Dynamik von Augenbewegungen entschlüsselt

Um auch flüchtige Veränderungen in ihrer Umwelt optimal erfassen zu können, passen Menschen das Timing ihrer Augenbewegungen nach komplexen internen Berechnungen systematisch an die zeitlichen Dynamiken um sich herum an. Das zeigte ein Forscherteam am Cognitive Science Centre der TU Darmstadt in einem Experiment, das im Journal „Proceedings of the National Academy of Sciences“ veröffentlicht wurde. Damit präzisieren die Forscher ihre mathematischen Modelle menschlicher Wahrnehmung.

Unser Überleben hängt in vielen Situationen davon ab, dass die richtige Information zur richtigen Zeit verfügbar ist. Die zeitliche Koordination von Augenbewegungen ist deshalb elementar bei der Lösung vieler alltäglicher und komplexer Aufgaben. Nun ist es einer Gruppe am neu gegründeten Cognitive Science Centre der TU Darmstadt gelungen, in einem Experiment zu zeigen, dass auch das Timing der Augenbewegungen hochgradig optimiert und ein Ergebnis komplexer interner Berechnungen ist. In einem Laborexperiment sollten Versuchsteilnehmer Ereignisse an zwei Orten auf einem Bildschirm detektieren. Ohne dass die Teilnehmer dies explizit wussten, variierte die Dauer der Ereignisse über die Versuchsdauer systematisch. Die gezielte Messung der Augenbewegungen offenbarte einige bisher nicht beschriebene Effekte. Die Autoren zeigen, dass Menschen das Timing von Augenbewegungen systematisch an die zeitlichen Dynamiken der Umwelt anpassen. Wenn Probanden auf kurze Ereignisse trafen, erhöhte sich die Frequenz mit der sie die relevanten Positionen mit ihrem Blick überprüften.

Ein ganz wesentlicher Beitrag des Teams ist es, ein kognitives Modell für das menschliche Verhalten zu liefern, eine mathematische Herleitung des Blickverhaltens aus Prinzipien der Informationsverarbeitung. Unter anderem konnte dadurch der Einfluss von motorischer Variabilität, Unsicherheit in der Zeitwahrnehmung und intrinsischen Kosten von Augenbewegungen auf das Blickverhalten nachgewiesen werden. So kann gezeigt werden, dass Menschen die zeitlichen Regelmäßigkeiten erlernen und diese nutzen, um Augenbewegungen bestmöglich zu koordinieren. Die Ergebnisse liefern detaillierte Einblicke in die komplexen Entscheidungsprozesse, die Sequenzen von Augenbewegungen zugrunde liegen.

David Hoppe / Constantin A. Rothkopf: “Learning rational temporal eye movement strategies”, PNAS 2016. doi:10.1073/pnas.1601305113
http://www.pnas.org/content/early/2016/06/30/1601305113.short

Quelle:
Technische Universität Darmstadt

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