10 Jahre LIONS-Hornhautbank Homburg/Saar
Anlässlich des zehnjährigen Bestehens der LIONS-Hornhautbank Saar-Lor-Lux, Trier/Westpfalz in Homburg/Saar findet am 13. März der erste internationale Homburger Hornhauttag statt. DER AUGENSPIEGEL sprach mit Prof. Dr. Berthold Seitz, Direktor der Klinik für Augenheilkunde am Universitätsklinikum des Saarlandes UKS, über die derzeitige Situation der Hornhauttransplantation in Deutschland sowie die eintägige Homburger Fortbildungsveranstaltung.
DER AUGENSPIEGEL: Abstoßungsreaktionen stellen nach einer Hornhauttransplantation das postoperative Hauptproblem dar. Eine Vielzahl aussagekräftiger Pilotstudien deutet darauf hin, dass HLA-Matching prinzipiell zur Primärprävention geeignet ist. Gibt es neue Entwicklungen?
Prof. Dr. B. Seitz: Derzeit besteht in Deutschland keine Einigkeit darüber, ob bei Normal-Risikokeratoplastik ein HLA-Matching anzustreben ist. Es wurde unter anderem postuliert, dass der idiopathische Endothelzellverlust des Transplantates mit einer subklinischen Immunreaktion zu tun haben könnte. Dies wurde jedoch nie belegt. Grundsätzlich verwenden wir in Deutschland nur für die Hochrisiko-Keratoplastiken (das heißt mehr als zwei Quadranten Vaskularisation oder Re-Keratoplastik) ein HLA-Matching. Ungeachtet aller unstrittigen Erfolge der Histokompatibilität in Nieren- und Knochenmarktransplantation war die Wirksamkeit zur Prävention von Abstoßungsreaktion nach perforierender Keratoplastik international umstritten: Die viel zitierte randomisierte Studie zur Histokompatibilität, die „Collaborative Corneal Transplantation Study“ (CCTS) 1992 in den USA, konnte weder einen protektiven Effekt des HLA-Matchings hinsichtlich Abstoßungsreaktion noch bezüglich des Transplantatversagens aufzeigen. Aufgrund der hohen Evidenzstufe wurde dieses negative Ergebnis viel beachtet. Neuere Untersuchungen der letzten zehn Jahre wiesen jedoch in retrospektiven Fall-Kontroll-Analysen einen protektiven Effekt der Histokompatibilität nach. Unser gemeinsames Ziel muss es heute sein, den HLA-Effekt in homogenen Patientengruppen bei hoher Präzision für die HLA-Typisierung zu quantifizieren. Die Existenz eines weiteren Antigen-Systems der Histokompatibilität ist mittlerweile experimentell und klinisch gesichert, da Abstoßungsreaktionen auch nach HLA-identischen Allotransplantationen beobachtet werden. Da dies im Gegensatz zur Abstoßungsreaktion bei HLA-Mismatches vergleichsweise mild verläuft, wurde dieses Antigen-System unter dem Begriff der „Minor-Transplantationsantigene“ subsumiert. Pathophysiologisch liegt hier eine indirekte Antigen-Erkennung vor, da die Antigene im Kontext von antigen-präsentierenden Zellen identifiziert werden.
In Deutschland wurde von der Freiburger Arbeitsgruppe die multizentrische „FANCY-Studie“ (Functional antigen matching in corneal transplantation) aufgelegt. Das primäre Ziel der Studie ist, die Überlegenheit des HLA-Matchings im Vergleich zu einer Zufallszuteilung im Hinblick auf den Endpunkt „Zeitraum von der Keratoplastik bis zur ersten endothelialen immunologischen Abstoßungsreaktion“ zu demonstrieren. Daneben soll aber auch die Zeit bis zum Finden eines geeigneten HLA-gematchten Transplantates, eine retrospektive Analyse der Anzahl und Art der ungematchten HLA und Minor-Antigene bei Patienten mit Immunreaktionen sowie eine retrospektive Analyse des Ausmaßes der Antikörperproduktion gegen HLA-Mismatches bei Immunreaktionen dargestellt werden. Diese Multizenterstudie sollte von allen beteiligten Zentren nach Kräften unterstützt werden.
DER AUGENSPIEGEL: Der Bedarf an Hornhauttransplantaten liegt in Deutschland etwa bei 7.000 pro Jahr, tatsächlich werden aber nur etwa 4.000 Patienten mit Keratoplastiken versorgt. Welche Maßnahmen ergreifen Sie, um den offenen Bedarf zu decken?
Prof. Dr. B. Seitz: Laut Deutschem Keratoplastikregister, das seit 2002 von der Sektion Kornea in der DOG geführt wird, werden in Deutschland zwischen 4.500 und 4.800 Keratoplastiken durchgeführt. Im Jahr 2008 lag der Anteil der vorderen und hinteren lamellären Keratoplastik zusammen bei etwa zehn Prozent. Grundsätzlich gibt es ausreichend Spendergewebe in Deutschland, da weder die Hirn-Tod-Problematik noch das Alter des Patienten eine Rolle spielt. Die Hornhautgewebe können noch 72 Stunden nach dem kompletten Herz-Kreislauf-Stillstand entnommen werden. Für ein gutes Spenderaufkommen ist die intensive Aufklärung und gute Zusammenarbeit mit den potentiellen „Spenderkliniken“ sowie den Instituten für Rechtsmedizin, Anatomie und Pathologie Grundvoraussetzung. Wir versuchen zum Beispiel auf den Intensivstationen sowohl die Ärzte als auch die Schwestern als Team anzusprechen und halten regelmäßig Fortbildungen sowohl über die organisatorischen und technischen Details der Spende als auch über die Möglichkeiten der Transplantation selbst.
Entscheidend ist, dass die Zustimmungsrate für eine Gewebespende im Gespräch mit den Angehörigen gesteigert wird. Sie liegt in manchen Kliniken nur bei etwa zehn Prozent. Hierzu bedarf es der Schulung der Mitarbeiter. Wenn die Kollegen dies wünschen, kann das Gespräch mit den Angehörigen durch geschulte Mitarbeiter unserer Hornhautbank erfolgen. Wir schreiben regelmäßig Dankesbriefe an die Assistenzärzte und Schwestern der entnehmenden Kliniken. Einige Monate nach der Transplantation erhalten auch die Angehörigen, welche der Gewebespende zugestimmt haben, ein Dankesschreiben. Dies wird meist sehr positiv aufgenommen. Eine Zusammenarbeit mit den kleineren Kliniken in der Umgebung wird durch ein so genanntes „Kooperatives Programm für Hornhauttransplantation am Universitätsklinikum des Saarlandes UKS“ angestrebt. Einmal im Jahr laden wir die Transplantationsbeauftragten und Assistenzärzte dieser Kliniken zu einem Fortbildungsnachmittag ein.
Regelmäßig finden in Homburg/Saar in Zusammenarbeit mit dem Universitätsklinikum des Saarlandes, dem Ministerium für Justiz, Gesundheit und Soziales sowie der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) Nachmittage unter dem Motto „Organ- und Gewebespende – das Geschenk des Lebens“ statt. Ähnliche Veranstaltungen sind regelmäßig nötig, um eine positive Stimmung unter den Mitarbeitern des Klinikums und in der Bevölkerung zu erzeugen und insgesamt die Quote der Menschen die einen Organspendeausweis besitzen (in Deutschland derzeit nur 17 Prozent) deutlich zu steigern.
DER AUGENSPIEGEL: Im September 2001 wurde offiziell die Sektion Kornea in der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG) gegründet, deren Leiter Sie seit März 2002 sind. Welche Ziele verfolgt die Sektion und was wurde bisher erreicht?
Prof. Dr. B. Seitz: Die Sektion Kornea in der DOG wurde von Herrn Prof. Reinhard, damals Düsseldorf, jetzt Freiburg, Herrn Prof. Kruse, damals Heidelberg, jetzt Erlangen und von mir, damals Erlangen, jetzt Homburg/Saar im Jahr 2001 bewusst nicht als unabhängige Deutsche Korneagesellschaft gegründet, sondern unter dem Dach der DOG.
Zu den Ziele der Sektion Kornea gehört der Erfahrungsaustausch über neue wissenschaftliche Ergebnisse und in der Erprobung befindliche Behandlungsstrategien. Die Erstellung von Netzwerken für klinische Studien und Grundlagenforschung und die Realisierung von Multizenterstudien. Wir erarbeiten so genannte „Preferred Practise Pattern“ (Behandlungsleitlinien) zur Qualitätssicherung und Vereinheitlichung von Diagnostik, operativer Therapie und Nachbehandlung von Kornea-Erkrankungen, insbesondere der Keratoplastik. Des Weiteren gehören zu den Aufgaben der Sektion die Erstellung eines umfassenden und detaillierten Keratoplastik-Registers sowie die Überprüfung der Verankerung von Lehrinhalten, die die Hornhaut und das äußere Auge betreffen, in der Weiterbildungsordnung. Die Formulierung berufs- und wissenschaftspolitischer Interessen der Mitarbeiter der Sektion und Artikulation derselben bei den entsprechenden Gremien (wie die Optimierung der DRGs). Hinzu kommt die Mitwirkung bei DOG-Kongressen und die Bereitstellung eines Registers aller Publikationen zum Thema Kornea und äußeres Auge insbesondere auch in deutschsprachigen Zeitschriften und Büchern.
Von Anfang an wurden ausgewählte Arbeitsgruppen definiert und Mitglieder eingeladen, sich aktiv an diesen Arbeitsgruppen zu beteiligen:
1. Immunologie und Infektiologie der Kornea 2. Ophthalmopathologie der Kornea 3. Genetik der Kornea (inkl. Dystrophien + Gentherapieansätze) 4. Mathematische Modelle zur Darstellung und Dekomposition kornealer Oberflächen 5. Immunologie der Keratoplastik 6. Trepanationstechniken für die Keratoplastik/Astigmatismus bei Keratoplastik 7. Oberflächenprobleme (Trockenes Auge, Limbusstammzellinsuffizienz, Amnionmembran-/Limbustransplantation etc.) 8. Apparative Untersuchung der Kornea (Topographieanalyse, Endothelzellanalyse, Pachymetrie, konfokale Mikroskopie, optische Kohärenztomographie, Ultraschallbiomikroskopie etc.) 9. Laseranwendungen an der Hornhaut 10. Mechanische Hornhautchirurgie 11. Kontaktologie 12. Keratoprothetik 13. Refraktive Hornhautchirurgie 14. Erarbeitung von „Preferred Practise Pattern“ 15. Verankerung von Lehrinhalten in der Weiterbildungsord-nung 16. Optimierung der DRGs 17. Register aller Publikationen zum Thema von Mitgliedern der Sektion Kornea
Die Sektion Kornea richtet jedes Jahr auf der DOG ein eigenes Symposium aus und hält regelmäßig anlässlich der AAD in Düsseldorf sowie während der DOG-Tagung eine Mitgliederversammlung ab, zu der alle 171 Mitglieder per E-Mail eingeladen werden und im Nachgang das Protokoll der Mitgliederversammlung erhalten. Jedes Jahr wird ein Teil von der DOG zur Verfügung stehenden Unterstützung der DOG-Sektion Kornea in Höhe von 5.000 Euro zur Förderung eines beantragten Forschungsprojektes ausgegeben.
Die Sektion Kornea unterhält eine eigene Web-Site (http://www.dog.org/dog-kornea/). Auf dieser Web-Site sind alle Protokolle der Mitgliederversammlung und Aktivitäten der Sektion Kornea nachzulesen.
DER AUGENSPIEGEL: Anlässlich des 10-jährigen Bestehens der LIONS-Hornhautbank Saar-Lor-Lux richten Sie erstmals eine eintägige Fortbildungsveranstaltung aus. Auf welche Themen und Ehrengäste dürfen sich die Besucher freuen?
Prof. Dr. B. Seitz: Der Zweck unseres ersten Internationalen Homburger Hornhauttages HHT 2010 ist zweifach: Zum einen soll das zehnjährige Bestehen unserer LIONS Hornhautbank Saar-Lor-Lux, Trier/Westpfalz gefeiert werden, die von meinem Vorgänger Herrn Prof. em. Dr. K.-W. Ruprecht, der als Ehrengast geladen ist, unter großen Mühen initiiert wurde. Ich bin mehr als dankbar, dass wir in Homburg/Saar selbst unsere Hornhautgewebe prozessieren können. Aus diesem Grunde sind Repräsentanten der LIONS Clubs eingeladen, insbesondere spricht der Deutsche LIONS Weltpräsident Herr Eberhard J. Wirfs über „Voraussetzungen und Möglichkeiten kooperativer Partnerships mit LIONS Clubs International“.
Zum anderen soll aber auch dem Standort Homburg/Saar als einem der Kornea-Zentren in Deutschland Rechnung getragen werden. Im Jahr 2009 wurden in Homburg/Saar erstmals mehr als 200 Keratoplastiken durchgeführt. Ich freue mich besonders, dass auch mein Lehrer und Freund, Prof. em. Dr. med. Dr. h.c. mult. G. O. H. („Fritz“) Naumann als Ehrengast mit uns feiern wird. Neben den Vor- und Nachteilen des Einsatzes des Femtosekundenlasers für die perforierende und lamelläre Keratoplastik werden Techniken und Komplikationsmanagement bei der vorderen und hinteren lamellären Keratoplastik ein Thema sein. Die immunologische Problematik der Keratoplastik bei Kindern wird dargestellt. Mein Freund und langjähriger Weggefährte, Prof. Dr. Ashley Behrens, kommt aus Baltimore, USA, um zum einen über den Einsatz des UV-A-Riboflavin Crosslinkings bei infektiöser Keratitis zu sprechen, zum anderen aber auch über den Einsatz von Amnionflüssigkeit bei Oberflächenstörungen. Der neueste Stand der Keratoprothesen wird ebenso vermittelt wie besondere Methoden der Konditionierung des Spendergewebes zur Reduzierung der immunologischen Abstoßungsreaktionen. Außerdem wird der neueste Stand des UV-A-Riboflavin Crosslinkings und der Einfluss der Schilddrüsenhormone bei Keratokonus dargestellt. Am Ende soll die Frage beantwortet werden „Was passiert mit einer transplantierten Amnionmembran in der menschlichen Hornhaut“.
Herr Professor Seitz, vielen Dank für das Gespräch.
Das vollständige Tagungsprogramm ist abrufbar unter:
http://www.uniklinikum-saarland.de/augenklinik
Das Interview führte Katica Djakovic.