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Kongress AAD 2008

„Aktuelle Entwicklungen in der Augenheilkunde“ stehen im Mittelpunkt der diesjährigen Jahrestagung der Augenärztlichen Akademie Deutschland (AAD), die als gemeinsame Veranstaltung von BVA und DOG vom 4. bis 8. März im Congress Center Düsseldorf (CCD) stattfindet. DER AUGENSPIEGEL sprach mit dem 1. BVA-Vorsitzenden Prof. Dr. Bernd Bertram (Aachen) über die Anliegen des BVA und die Ausrichtung des Programms.

Bild DER AUGENSPIEGEL: Der diesjährige Kongress steht unter dem Hauptthema „Aktuelle Entwicklungen in der Augenheilkunde“. Was sind gegenwärtig die wichtigsten fachlichen Themen?

Prof. Dr. Bernd Bertram: Die AAD zeichnet sich gerade dadurch aus, dass sie für die gesamte Breite der Augenheilkunde qualitativ hochwertige Kurse, Wetlabs, Drylabs und Vorträge mit den jeweiligen Fachleuten als Referenten anbietet. Die Anmeldezahlen zeigen, dass weiterhin besonderes Interesse besteht an Kursen zu Netzhautkrankheiten und zur Angiographie, aber auch sonst wird die gesamte Bandbreite der Augenheilkunde und die vielen Kurse rund um die augenärztliche Tätigkeit rege nachgefragt.

DER AUGENSPIEGEL: Die intravitreale Medikamentengabe bei AMD war im letzten Jahr das meist diskutierte Thema, insbesondere wegen des Off-Label-Use von Avastin. Wie stellt sich die Situation für den Anwender in diesem Jahr dar?

Prof. Dr. Bernd Bertram: Die Diskussion hat sich etwas beruhigt, da das derzeitige Procedere mit den Kostenvoranschlägen und der Genehmigung durch die Kassen in der Regel problemlos abläuft. Die Kollegen, die die IVOM durchführen, haben meist die versicherungsrechtliche Seite geklärt, ansonsten sollten sie das möglichst bald regeln.

DER AUGENSPIEGEL: Der Off-Label-Use führt allerdings auch bei anderen Indikationen (wie z. B. Uveitis) insbesondere bei den niedergelassenen Kollegen zu Problemen, so sind die Regressforderungen ein großes Ärgernis. Welche Unterstützung bietet der BVA?

Prof. Dr. Bernd Bertram: Bei Uveitis, Skleritis und Keratoplastik gibt es zunehmend Probleme mit dem Off-Label-Use, wenn eine systemische Therapie erforderlich ist und Cortison nicht oder nicht ausreichend wirkt oder nicht eingesetzt werden kann. Die Therapie müßte dann vor Therapiebeginn von der Kasse genehmigt werden, was aber kaum möglich ist, da die Therapie meist sofort begonnen werden muss und das Genehmigungsverfahren oft Monate dauert. Diese Therapien werden oft von Kliniken begonnen und dann von Niedergelassenen fortgeführt, die meist nicht wissen, ob der Off-Label-Use von der Kasse schon genehmigt ist. Wenn die Niedergelassenen dann bei laufender Therapie den Patienten mit Kostenübernahmeantrag zur Kasse schicken, stoßen sie auf Unverständnis der Patienten und dumme Sprüche der Kassen. Andererseits droht bei Mißachtung der vorherigen Beantragung eines Off-Label-Use ein Medikamentenregress. Der BVA bietet neben der Beratung natürlich Hilfe bei einem Regress, indem wir bei KV und Kassen insistieren und gegebenenfalls den Kollegen bei einem Verfahren unterstützen. Letztlich ist dieses Thema ein ziemliches Ärgernis, weil jeder Augenarzt täglich Off-Label-Use betreibt und damit potentiell ein Regress droht. Kostenübernahmeanträge für jeden Off-Label-Use sind wegen der Häufigkeit und wegen der meist akut notwendigen Therapie weltfremd.

DER AUGENSPIEGEL: Zur AAD findet das Berufspolitische Seminar des BVA zur Gesundheitspolitik statt. Welcher Aspekt wird im Mittelpunkt der Diskussion stehen?

Prof. Dr. Bernd Bertram: Thema des berufspolitischen Seminars am Freitag um 18 Uhr wird die „zukünftige Struktur der augenärztlichen Versorgung“ sein. Zugesagt haben mit Herrn Dr. Köhler, dem KBV-Vorsitzenden, und Herrn Jacobs, dem Vorsitzenden der AOK Rheinland/Hamburg, zwei hochkarätige Referenten.

DER AUGENSPIEGEL: Seit Jahresbeginn ist der neue EBM2008 in Kraft. In welchen Bereichen lässt sich die Honorierung für den Augenarzt in diesem Jahr noch aktiv mitgestalten?

Prof. Dr. Bernd Bertram: Die Honorierung wird in den Honorarverteilungsverträgen auf Landesebene geregelt. Hier ist besonders ärgerlich und interessant, dass es durch den immer offensichtlicher werdenden Geldmangel in der vertragsärztlichen Versorgung sogar Regelleistungsvolumina (RLV), d. h. eine Obergrenze der vergüteten Punkte pro Patient gibt, die niedriger als die Grundpauschale liegen. Die Unterfinanzierung der ambulanten ärztlichen Vergütung zeigt sich auch in grotesk niedrigen Fallzahlen, die über die RLV vergütet werden, mit dadurch induzierten langen Wartezeiten auf Augenarzttermine trotz genügend Augenärzten. Unsere Mitgestaltungsmöglichkeiten im GKV-System sind für 2008 minimal, ob sich 2009 daran etwas Entscheidendes ändern wird, ist sehr fraglich. Wir müssen die Fortentwicklung der vielen neuen Möglichkeiten unseres Faches deswegen weitgehend über Selbstzahlerleistungen und möglichst viele Verträge außerhalb der gedeckelten KV-Vergütung betreiben.

DER AUGENSPIEGEL: Es zeichnet sich ein zunehmender Trend zu Kooperationen und Netzwerken ab. Welchen Stellenwert haben diese Gemeinschaften und welche Perspektive hat der niedergelassene „Einzelgänger“?

Prof. Dr. Bernd Bertram: Für Einzelpraxen sehe ich vor allem in ländlichen Bereichen eine Zukunft in der wohnortnahen Basisversorgung. Aber diese müssen sich auch viel mehr vernetzen mit den Praxen in der Umgebung und für spezielle Untersuchungen und Therapien. Das gleiche gilt für kleinere Gemeinschaftspraxen. Die Frage ist also heute nicht mehr „Einzel- oder Gemeinschaftspraxis?“ sondern eher: „Welche Kooperationen sollte ich sinnvollerweise eingehen?“ Jeder selbständige Augenarzt muss sich wie auch jede Augenklinik überlegen, welches Spektrum er anbieten kann und anbieten will. Dazu gehört das Leistungsspektrum mit dem Geräteangebot, das operative Angebot und andere Spezialisierungen, aber auch die Ausdehnung der Sprechzeiten. Dann muss er überlegen, was er davon selbst in seiner Praxis alleine oder mit Partnern anbieten kann, was er extern selbst erbringen kann und was er einem Kooperationspartner überlassen will. Wichtig für die Zukunft sind sicherlich Apparategemeinschaften beispielsweise in Augenärztlichen Diagnostik Centren und ein breites Angebot im Verbund mit Spezialisierungen der Beteiligten.

DER AUGENSPIEGEL: Berufspolitisch erhält der BVA als Facharztvertretung Verstärkung. Wie stehen Sie zur Gründung des geplanten Spitzenverbandes für Fachärzte?

Prof. Dr. Bernd Bertram: Für eine effektive und schlagkräftige Interessenvertretung der gemeinsamen Interessen der Fachärzte benötigen wir dringend den neuen Facharzt-Spitzenverband! Die Berufsverbände der einzelnen Fachgebiete können die fachübergreifenden Interessen aller Fachärzte nicht ausreichend vertreten und haben dazu weder die Ressourcen noch die politische Durchsetzungskraft. Das kann nur ein Facharzt-Spitzenverband mit einer echten Unterstützung der fachärztlichen Berufsverbände und genügender finanzieller Ausstattung. Der Erfolg des neuen Spitzenverbandes wird entscheidend von den Personen an der Spitze abhängen. Geplant ist die Gründung spätestens im Mai 2008.
DER AUGENSPIEGEL: Es gibt viel Kritik an den hiesigen Arbeitsbedingungen, Praxisnachfolger werden rar… Wie kann in Deutschland Weiterbildung und Nachwuchs gefördert und die Abwanderung junger Kollegen ins Ausland verhindert werden?

Prof. Dr. Bernd Bertram: Die meisten Ärzte verlassen Deutschland wegen der besseren Honorierung und der geringeren Bürokratie im Einwanderungsland. Als weitere Gründe werden flachere Hierarchien und bessere Forschungsmöglichkeiten genannt. Wir haben aber auch spezielle Nachwuchsprobleme in der Augenheilkunde, die der BVA anpacken will. Bei unseren Sitzungen im Rahmen der AAD soll ein Nachwuchskonzept verabschiedet werden, das aktiv die Nachwuchssituation der Augenärzte bessern soll. Das Problem beginnt schon im Studium mit der teilweise nur geringen Repräsentanz der Augenheilkunde, zu wenig Doktorarbeiten in der Augenheilkunde, PJ-Plätzen, setzt sich dann fort bei der Zahl und Qualität der Weiterbildungsstellen und endet bei der mangelnden Bereitschaft sich niederzulassen. An allen diesen Zeitpunkten setzen unsere Verbesserungsvorschläge an. Weiterhin müssen wir das Imageproblem der nicht-operativen Augenheilkunde aktiv anpacken, die weitgehend als Versorgung von „roten Augen“ und als Refraktion wahrgenommen wird. Optometrie und die übrige konservative Augenheilkunde sind aber wichtige Grundlagen unseres Faches und müssen gefördert werden.

DER AUGENSPIEGEL: Es finden zwei Patientenveranstaltungen zu AMD und Glaukom statt. Welche Überlegungen sind ausschlaggebend, diese Veranstaltungen im Rahmen der AAD durchzuführen?

Prof. Dr. Bernd Bertram: Schon seit einigen Jahren bieten wir in Zusammenarbeit mit Pro Retina und dem Initiativkreis zur Glaukomfrüherkennung diese Patientenveranstaltungen an, die von der Bevölkerung sehr gut angenommen werden. Wir können durch diese Veranstaltungen mit hervorragenden Referenten über diese Krankheitsbilder aufklären. Leider war in den Vorjahren die Presseberichterstattung über diese Veranstaltungen noch nicht so gut, wie wir uns das wünschen.

DER AUGENSPIEGEL: Gibt es inhaltliche Highlights oder Programmpunkte, an denen Ihnen besonders gelegen ist?

Prof. Dr. Bernd Bertram: Als Berufsverbandsvorsitzender möchte ich besonders auf die berufspolitische Veranstaltung am Freitag und alle anderen Kurse zu Berufspolitik, Gebührenordnungen, Arzneimittelregressen und zur Praxisführung hinweisen. Alle jungen Fachärzte, die eine Niederlassung planen oder in Betracht ziehen, möchte ich zum Niederlassungsseminar (Samstag 9 bis 18 Uhr) ermuntern, das die verschiedenen Aspekte rund um eine Niederlassung mit hochkarätigen Referenten und vielen Tipps aus dem Alltag beleuchtet. Weiterhin möchte ich speziell auf die Kontaktlinsenvorlesung (Samstag 9 bis 11.45 Uhr) und die Kontaktlinsen- und Low-Vision-Kurse hinweisen.

DER AUGENSPIEGEL: Herr Professor Bertram, vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Ulrike Lüdtke
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