|

Kongress DGII 2016

Interview mit Tagungspräsident Prof. Michael C. Knorz
Zu ihrer Jubiläumstagung lädt die Deutschsprachige Gesellschaft für Intraokularlinsen-Implantation, interventionelle und refraktive Chirurgie (DGII) vom 11. bis 13. Februar nach Mannheim in das Kultur- und Konferenzzentrum Rosengarten ein. DER AUGENSPIEGEL sprach mit Prof. Michael C. Knorz, der als diesjähriger Tagungspräsident unter dem Motto „Perfektes Sehen durch Laser und Linse“ durch den 30. DGII-Kongress führt.

Herr Professor Knorz, in diesem Jahr steht die Jahrestagung der DGII unter dem Motto „Perfektes Sehen durch Laser und Linse“ – das klingt verheißungsvoll, lässt aber (mit Hinblick auf die zumindest möglichen Komplikationen eines Eingriffs) auch stutzen: Wurde ein Fragezeichen vergessen? Oder kann die refraktivchirurgische Korrektur tatsächlich jemals die Perfektion des menschlichen Sehvermögens erreichen?
Unser Ziel ist ein perfektes Sehen – und zwar ohne jede Sehhilfe. Auch in der Natur wird dieses Ziel bei der Mehrheit der Menschen nicht erreicht. So tragen zwei Drittel der Deutschen eine Brille, ein Drittel ist ständig auf die Brille angewiesen. Eines unserer Ziele muss es sein, dies zu ändern. Die refraktive Chirurgie kann innerhalb der von der Kommission Refraktive Chirurgie, der KRC, beschriebenen Grenzen durchaus das Sehen „perfektionieren“, wie ich aus eigener Erfahrung weiß – nach einer LASIK bei minus fünf Dioptrien in 1998. In der refraktiven Chirurgie hat der Laser seine Domäne, zu nennen sind die Femto-LASIK und die SMILE. Das zweite Ziel ist es, das perfekte Sehen nach Altersveränderungen wie zum Beispiel der Katarakt wiederherzustellen. Dies ist die Domäne der IOL. Wir sind zwar (noch) nicht „perfekt“ in der Erreichung dieses Ziels – keine der modernen IOL kann die Akkommodation nachahmen – aber wir sind auf dem Weg.

Es gibt seit Jahrzehnten kontinuierliche Optimierungsanstregungen in der refraktiven Laserchirurgie und im IOL-Design: Wie nah kommen gegenwärtig vielversprechende Ansätze, wie das innovative minimalinvasive Augenlaserverfahren SMILE und neuartige Intraokularlinsen wie die Extended-depth-of-focus-IOL, dem Ziel des „perfekten Sehens“?
Die SMILE, wie auch schon die Femto-LASIK oder PRK, kommen innerhalb ihrer Anwendungsbereiche dem Ziel des so genannten perfekten Sehens sehr nahe. Bei Korrekturen bis etwa minus fünf Dioptrien können sie dieses Ziel sogar bereits erreichen, da die durch die SMILE induzierten optischen Aberrationen so gering sind, dass sie sich nicht auf die Qualität des Sehvermögens auswirken. Bezüglich der IOL sind wir zwar von der Sehqualität in einem Fokus schon sehr nahe an der Abbildungsqualität der Augenlinse, aber die Akkommodation der Augenlinse ist Stand heute noch nicht perfekt wiederherstellbar. Allerdings muss diese fehlende Perfektion auch im Vergleich mit den Alternativen gesehen werden: Der presbyope Patient ist auf eine Gleitsichtbrille angewiesen oder auf mehrere Brillen für Ferne und Nähe, was ebenfalls ein ganz und gar nicht „perfektes“ Seherlebnis darstellt. Die meisten der von mir operierten und mit einer EDOF-IOL oder trifokalen IOL versorgten Patienten beschreiben ihr Sehvermögen als wesentlich besser als vor der Operation – und ich spreche hier nicht von Kataraktpatienten, sondern vom refraktiven Linsenaustausch zur Korrektur einer Presbyopie. Gerade die EDOF-IOL ermöglichen ein brillenfreies Sehen in die Ferne, am Computer oder Laptop und im mittleren Bereich für Smartphone, iPad oder Tablet bei nahezu allen Patienten, und das bei nur minimalen Abstrichen bei Dämmerung und Nacht durch Halos oder Glare.

Insbesondere die Presbyopiekorrektur bleibt eine nachhaltige Herausforderung und wird in Zukunft ein großer Markt sein. Was wäre Ihre Vision einer funktionierenden Lösung der (vielleicht auch ferneren) Zukunft?
In den nächsten Jahren erwarte ich als Zwischenlösung den Einsatz der Femtosekundenlaser-Lentotomie zur vorübergehenden Wiederherstellung einer gewissen Akkommodationsfähigkeit. Erste klinische Studien laufen derzeit in Deutschland, da bin ich sehr zuversichtlich. Mittelfristig dürften modifizierte Optiken wie bei den EDOF-IOL sowie komplexe technische Systeme wie eine so genannte elektronische IOL, zum Beispiel ähnlich der Elenza Sapphire-IOL des Unternehmens Elenza Inc., zur Verfügung stehen. Langfristig erwarte ich eher eine medikamentöse beziehungsweise gentechnologische Lösung.

Von der Zukunft zurück zur Tagung: Mittlerweile hat sich eine Einbindung der Retinologen in einer gemeinsamen Sitzung im DGII-Programm etabliert. Welche Problematiken stehen zum 30sten Kongress bei Vorder- und Hinterabschnittchirurgen zur gemeinsamen Diskussion?
Ganz im Vordergrund stehen natürlich die fachübergreifenden Themen, wie beispielsweise die Rate vitreoretinaler Komplikationen nach refraktivchirurgischen und kataraktchirurgischen Eingriffen sowie deren Prophylaxe und Therapie. Daneben werden auch die modernen vitreoretinalen Operationsverfahren sowie die intraokulare Medikamentenapplikation dargestellt.

Eine aktuelle Kontroverse der DGII gilt der Frage, ob das SMILE-Verfahren die LASIK ablösen wird. Wie ist Ihre Einschätzung? Und: Der Femtolaser ist für Anwender zwar eine faszinierende, neue Technologie, aber welche Vorteile sehen Sie für den Patienten?
Ich erwarte, dass die SMILE die LASIK über einen großen Teil des Indikationsbereiches ablösen wird. Heute ist die SMILE nur zur Myopiekorrektur zugelassen und es sind – noch – keine Nachoperationen möglich. Vergleicht man Femto-LASIK und SMILE innerhalb des heutigen Anwendungsbereiches, so sind die Ergebnisse hinsichtlich der Vorhersagbarkeit identisch. Vorteile der SMILE zeigen sich hinsichtlich eines geringeren Verletzungsrisikos und einer geringeren Inzidenz trockener Augen postoperativ. Stand heute kann also noch keines der Verfahren als „signifikant besser“ bewertet werden. Andererseits steht die SMILE erst am Anfang, vergleichbar der ersten Generation der LASIK. Es gibt nur einen Laserhersteller, der dieses Verfahren anbietet, eine Korrektur der Augenrotation bei der Astigmatismuskorrektur erfolgt nicht, die zuverlässige Zentrierung der Behandlung ist noch verbesserungsfähig und die visuelle Rehabilitation ist – noch – zu langsam. Mit der zunehmenden Verbreitung der SMILE werden diese Einschränkungen verschwinden. Da die SMILE zudem nur einen Laser benötigt, ist sie mittelfristig auch wirtschaftlich das überlegene Verfahren und wird sich daher durchsetzen.

Die Integration neuer Technologien und Verfahren in die Praxis hat meist auch einen betriebswirtschaftlichen Aspekt: Die Anschaffung eines Femtolasers will gut kalkuliert sein und auch der Patient ist mit höheren Kosten konfrontiert. Welche Rolle spielen solche Fragestellungen im diesjährigen Programm?
Wir werden Vorträge zur Kostenentwicklung im Gesundheitssystem allgemein und auch zur betriebswirtschaftlichen Kalkulation eines Laserzentrums im Einzelfall vorstellen. Darüber hinaus bietet sich die Gelegenheit zur Diskussion.

Minimalinvasive Verfahren gewinnen in vielen Bereichen der Medizin an Bedeutung, so auch in der Ophthalmochirurgie beispielsweise mit den Glaukom-Stents. Werden sich solche Verfahren durchsetzen?
Wie bereits die Weiterentwicklung der Femto-LASIK hin zur SMILE und die Entwicklung der ECCE zur Phako zeigte, bieten minimalinvasive Verfahren erhebliche Vorteile. Die Glaukom-Stents werden sich daher definitiv als Konzept durchsetzen. Je nach Design ist noch kein abschließendes Urteil darüber möglich, welcher „Stent“ denn der „beste“ ist. Wichtig ist aber der grundlegende und überfällige Paradigmenwechsel weg von der Trabekulektomie und hin zu weniger invasiven und erheblich besser reproduzierbaren Eingriffen.

Auch die Europäische Jahrestagung des American-European Congress of Ophthalmic Surgery (AECOS) fand vor wenigen Monaten in Berlin unter Ihrer Präsidentschaft statt. Inwieweit sind die hierzulande diskutierten Themen auch international aktuell? Wie ist die Bedeutung der europäischen Ophthalmologie einzuschätzen?
Wie der große Erfolg der AECOS-Tagung zeigte, besteht ein erhebliches Interesse an der europäischen und insbesondere der deutschen Ophthalmologie. In Deutschland haben wir zwar leider nicht die einfache Verfügbarkeit von Venture Capital wie in den USA. Dafür sind aber die Zulassungsverfahren nicht so langwierig und kompliziert wie in den USA, so dass wir einen wesentlich innovationsfreudigeren Markt haben und über innovativere Produkte verfügen als unsere Kollegen in den USA oder anderen Märkten.

Sie haben 1993 das erste LASIK-Zentrum in Deutschland gegründet und waren nun auch einer der ersten Femtolaser-Anwender. Nochmals in die Zukunft visioniert: Bei welcher Entwicklung wären Sie gerne in zwanzig Jahren dabei?
Ich hatte das große Glück, sowohl bei der Entwicklung und Verbreitung der LASIK und Femto-LASIK als auch bei der Entwicklung der Femtosekundenlaser-Kataraktoperation aktiv beteiligt zu sein. In 20 Jahren erwarte ich neue Schwerpunkte der Behandlung im Bereich gentechnologischer und medikamentöser Verfahren, die ich hoffentlich noch miterleben werde.

Herr Professor Knorz, vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Ulrike Lüdtke M.A.
E-Mail: .(Javascript muss aktiviert sein, um diese Mail-Adresse zu sehen)

Ähnliche Beiträge