Glaukombehandlung – ambulant oder stationär?

Das Therapieprinzip eines behandlungsbedürftigen Glaukoms ist die Absenkung des Augendruckes auf den so genannten Zieldruck. Bei Versagen medikamentöser Therapie oder bei zwingenden Kontraindikationen kann eine Laserchirurgie oder ein operativer Eingriff notwendig sein. Sowohl Diagnostik als auch Verlaufskontrolle werden in der Regel ambulant durchgeführt, können aber gegebenenfalls auch stationär erfolgen. Auch die operative Therapie ist sowohl ambulant oder stationär möglich. Prof. Dr. Carl Erb und Prof. Dr. Holger Mietz erörtern jeweils die Argumente für eine ambulante beziehungsweise stationäre Betreuung des Glaukompatienten.

Glaukombehandlung – Pro stationär

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Prof. Dr. Carl Erb Schlosspark-Klinik Berlin

„Glaukom als lebenslange chronische Erkrankung ist in den meisten Fällen rein ambulant zu betreuen, doch bei einigen Fragestellungen ist eine stationäre Betreuung der Glaukompatienten sinnvoll, wenn nicht sogar notwendig.“

Glaukom als lebenslange chronische Erkrankung ist in den meisten Fällen rein ambulant zu betreuen, doch bei einigen Fragestellungen ist eine stationäre Betreuung der Glaukompatienten sinnvoll, wenn nicht sogar notwendig.

Bei Glaukompatienten, deren Gesichtsfeld beispielsweise trotz ambulant gemessener Augeninnendruckwerte im individuell vorgegebenen Zieldruckbereich schlechter wird, sollten zu einer stationären Tagesdruckanalyse aufgenommen werden. Bereits Hager hat 1958 verschiedene Augendrucktypen definiert. Etwa 50 Prozent der Patienten gehören zum so genannten Tagesdrucktyp, wobei zwischen dem Vormittags- und dem Nachmittagstyp unterschieden wird. Allerdings bereiten die restlichen 50 Prozent der Glaukompatienten diagnostische Schwierigkeiten. Zum Beispiel gehören 10 bis 15 Prozent der Patienten zum Nachttyp, bei denen vor allem zwischen 24 und 3 Uhr morgens abnorm hohe Augeninnendruckwerte nachgewiesen werden können. Zudem können Patienten mit einem Flachtyp (fehlende Tagesdruckschwankungen), einem variierenden Typ (unregelmäßige Maxima im Augendruck) sowie einem Spitzentyp (plötzliche, sehr hohe Augendruckspitzen, unregelmäßig) zu diagnostischen Problemen führen, die nur durch ein 24-Stunden-Augeninnendruckprofil gelöst werden können. In Studien von Drance (1960) und Jonas (2005) wurde zudem gezeigt, dass zu den normalen Praxisöffnungszeiten mehr als 60 Prozent der Glaukompatienten nicht ihren Maximaldruck hatten. Insofern wird man bei unklarer Gesichtsfeldprogression um ein stationäres Tagesdruckprofil nicht herum kommen, um unbekannte Druckspitzen nicht zu verpassen.

Ein Normaldruckglaukom ist deshalb eine Ausschlussdiagnose. Weiterhin kann durch die Tagesdruckanalyse eine Seitendifferenz in der Tagesdruckschwankung nachgewiesen werden, die ab mehr als 7 mmHg pathologisch ist und auf der Seite mit der größeren Schwankungsbreite einen frühen Hinweis auf eine gestörte neuronale Kontrolle der Augeninnendruckregulation gibt.

„Ein anderer Grund für die stationäre Glaukomeinweisung ist die Überprüfung der Compliance.“

Ein anderer Grund für die stationäre Glaukomeinweisung ist die Überprüfung der Compliance. Bekanntermaßen ist die fehlende Compliance einer der Hauptursachen für eine Glaukomprogression. Die Abklärung dieses Gesichtspunktes gipfelt in der Frage, ob die Tropfapplikation richtig angewendet werden kann, oder ob frühzeitiger ein chirurgischer Eingriff erfolgen soll. Dabei wird die vom Patienten durchgeführte Tropfapplikation im Tagesdruckprofil mit der von dem Pflegepersonal erfolgten Tropfapplikation verglichen. Dabei kommen zum Teil erhebliche Unterschiede zu Tage, die zu operativen Konsequenzen führen.

Bei operativen Eingriffen zur Augeninnendrucksenkung ist dann eine stationäre Behandlung sinnvoll, wenn es sich um Patienten mit zahlreichen Systemerkrankungen und um Patienten mit vor-operierten Augen sowie mit einem oculus ultimus handelt. Außerdem ist bei ängstlichen wie auch schmerzempfindlichen Patienten stationär das postoperative Schmerzmanagement einfacher zu handhaben.

Bei fistulierenden Eingriffen ist eine stationäre Behandlung sinnvoll, wenn die Ausgangslage schwierig, der postoperative Heilungsverlauf verzögert und die Bindehaut fornixständig eröffnet wurde.

„…aus diesem Grund hat die Sektion Glaukom der DOG die stationäre Tagesdruckanalyse befürwortet…“

Zusammenfassend gilt, dass zwar nicht bei jedem, aber vor allem bei sozial und medizinisch komplizierteren Patienten eine stationäre Behandlung sinnvoll ist. Denn neben der Bestimmung der Tagesdruckkurve spielt der postoperative Heilungsverlauf für den Erfolg der Operation eine entscheidende Rolle und sollte nicht unterschätzt werden. Aus diesem Grund hat die Sektion Glaukom der DOG die stationäre Tagesdruckanalyse befürwortet und sie in ihren Empfehlungen aufgenommen.

Glaukombehandlung – Pro ambulant

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Prof. Dr. Holger Mietz Augenklinik Aschaffenburg

Bei allen diagnostischen Maßnahmen ist eine stationäre Behandlung kaum gerechtfertigt.“

Derzeit ist die Glaukombehandlung eine Domäne der stationären Patientenversorgung. Die Behandlung umfasst verschiedene unterschiedliche Bereiche wie die Diagnostik, die Einleitung und Überwachung der chronischen Therapie, die mögliche Hinführung zur Operationsentscheidung, die Operation an sich, die akute Nachbetreuung nach der Operation, und die langfristige Nachbetreuung. Bei allen diagnostischen Maßnahmen ist eine stationäre Behandlung kaum gerechtfertigt. Wichtige Untersuchungen wie die Messung der Hornhautdicke, Klassifizierung des Kammerwinkels, Bestimmung des Augeninnendruckes mittels Kontakt-Tonome-trie, biomikroskopische und computerunterstützte Evaluierung des Sehnervenkopfes, Messung der okulären Pulsamplitude oder Bestimmung der Dicke der Nervenfaserschicht an definierten Stellen sowie die Messung der retinalen und choroidalen Perfusion können ohne stationären Aufenthalt erfolgen. Andere, mehr internistische Untersuchungen zur Abklärung einer möglichen kompromittierten okulären Perfusion wie die 24-Stunden-Blutdruckmessung, ultraschallunterstützte Untersuchungen des Herzens oder der Halsgefäße sowie die Bestimmung spezieller Blut-Parameter oder bildgebende Untersuchungen des Kopfes erfordern keine Aufnahme auf einer internistischen Station. Es soll hiermit nicht gegen eine sorgfältige Diagnostik aller im Einzelfall wichtigen und notwendigen Aspekte des jeweils vorliegenden Glaukoms argumentiert werden. Im Gegenteil, im Sinne einer rationellen Therapie ist die rationale Auswahl der diagnostisch wegweisenden Untersuchungen eine anspruchsvolle Aufgabe.

„Die Ermittlung der Tensio-Tagesprofile zur Rechtfertigung einer stationären Behandlung muss kritisch hinterfragt werden.“

Ein wichtiges, klassisches Instrument zur Rechtfertigung einer stationären Behandlung ist die Ermittlung der Tensio-Tagesprofile. Im Rahmen der ambulanten Versorgung sind Tensio-Messungen außerhalb der Praxis-Zeiten, also im Bereich von 18 Uhr abends bis 8 Uhr morgens nicht realisierbar, ebensowenig früh morgens am liegenden Patienten, nachdem der Patient sich von der Nachtruhe noch nicht erhoben hat. Diese Tensio-Messungen können verschiedene Begründungen haben: Entweder soll die Diagnose eines Offenwinkelglaukoms oder eines möglichen Niederdruckglaukomes erhärtet werden, oder es soll die Wirkung der eingeleiteten antiglaukomatösen Behandlung kontrolliert werden. Ferner können Einflussfaktoren wie die Compliance dokumentiert werden. Der Stellenwert dieser Dinge im Bezug auf eine optimale Glaukombehandlung soll keinesfalls bestritten werden.

Es ergeben sich hier bei kritischer Betrachtung jedoch auch Einwände. Aus der Erfahrung her kann sehr kritisch hinterfragt werden, wie viele Tensio-Messungen mit welcher Qualität tatsächlich zwischen 20 Uhr abends und 7 Uhr morgens in der Klinik eigentlich erfolgen, wenn der diensthabende Arzt möglicherweise mit anderen Aufgaben in der Notfall-Ambulanz oder bei Operationen beschäftigt ist. Des Weiteren ist ja durch verschiedene Studien bekannt, dass ein großer Prozentsatz von Patienten ihr Augeninnendruck-Maximum nachts und/oder im Liegen haben. Insofern ist es aber auch möglich, aus den übrigen Befunden der Diagnostik im Verlauf auf solche Situationen schließen zu können.

„Die tagelange Messung des Augeninnendruckes, um einen einzigen erhöhten Messwert zu irgendeiner Zeit zu erhalten, um dann doch endlich die Diagnose eines Niederdruckglaukomes zu beweisen oder zu widerlegen, ist erfreulicherweise kaum noch notwendig.“

Die tagelange Messung des Augeninnendruckes, um einen einzigen erhöhten Messwert zu irgendeiner Zeit zu erhalten, um dann doch endlich die Diagnose eines Niederdruckglaukomes zu beweisen oder zu widerlegen, ist erfreulicherweise kaum noch notwendig. Hier haben die Ergebnisse der AGIS-Studien doch viel dazu beigetragen, im Sinne der Überlegung von angestrebten Zieldrucken in Abhängigkeit vom Verlauf der Erkrankung und des Stadiums der Optiko-Neuropathie Behandlungsrichtlinien zu geben. Beispiel: Wenn bei einem Auge mit oder ohne Therapie die Druckwerte üblicherweise im hohen normalen Bereich liegen, der Sehnerv aber fortgeschritten geschädigt ist, so ist jetzt vollkommen klar, dass eine Kontrolle, ob die IOD-Werte unter der magischen Zahl von 21 oder 22 mmHg liegen, weder notwendig noch sinnvoll ist. Vielmehr wird in einer solchen Konstellation der Zieldruck im tief-normalen Bereich liegen müssen und es ist dann einfach abzuschätzen, ob die Erreichung dieses Niveaus mit einer entsprechenden, dem Patienten zumutbaren Therapie erreicht werden kann oder ob ein chirurgisches Vorgehen empfehlenswert ist.

Operationen können in den meisten Fällen ohne Verschlechterung der Qualität oder des Ergebnisses ambulant erfolgen. Dies wird in vielen anderen Ländern schon lange praktiziert, wobei eine solche Beobachtung natürlich keinerlei medizinische Begründung darstellt. Um welche Operationen handelt es sich denn in den meisten Fällen beim Primär-Eingriff?
Üblicherweise werden, je nach Vorlieben des Operateurs, filtrierende, nicht-filtrierende, Kammerwinkelchirurgische oder cyclo-destruktive Verfahren eingesetzt werden. Das Maß der notwendigen Betäubung hängt sehr von den Vorlieben des Operateurs ab und liegt irgendwo im Spektrum zwischen Tropfanästhesie und Vollnarkose. Keines dieser Verfahren kann nicht auch ambulant durchgeführt werden. In den Händen des erfahrenen Operateurs sind große Schwankungen des Augeninnendruckes nach der Operation überwiegend vermeidbar. Solange keine großen Mengen an Viskoelastika im Auge verbleiben, sind Druckanstiege bei Kammerwinkelchirurgischen oder nicht-filtrierenden Operationstechniken vermeidbar. Bei filtrierenden Verfahren sind eher niedrige postoperative Druckwerte zu befürchten, dies kann jedoch durch geringe Modifikationen der Operationstechnik weitgehend verhindert werden ohne Einbußen am Ergebnis der Operation.

Es sollte auch erlaubt sein, die Frage zu stellen, wie oft bei einer stationär durchgeführten Operation eigentlich am Operationstag selber der Verband entfernt und das operierte Auge untersucht wird? Bei Operationen, bei denen die Wundheilung eine Rolle spielt, ist eine engmaschige Kontrolle über mindestens die ersten Wochen oder sogar Monate erforderlich, so dass dies sowieso in jedem Falle die Aufgabe des ambulant behandelnden Arztes ist.

„Viele Maßnahmen für eine überwiegend ambulante Versorgung von Glaukompatienten sind ohne Einbußen an der Qualität der Behandlung möglich.“

Zusammenfassend kann also festgestellt werden, dass durchaus viele Maßnahmen für eine überwiegend ambulante Versorgung von Glaukompatienten ohne Einbußen an der Qualität der Behandlung möglich sind. Dies stellt natürlich hohe Anforderungen an die Qualifikation des Arztes und/oder des Operateurs. Andere Aspekte, wie die soziale oder medizinische Morbidität des Patienten oder die erforderliche Mobilität des Patienten sind hier bewusst nicht berücksichtigt worden, ebenso die derzeitige Vergütungssituation in Deutschland mit den Eckpunkten EBM und Belegärzliche-Hauptabteilungs-Universitäre-DRG. Hier besteht Spielraum für akademische und berufspolitische Betätigungen.

Diese Stellungnahme soll nicht als Entweder-Oder-Argumentation verstanden werden, sondern ansatzweise auf rein medizinischer Basis die tatsächlichen Argumente für die Notwendigkeit einer rein stationären Behandlung hinterfragen. Denn die Thematik und Problematik der stationären oder ambulanten Glaukombehandlung lässt sich mit einem kurzen Text weder allumfassend darstellen noch endgültig klären oder entscheiden, so wie dies für die Kataraktchirurgie auch nicht möglich ist. Trotzdem hat sich diese Betrachtung bei der Kataraktchirurgie in den letzten 20 Jahren grundlegend gewandelt, so dass wir in unserer Klinik beispielsweise bei einem Volumen von mehr als 3.000 Kataraktoperationen pro Jahr weniger als drei Prozent stationär behandeln und die ambulante Therapie einen hohen Standard hat mit sehr wenigen Komplikationen.

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