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Internationale Forschungsergebnisse zu PXE

Im Rahmen des ersten internationalen Meetings zu Pseudoxanthoma elasticum (PXE), einer erblichen Systemerkrankung mit Augen-, Haut- und Gefäßbeteiligung, wurden im Juli neueste Ergebnisse aus der Forschungsarbeit am Bonner Universitätsklinikum sowie den kooperierenden Institutionen vorgestellt. Ein Bericht von Dr. Robert Finger.

Weltweit befassen sich nur wenige Forschungsgruppen mit der seltenen Erkrankung Pseudoxanthoma elasticum (PXE), an der nach vorliegenden Schätzungen zwischen 1:25.000 und 1:100.000 Menschen in Deutschland erkrankt sind. Bei der Erkrankung kommt es zu Kalzifizierung von elastischem Gewebe des Körpers, in deren Folge die elastischen Fasern des Bindegewebes brüchig werden. Betroffen sein können Haut, Augen, Herz-Kreislaufsystem und in seltenen Fällen auch Magen-Darmtrakt, wobei die Symptome und äußeren Erscheinungen der Erkrankung bei den Patienten sehr unterschiedlich ausgeprägt sind.

BildZur ersten internationalen Tagung versammelte sich die Mehrzahl der Forschergruppen, mit Teilnehmern aus Deutschland, den Niederlanden, Belgien und Österreich, in Bonn (Abb.: Universitäts-Augenklinik Bonn. Quelle: Univ.-Bonn). Direkt an die wissenschaftliche Veranstaltung schloss sich ein Symposium für Betroffene an, an dem Patienten aus Deutschland, den Niederlanden, Österreich, der Schweiz und Portugal teilnahmen.

Die Veranstaltung gliederte sich nach den beteiligten Fachgebieten in je eine Sitzung mit Beiträgen aus der Augenheilkunde, den Grundlagenwissenschaften und der Dermatologie. Dr. Robert Finger und Prof. Dr. Frank G. Holz eröffneten den Kongress mit einem kurzen Rückblick auf die Historie der Erkrankung, die lange Zeit nach ihrer Erstbeschreibung durch den französischen Dermatologen Rigal 1881 als isolierte Erkrankung der Haut verstanden wurde. Erst Grönblad und Strandberg vermochten über 50 Jahre später den Zusammenhang von Hauterscheinungen, Augenveränderungen und kardiovaskulären Problemen herzustellen. Nach weiteren fast 50 Jahren konnte Prof. Dr. Arthur Bergen (Amsterdam) als Erster den krankheitsverursachenden Gendefekt im ABCC6-Gen beschreiben. Im Rahmen des Meetings stellte Bergen neueste Erkenntnisse seiner Forschungsgruppe zu einem Mausmodell der Erkrankung vor (so genannte ABCC6-Knock-out-Maus), bei dem das ABCC6-Gen ausgeschaltet wurde (s. u.).

Augenheilkundliche Forschung
Im Fachgebiet der Augenheilkunde wurden Ergebnisse von neuen bildgebenden Verfahren der Netzhaut bei Patienten mit PXE vorgestellt. Priv.-Doz. Dr. Hendrik Scholl (Bonn) berichtete, wie die äußeren Netzhautschichten, das retinale Pigmentepithel und die Bruch‘sche Membran sich in hochauflösenden, optischen Kohärenztomographien darstellten. Nach einer kurzen Hinführung zum Thema, in der die typischen Veränderungen am Auge, die sich ausschließlich am Augenhintergrund finden, dargestellt wurden (angioide Streifen; eine Pigmentveränderung, die als Peau d’Orange beschrieben wird; kometenschweifartige chorioretinale Atrophien), stellte Scholl Ergebnisse der Untersuchungen einer Reihe von Patienten vor. Es konnten je nach Krankheitsstadium und Ausmaß der angioiden Streifen unterschiedlich stark kalzifizierte und frakturierte Bruch‘sche Membranen aufgezeigt werden. Durch die Brüche zeigte sich die darüber liegende Netzhaut deutlich verändert und teils atrophisch. In fortgeschrittenen Fällen konnte eindrucksvoll ein Einwachsen von fibrösem Bindegewebe durch die Bruch‘sche Membran demonstriert werden.

Hierauf aufbauend stellte Dr. Charbel Issa (Bonn) erstmals vor, wie sich die krankhaften Veränderungen der Bruch‘schen Membran vom hinteren Pol des Augenhintergrundes kontinuierlich mit der Zeit zentrifugal nach peripher entwickeln. Dies ließ sich besonders gut anhand später Phasen einer Indozyaningrün-Angiographie sowie Infrarot-Reflexbildern und Fundusphotographien darstellen. Anhand dieser Untersuchungen konnten drei Zonen unterschieden werden, die wahrscheinlich jeweils unterschiedlich fortgeschrittene Veränderungen der kalzifizierenden Bruch‘schen Membran anzeigen. Interessanterweise korrelierte ein Zonen-Übergang (2. zu 3., äußerster Zone) mit dem klinischen Bild der so genannten Peau d’Orange. Die vorgestellte Bildgebung könnte als Verlaufsparameter für zukünftige Therapien dienen, welche eine weitere Kalzifizierung verhindern und somit das Auftreten oder Voranschreiten der gefäßähnlichen Streifen unterbinden könnten. Ebenso könnte sich diese Beobachtung als prognostischer Faktor etablieren, da angioide Streifen immer nur bis zum Übergang der 2. zur 3. Zone sichtbar waren. Je nach Ausdehnung der Zonen könnte ein Voranschreiten der angioiden Streifen vorhergesagt werden. Weitere Untersuchungen werden dies zeigen.

Danach stellte Prof. Dr. Carsten Meyer (Bonn) dar, wie sich die Behandlung der gefürchteten Komplikation der angioiden Streifen, nämlich der choroidalen Neovaskularisationen, entwickelt hat. Vor noch wenigen Jahren wurden Argonlaserkoagulationen, chirurgische Verfahren, die intravitreale Injektion von Triamcinolon und die photodynamische Therapie angewandt. Die Ergebnisse waren insgesamt wenig überzeugend, in Anbetracht des Fehlens einer besseren Alternative jedoch das Einzig verfügbare. An der Universitäts-Augenklinik Essen wurden die Ergebnisse nach photodynamischer Therapie bei einer größeren Anzahl von Patienten mit choroidalen Neovaskularisationen ausgewertet. Die Zusammenfassung von Dr. Andreas Lipski aus der Essener Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Bernhard Jurklies und Prof. Dr. Norbert Bornfeld zeigte, dass eine Subgruppe von der Therapie insofern profitierte, dass es zu einem relativen Stillstand der Erkrankung kam. Bei einer Mehrzahl kam es jedoch über den Nachbeobachtungszeitraum zu einer weiteren Sehverschlechterung, so dass Lipski zum jetzigen Zeitpunkt von einer photodynamischen Therapie abraten würde und eine intravitreale Anti-VEGF-Therapie empfahl.

Zu diesem Therapieansatz stellte Dr. Robert Finger Daten von 15 Patienten vor, die bei einer choroidalen Neovaskularisation bei PXE mit intravitrealen Injektionen von Bevacizumab (Handelsname: Avastin) behandelt wurden. Insgesamt profitierten alle Patienten von der Behandlung, jedoch umso mehr, je früher im Verlauf mit einer Behandlung begonnen wurde und je weniger umfangreich die Veränderungen am Augenhintergrund waren. Über den Nachbeobachtungszeitraum von etwa einem Jahr konnten keine Nebenwirkungen oder Schäden festgestellt werden. Basierend auf diesen vielversprechenden Ergebnissen wurde eine prospektive, klinische Studie mit Ranibizumab (Handelsname: Lucentis) begonnen. Da die Studie noch läuft, konnten nur Daten von einer Patientin, die die Studie nun nach insgesamt zwölf Behandlungen abgeschlossen hat, berichtet werden. Diese zeigten einen Visuserhalt auf sehr hohem Niveau nach einem Behandlungs- und Beobachtungszeitraum von einem Jahr; Nebenwirkungen der Therapie wurden nicht beobachtet. Die Notwendigkeit einer raschen Vorstellung von Patienten bei ihrem behandelnden Augenarzt bei auch nur leichten Sehstörungen wurde am Ende der Sitzung nochmals bekräftigt.

Grundlagenwissenschaftliche Forschung
Im Rahmen der grundlagenwissenschaftlichen Forschung zu PXE referierte Prof. Dr. Reinier Schlingemann aus Amsterdam über die Hypothese, dass der Gendefekt in ABCC6 bei PXE mit einem verminderten Transport von Vitamin-K aus der Leber, dem Organ mit der höchsten Syntheserate von ABCC6, in den Blutstrom zusammenhängen könnte. Dieser Hypothese liegt die Beobachtung zugrunde, dass es bei PXE-Patienten im Blut und in Hautbiopsien zu erniedrigten Konzentrationen sowie einer verringerten γ-Carboxylierung von Glutaminresten eines Proteins kommt, das essentiell für die Inhibition ektoper Kalzifizierungsprozesse ist. Für die Aktivierung des Matrix-Gla-Proteins in den peripheren Geweben wird Vitamin-K als Kofaktor benötigt. Schlingemann berichtete über eine Studie in der PXE-Patienten und gesunde Kontrollprobanden verschiedene Vitamin-K-Formen einnahmen, woraufhin die Konzentrationen dieser Vitamin-K-Formen im Blut bestimmt wurden. Erste Ergebnisse zeigten keine Differenzen in den Konzentrationen der einzelnen Vitamin-K-Formen zwischen gesunden Kontrollprobanden und PXE-Patienten.

Dr. Doris Hendig (Bad Oeynhausen) berichtete über Untersuchungen zum Genprodukt von ABCC6. Das Gen kodiert für ein ABC-Transporterprotein, das vor allem in der Leber und den Nieren synthetisiert wird, wohingegen sich nur eine sehr geringe Synthese von ABCC6 in den von PXE betroffenen Organen, wie Haut und Retina, nachweisen lässt. Die physiologische Funktion sowie die transportierten Moleküle von ABCC6 sind bislang noch unbekannt. Hendig präsentierte Ergebnisse, die die Arbeitsgruppe aus dem Herz- und Diabeteszentrum NRW in Bad Oeynhausen mit Hautzellen (Fibroblasten) gewinnen konnte, die aus Biopsien von PXE-Patienten isoliert wurden. Es zeigte sich eine verminderten Expression und Transportaktivität von ABCC6 in den Fibroblasten der Patienten. In Zusammenarbeit mit einer Arbeitsgruppe des Universitätsklinikums in Regensburg untersuchte die Arbeitsgruppe die Genexpression anderer ABC-Transporterproteine in ABCC6-defizienten Fibroblasten von PXE-Patienten und stellte dabei eine veränderte, möglicherweise kompensatorische Synthese anderer ABC-Transporterproteine fest. Diese Ergebnisse konnten über eine durch RNA-Interferenz induzierte Reduktion von ABCC6 in Fibroblasten gesunder Kontrollpersonen bestätigt werden.

Prof. Arthur Bergen gab zunächst einen Überblick über den Beginn und Verlauf der Arbeiten seiner Gruppe zu PXE. Die Arbeitsgruppe startete 1995 mit Arbeiten zu der Erkrankung und beschäftigte sich zunächst mit einer Familie mit PXE, die in einem kleinen „isolierten“ Dorf im Norden Hollands lebte. Die Identifikation des Genorts gelang 1997 und im Jahr 2000 konnte die Gruppe um Bergen die ersten Mutationen im ABCC6-Gen als Ursache von PXE beschreiben. Bergen berichtete über die bislang identifizierten kausativen Mutationen, deren Zahl sich seit der Entdeckung des Gens auf über 200 erhöht hat, wies aber auf die bislang fehlende Genotyp-Phänotyp-Korrelation hin, da die klinische Symptomatik bei PXE-Patienten auch bei gleichem Genotyp äußerst variabel ist. Darüber hinaus stellte Bergen das von ihm 2005 etablierte Mausmodell der PXE-Erkrankung vor. ABCC6-Knock-out-Mäuse zeigen wie PXE-Patienten die charakteristische Kalzifizierung und Fragmentierung elastischer Fasern in der Bruch’schen Membran der Retina sowie in den Gefäßwänden von Herz und Niere. Außerdem präsentierte Bergen erste Ergebnisse therapeutischer Studien am ABCC6-Knock-out-Mausmodell. Eine gesteigerte Zufuhr von Kalzium und Magnesium über das Futter führte bei ABCC6-Knock-out-Mäusen zu einer Milderung der Kalzifizierung in Gefäßen von Herz und Nieren, wohingegen sich dieses in der Bruch’schen Membran nicht zeigen ließ.

Dermatologische Forschung
Dr. C. Kostic stellte klinische Fallbeispiele aus der PXE-Ambulanz der Dermatologischen Klinik des Bethesda-Krankenhauses in Freudenberg vor. Auch von dermatologischer Seite wurde der sehr variable Phänotyp nochmals betont, mit Prädilektionsstellen an allen Flexor-Oberflächen und einem ersten Auftreten in der Pubertät. Anhand der vorgestellten Beispiele wurde auch kurz auf die internistische Anamnese der Fallbeispiele eingegangen. Mögliche kosmetische Beeinträchtigungen und die soziale Anamnese wie etwa das Vermeiden von gesellschaftlichen Anlässen, die ein Entblößen betroffener Hautstellen mit sich brächten, wurden ebenfalls dargestellt. Kosmetische Korrektionen, die in der Vergangenheit versucht worden waren, erläuterte Kostic und verwies auf die sehr hohe Rezidivrate und die inzwischen sehr zurückhaltende Einstellung kosmetischen Eingriffen gegenüber.

Dr. Thorsten Hornung, Universitäts-Hautklinik Bonn, zeigte anhand von Fallbeispielen die breite dermatologische Differenzialdiagnose von PXE auf, die unter anderem Ichtyosen, das Elastom, das Buschke-Ollendorff-Syndrom oder das Ehlers-Danlos-Syndrom umfasst.

Der Kongress wurde von der deutschen Selbsthilfegruppe für PXE-Patienten, Heidelberg Engineering, Novartis Pharma und Pfizer finanziell unterstützt.

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