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Kongress DOC 2009

Interview mit Dr. Armin Scharrer
Vom 18. bis 21. Juni tagt der 22. Internationale Kongress der Deutschen Ophthalmochirurgen (DOC) im Messezentrum in Nürnberg. DER AUGENSPIEGEL sprach mit dem DOC-Präsidenten Dr. Armin Scharrer über die diesjährige Tagung.

BildDER AUGENSPIEGEL:
Zum 22. Kongress der Deutschen Ophthalmochirurgen (DOC) werden erneut mehrere tausend Teilnehmer zum intensiven Informationsaustausch erwartet. Welche technischen Entwicklungen sind besonders viel versprechend, wo sehen Sie aktuellen Forschungsbedarf?

Dr. Armin Scharrer:
Im Bereich der Netzhaut-/Glaskörperchirurgie steht die minimalinvasive Chirurgie im 23-g-Verfahren im Vordergrund. Immer mehr große netzhaut-/glaskörperchirurgische Zentren machen dies. Im Bereich der Intraokularlinsen schreitet die Entwicklung durch technologische Verbesserungen sowohl im Bereich Asphäre, UV- und Blaulichtfilter wie auch bei den Multifokallinsen weiter fort. Das große Ziel der Ophthalmochirurgie weltweit ist, sicher auch noch in den nächsten Jahren, ein erstklassiges Verfahren zur Presbyopiekorrektur zu finden.

DER AUGENSPIEGEL:
Zur berufspolitischen Diskussion über den Strukturwandel in der augenärztlichen Versorgung sind hochrangige Gastredner geladen. Was wird die Teilnehmer in diesem Jahr erwarten? Wohin wird die Diskussion gehen?

Dr. Armin Scharrer:
Spitzenvertreter des Bundesgesundheitsministeriums der Krankenkassen und des BDOC werden die aktuelle Situation der augenärztlichen Versorgung diskutieren und zukünftige Entwicklungen aufzeigen. Natürlich wird das Szenario nach der Bundestagswahl 2009 eine entscheidende Rolle spielen.

DER AUGENSPIEGEL:
Gerade auch in Bayern gab es verschärfte Proteste angesichts der Honorarsystematik. Gemeinsam mit BVA und BDOC organisierten Sie ein Treffen, in dem das weitere Vorgehen diskutiert wurde. Was wurde beschlossen und wie stellt sich die Situation für die ambulante Ophthalmochirurgie nun dar?

Dr. Armin Scharrer:
Konservative und operativ tätige Augenärzte gleichermaßen sind in Bayern angesichts der aktuellen Honorarsys­tematik in ihrer Existenz hochgradig gefährdet. Das extrem niedrige RLV schädigt sowohl konservativ wie auch operative. Tätige Augenärzte die immer wieder fälschlicherweise verbreiteten Statistiken, die die Umsätze der Augenärzte im GKV-Bereich oben positionieren, liefern ein falsches Bild.
Die Augenheilkunde ist das einzige Fach, in dem in den letzten Jahren eine umfassende Verlagerung von stationären Operationen in den ambulanten Bereich erfolgte. So wurden in Bayern etwa 40 Prozent der stationären Krankenhausbetten Augenheilkunde seit 2001 abgebaut! Um dies zu ermöglichen, wurden ambulante OP-Zentren gebaut, die mit großem Aufwand (Primärinvestition durchschnittlich 1,36 Mio. Euro) betrieben werden.
In den Statistiken, die die Umsätze der Augenärzte zeigen, wird nicht zwischen dem Honorar für die normale augenärztliche Versorgung und den Erstattungen (hier handelt es sich zum großen Teil um Erstattungen für Bereitstellung eines Operationssaals, Equipment, Sachkosten, Personalkosten und nicht um Honorare!) unterschieden und damit von den immer weiter sinkenden Augenarzteinkommen abgelenkt.
Die Krankenkassen zahlen für diese ambulanten stationsersetzenden Operationen Geld im ambulanten Bereich. Gleichzeitig wird dadurch sehr viel mehr Geld im stationären Bereich eingespart. Ohne die Zahlungen für die aufwändigen ambulanten, stationsersetzenden Augenoperationen sind die Augenarzthonorarumsätze seit 2001 deutlich gesunken. So werden alleine in Bayern etwa 200.000 Euro pro Tag (bei minus 400 Betten vs. 2001) eingespart.
Eine so umfassende Verlagerung aus dem stationären in den ambulanten Bereich gibt es in keiner anderen Facharztgruppe. Dass Aufbau und Unterhalt von hochqualitativen ambulanten OP-Zentren mit einem großen Aufwand an Personal-, Sach- und Materialkosten in der herkömmlichen Betrachtungsweise keine Berücksichtigung findet, ist irreführend. Hier wird als Honorar dargestellt, was in Wirklichkeit eine Erstattung für diverse Kosten ist.
In Bayern werden BDOC und BVA in engem Schulterschluss die Geschicke der Augenheilkunde gestalten.

DER AUGENSPIEGEL:
Ein weiteres Problem: Die OP-Zahlen in den USA sind schon länger rückläufig. Ist dies auch in Deutschland ein Trend? Wie wird es hier für die operativ tätigen Fachärzte weitergehen?

Dr. Armin Scharrer: I
n Deutschland sind die OP-Zahlen stabil. Das gilt sowohl für Kataraktchirurgie als auch für die Netzhaut-/Glaskörperchirurgie und Glaukomchirurgie. Lediglich im Bereich der refraktiven Chirurgie gab es in den letzten 12 Monaten eine konjunkturbedingte Delle, wie wir sie aus der Vergangenheit bereits kennen.
Die Anzahl der Operationen wird nicht das Problem der Deutschen Ophthalmochirurgie sein. Unser Problem könnte ein weiter zunehmender Preisverfall werden, der eine kostendeckende Erbringung hochqualitativer operativer Leistungen am Auge nicht mehr zulässt.

DER AUGENSPIEGEL:
In Brandenburg wurde der erste 73c-Vertrag für Augenärzte abgeschlossen. Welche Auswirkungen wird das Ihrer Meinung nach für die Augenchirurgie haben? Welche Impulse gehen von dem Vertrag aus?

Dr. Armin Scharrer:
Nachdem die Inhalte des Vertrages noch nicht publiziert wurden, lassen sich Auswirkungen schwer abschätzen. Nach den bislang veröffentlichten Teildaten scheint dies ein neutraler Vertrag zu sein, der kaum neue Impulse geben wird.

DER AUGENSPIEGEL:
Ein DOC-Symposium widmet sich der Ökonomie in der Medizin. Welchen Stellenwert erhält dieser Aspekt insbesondere in der Augenheilkunde?

Dr. Armin Scharrer:
Wirtschaftliche Rahmenbedingungen sind auch für die Medizin zu akzeptieren. Sie müssen uns Augenärzte jedoch die Möglichkeit geben, auch weiterhin unsere Arbeit hochqualitativ durchzuführen. Eine Einschränkung der Qualität aufgrund von schlechter werdenden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen kann nicht von den Ärzten, sondern nur von der Politik verantwortet werden, und dies muss man der Gesellschaft in aller Deutlichkeit klarmachen.

DER AUGENSPIEGEL:
Im Kongressprogramm sind einige Roundtable-Diskussionen mit kontroversen Positionen zu ausgewählten Themen vorgesehen. Bei welchen inhaltlichen Fragen sind gegenwärtig die strittigen Ansätze des Faches auszumachen?

Dr. Armin Scharrer:
Die medizinische Wissenschaft lebt von kontroversen Positionen und aus diesen entsteht der wirkliche Fortschritt. So gibt es im Bereich Kataraktchirurgie Anhänger der Multifokallinsen versus Vertreter der Monovision, im Bereich Netzhaut-/Glaskörperchirurgie Augenärzte, die nach wie vor eindellende Operationen in der Behandlung der Netzhautablösung bevorzugen versus Vitrektomie, Plombe. Im Bereich der Refraktiven Chirurgie treten die LASIK- und Femto-LASIK-Spezialisten gegen die Vertreter der Oberflächenbehandlung (PRK und Abkömmlinge) an.

DER AUGENSPIEGEL:
Über welche Ehrenvorlesungen dürfen sich die Kongressbesucher freuen?

Dr. Armin Scharrer:
Folgende Ehrenvorlesungen sind geplant: J.P. Adenis, Limoges: „Surgical treatment of paralytic ectropion“. L. Ruiz, Bogota: „Presbyopia correction: From Hex-K to presby-LASIK to intrastromal femtosecond lasers“. Th. Neuhann, München: „Linsenaustausch und Netzhautablösung bei Hochmyopen: Dogma und Wirklichkeit. V. Klauß, München: „Vision 2020: Was bleibt – für die deutsche Augenheilkunde – bis 2020 zu tun?“.

DER AUGENSPIEGEL:
Auch in diesem wird wieder ein gemeinsames Symposium der DOC zusammen mit der American Academy of Ophthalmology (AAO) und der International Society of refractive Surgery (ISRS) am Freitagnachmittag stattfinden. Was sind die inhaltlichen Schwerpunkte?

Dr. Armin Scharrer:
Phake Linsen, Presbyopie-Korrektur und Kollagen-Crosslinking sind Hauptpunkte des gemeinsamen Symposiums, ebenso wie die hochindividuelle Operation für den Einzelnen (Customized Surgery) sowie die Kontroverse zwischen den LASIK-Anhängern und den Oberflächenoperateuren – den PRK-Befürwortern.

DER AUGENSPIEGEL:
Welche weiteren inhaltlichen Höhepunkte erwartet die Teilnehmer auf dem diesjährigen Kongress?

Dr. Armin Scharrer:
Unter anderem wird am Freitagvormittag die Live-Surgery aus der Universitäts-Augenklinik Tübingen moderne Augenchirurgie aus dem Bereich Netzhaut-/Glaskörperchirurgie, Glaukomchirurgie, Kataraktchirurgie, Hornhautchirurgie und Lidchirurgie demonstrieren. Für die konservativ tätigen Kollegen wird das Seminar für den niedergelassenen Augenarzt besonders interessant sein.
Außerdem darf ich Sie auf die Kurse (Instruction Courses), Wetlabs, die Seminarreihe Management in Klinik und Praxis sowie das Anästhesie-Symposium, das Strabologische-Symposium und das Kontaktlinsen-Symposium hinweisen.Wissenschaftliche Kurzvorträge (Free Papers) zu allen Bereichen der Ophthalmochirurgie ergänzen das Programm. Dem ophthalmologischen Assistenzpersonal (OAP) wird in vielen Hauptvorträgen, Kursen und Seminaren hochdifferenzierte Fortbildung angeboten.
Ein Glanzpunkt der DOC ist die Preisverleihung am Freitagabend um 18.15 Uhr, in der die besten Operationsfilme und die besten wissenschaftlichen Poster gekürt werden. Anschließend dürfen wir Sie dort zu einer fröhlichen Party mit musikalischen und leiblichen Genüssen (vor Saal Sydney) einladen.

DER AUGENSPIEGEL:
Der World Ophthalmology Congress (WOC) findet nächstes Jahr im Juni in Berlin steht. Welche Auswirkungen hat das sowohl für die Planung als auch die Ausrichtung des DOC-Kongress 2010?

Dr. Armin Scharrer:
Um dem WOC eine größtmögliche Bühne zu ermöglichen, hat sich die DOC bereit erklärt, ausnahmsweise im nächsten Jahr den Zeitpunkt und auch den Tagungsort für den DOC-Kongress zu verschieben. Ausnahmsweise und einmalig wird die DOC im Jahre 2010 Mitte Oktober in Hamburg stattfinden.
Im Jahre 2011 kehrt sie wieder nach Nürnberg zurück und wird wieder zum gewohnten Zeitpunkt, das heißt Ende Mai/Anfang Juni stattfinden.

DER AUGENSPIEGEL:
Herr Dr. Scharrer, vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Ulrike Lüdtke.
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