könnte?

Dr. Ludger Wollring:
Ja! Wir müssen den Unterschied deutlich machen zwischen der gesetzlichen und einer guten Versorgung. Ich bin ein Anhänger der direkten Arzt-Patient-Beziehung und der Meinung, sofern der Patient mündig ist und sich nicht in einer akuten Notlage befindet, dass sich Arzt und Patient verständigen und direkt einen Behandlungsvertrag eingehen können. Im Gespräch mit den Patienten könnten wir sehr viel erreichen. Die Patienten sind inzwischen sehr sensibilisiert – nicht nur wegen des Wahljahres, sondern weil viele wichtige Dinge nicht mehr bezahlt werden.

DER AUGENSPIEGEL:
Wie kann man mit den Protesten die Politik statt den Patienten treffen?

Dr. Ludger Wollring:
Die Politik treffen wir zurzeit nicht so sehr mit Großveranstaltungen oder Minidemonstrationen, sondern vor Ort in den jeweiligen Wahlkreisen. Ortsnahe Proteste, dort, wo die Politiker sitzen, die wiedergewählt werden wollen, sind sehr effektiv: Wenn Ärzte in ihrem Wahlkreis Ross und Reiter nennen, diejenigen benennen, die für diese Reform gestimmt und dafür verantwortlich sind, dass der Patient seine Brille selber bezahlen darf und seine Augentropfen höhere Zuzahlungen haben – das ist wesentlich wirkungsvoller, als wenn wir irgendwo nur ein Plakat hinhängen!

DER AUGENSPIEGEL:
Der 29. Mai ist von KBV und KVen zum „Tag der Niedergelassenen“ deklariert worden. An diesem Tag wird zu einer Diskussion über die Zukunft der ambulanten Versorgung nach Berlin eingeladen und bereits jetzt kann die Ärzteschaft auf der entsprechenden Homepage an einem Manifest mitschreiben, aus dem sich zukünftige Forderungen ableiten sollen. Was halten Sie von dieser Aktion?

Dr. Ludger Wollring:
Wir haben unsere Forderungen schon vor Jahren glasklar formuliert, nur scheinen das KV und KBV immer wieder vergessen zu haben: Am 1. Januar 2006 ist die „Essener Resolution“ formuliert worden, der sich die KV Nordrhein angeschlossen hat. Am 24. März 2006 haben 35.000 Ärzte in Berlin vor dem Brandenburger Tor protestiert und sich der Essener Resolution angeschlossen. Diese Resolution hat auf http://www.facharzt.de die meisten Hits bekommen, über 2.000 Ärzte haben die Resolu­tion zudem im Internet unterschrieben – also mehr Einstimmigkeit haben wir noch nie gehabt.

DER AUGENSPIEGEL:
Herr Dr. Wollring, vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Katica Djakovic.
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