Zum 10. Vitreoretinalen Symposium (VRS) in Frankfurt

Aspekte der Netzhaut- und Glaskörperchirurgie
Zu aktuellen Themen der Netzhaut- und Glaskörperchirurgie findet seit nun zehn Jahren ein englisch-/deutschsprachiges Symposium unter der Leitung von Prof. Dr. Peter Kroll (Marburg) und Prof. Dr. Frank Koch (Frankfurt) statt. Jedes Jahr treffen sich Ende Mai zahlreiche renommierte nationale und internationale Referenten abwechselnd in Marburg und Frankfurt, wobei der intellektuelle Input der US-amerikanischen Kollegen seit Initiierung des Vitreoretinalen Symposiums (VRS) das besondere Merkmal der Zusammenkunft darstellt. Ein Beitrag von Dr. Michael Koss.

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Beim diesjährigen Jubiläumstreffen, dem 10. Vitreoretinalen Symposium auf dem Campus der Johann Wolfgang Goethe Universität Frankfurt/Main, bot sich den interessierten Teilnehmern die Möglichkeit, Pioniere wie Paul Tornambe (San Diego), Steve Charles (Memphis) oder Michael Trese (Royal Oak) neben bereits renommierten Newcomern wie Tarek Hassan (Royal Oak) oder Mark Humayun (Los Angeles) live in action zu sehen und mit ihnen in einen offenen Dialog zu treten.

Das Symposium begann am Donnerstag mit einem ganztägigem Dry-Lab, bei dem unter aktiver Mithilfe von Ophthalmochirurgen und Produkttechnikern Kurse an Operationssimulatoren, Mikro-skopen und Kunstaugen stattfanden. Seit den ersten Tagen begleitet Prof. Dr. F. Koch tatkräftig die Optimierung der Soft- und Hardware des von der Firma VR Magic hergestellten Operationssimulators EYEsi, um angehenden Ophthalmochirurgen, Assistenzärzten und Medizinstudenten den Einstieg in die Chirurgie des hinteren und vorderen Augenabschnittes zu erleichtern und ihnen die Möglichkeit zu einem Patienten- und somit gefahrenlosen Operationstraining zu geben.

Operationssimulator

Mit Hilfe dieses Simulators können zunächst koordinative bimanuelle Fähigkeiten an einem Operationsmikroskop trainiert und sukzesssive unterschiedliche Techniken schrittweise erlernt werden. Hierbei können sowohl OP-Techniken aus der Vorderabschnittschirurgie erlernt und verbessert werden, wie zum Beispiel Phakoemulsifikation als auch vitreoretinale Operationen, zum Beispiel ILM-Peeling oder PVR-Entfernung. Großen Anklang fanden die erstmalig getesteten taktilen Simulatorsonden, mit Hilfe derer die Steuerung der chirurgischen Instrumente nicht mehr über das Fußpedal getätigt werden muss, so dass das simulierte Operieren dadurch ein Stück reeller erscheint. Im Rahmen des Dry-Labs wurden drei Blöcke á drei Stunden mit einer maximalen Anzahl von 24 Teilnehmern angeboten. Auf ophthalmologischen Tagungen wie der DOC, DOG und dem VRS haben Kongressteilnehmer die Möglichkeit, an Operationssimulatoren zu üben.

Real Time Surgery

Im Gegensatz zu den letzten Jahren, als der Freitagvormittag von der Live Surgery geprägt war, wurde dieses Jahr ein neues Konzept der so genannten Real Time Surgery erfolgreich initiiert. So wurden Teilnehmer wie zum Beispiel einer der führenden polnischen Ophthalmochirurgen, Prof. Dr. Jerzy Nawrocki aus Lodz, oder sein ägyptisches Pendant, Prof. Dr. Mahmoud M. Soliman aus Kairo angehalten, schwierige Fälle aus ihren Kliniken auf DVD oder als Präsentation zu zeigen. Bei diesem neuartigen Format der Real Time Surgery zeigte sich noch einmal der besondere Charme des VRS.

Die Möglichkeit, Operationen im Real-time-Modus anzuhalten, eröffnete eine lebhafte, spannende und zum Teil kontroverse, innereuropäische und transatlantische Diskussion zwischen den verschiedenen Schulen der Netzhaut- und Glaskörperchirurgie. Waren die Veranstalter zu Beginn noch in Sorge, ob das vorbereitete Videomaterial und das Real-Time-Format positiv angenommen würde, so konnte nach vier Stunden lebhafter Diskussion beobachtet werden, wie die Kongressteilnehmer noch in der Mensa des Klinikums über das ILM-Peeling an abgelösten Netzhäuten debattierten. Das gegenwärtig eintreffende Feedback der Teilnehmer legt nahe, das Real-Time Surgery-Konzept in den nächsten Jahren beizubehalten.

Vitreoretinale Diagnostik und Therapie

Am Freitagnachmittag wurden die wissenschaftlichen Papervorträge zu Themen der vitreoretinalen Diagnostik und Therapie im neuen Hörsaaltrakt des Klinikums abgehalten und von Seiten der Industrie durch Vorträge zu innovativen technologischen Neuentwicklungen, wie dem hochauflösenden OCT oder einem Einmalinstrument zur Durchführung ambulanter Kernvitrektomien, ergänzt.

So vertritt Michael Trese, MD, (Royal Oak), einer der erfahrensten amerikanischen Opinionleader auf diesem Gebiet, die Meinung, dass aufgrund weit reichender neuartiger technologischer Entwicklungen im Bereich der chirurgischen Vitrektomie-Systeme, die Pars-plana-Vitrektomie als zukünftig hauptsächlich ambulanter Eingriff durchgeführt werden wird. Schon jetzt werden intravitreale Injektionen, ebenso wie pneumatische Retinopexien, in den USA als Leistungen in der erweiterten Sprechstunde erbracht, was von den Kostenträgern höher honoriert wird als stationäre Vitrektomien im Operationssaal. Entwicklungen in der 23- und 25-Gauge-Technologie, wie das Gerät mit dem Handelsnamen Intrector (Insight Instruments Inc., Sanford, USA), seien diesbezüglich notwendige zukünftige chirurgische Essentials.

Aspekte der Pharmakochirurgie

Am Samstag befassten sich die wissenschaftlichen Themen hauptsächlich mit den Aspekten der Pharmakochirurgie im Zeitalter von Mono- und Kombinationstherapien bei AMD, Diabetes und Gefäßverschlüssen. Prof. Dr. Einar Stefánsson aus Reykjavik (Island), einer der Experten auf dem Gebiet der Oxygenation von Glaskörper und Netzhaut, zeigte in mehreren Vorträgen die komplexen Auswirkungen der Erhöhung des Sauerstoffangebotes im hinteren Augenabschnitt nach Glaskörperentfernung. Die veränderte Diffusion von Molekülen durch den Glaskörperraum nach Vitrektomie betrifft somit nicht nur die vielleicht wünschenswerte Redistribution des intraokularen Sauerstoffangebots, sondern auch die Clearance aller Wachstumsfaktoren, wie zum Beispiel vascular endothelial growth factor (VEGF). Die Indikation zur Kombinationstherapie bestehend aus core-Vitrektomie und intravitrealer Substitution mit VEGF-Inhibitoren und Steroiden scheint dabei nach Übereinstimmung aller Beteiligten jedoch in der Zukunft eine wichtige Therapieoption zu sein. So adressiere die alleinige VEGF-Inhibition das Problem der Angiogenese und Inflammation der genannten Krankheiten nur einseitig und führe somit lediglich zu einer Verzögerung des Krankheitsgeschehens.

Kontrovers wurde des Weiteren die Therapie bei proliferativen diabetischen Vitreoretinopathie (PDVR) diskutiert, wobei jedoch ein breiter Konsens hinsichtlich des ILM-Peelings im Rahmen von PDVR gefunden werden konnte. Tarek Hassan (Royal Oak) stellte seine überzeugenden Langzeitergebnisse zur frühen Vitrektomie bei diabetischem Makulaödem vor. Im Rahmen von venösen Gefäßerkrankungen stellte Prof. Dr. Mark Humayun aus dem renommierten Doheny Eye Institute in Los Angeles die Änderungen der intravasalen Fluss- und Sauerstoffeigenschaften nach intravasaler Lyse bei Zentralvenenthrombosen dar. Es ist ihm mit Hilfe der amerikanischen NASA und anhand einer experimentellen Funduskamera gelungen, die initiale Reoxygenierung bei frischen retinalen Thrombosen beim Menschen nachzuweisen. Die Arbeiten diesbezüglich befänden sich zurzeit noch auf experimentellem Niveau, da es bis heute bei Venenverschlüssen noch keinen Königsweg gebe.

In einem weiteren Vortrag berichtete Prof. Dr. Humayun, der in den USA einer der Hauptforscher auf dem Gebiet des künstlichen Sehens ist, über beeindruckende Ergebnisse der Retinaimplantate. Für dieses Projekt hat er vor kurzem vom National Eye Institute (NEI) eine Förderung im zweistelligen Millionenbereich erhalten und wird somit weiter an der Realisierung des künstlichen Sehens arbeiten können.

Fazit

Die Diskussionen wie auch die Vorträge finden auf dem Vitreoretinalen Symposium vorwiegend (aber nicht zwingend) in englischer Sprache statt und sind vom wissenschaftlichen Eifer zu debattieren gekennzeichnet. Dies mag auch der Grund für die vertraute und konstruktive Atmosphäre sein, wie sie an größeren internationalen Treffen nur schwer vorstellbar wäre. Die zwanglose Atmosphäre war insbesondere am Gesellschaftsabend zu spüren. Der Abend findet traditionell freitags statt und hat in den vergangenen Jahren zu Ereignissen geführt, die nach wie vor von Assistenten zu Assistenten an beiden Kliniken weitererzählt werden! Dieses Jahr wurde eine Mainschifffahrt mit einer mitreißenden Liveband veranstaltet. Die Teilnehmer konnten ihr Geschick, diesmal jedoch mehr das PS betonte, an einem Motorradrennsimulator unter Beweis stellen.

Prof. Dr. Koch zeigte sich im Resümee der vergangenen zehn Jahre mit der Entwicklung des Symposiums sehr zufrieden und lud alle Beteiligten nächstes Jahr nach Marburg ein. Wie auch in diesem Jahr sind Interessierte ebenfalls wieder im nächsten Jahr dazu eingeladen, in den Tagen vor und nach dem VRS, an vielfältigen Augenoperationen in der Universitäts-Augenklinik in Frankfurt am Main teilzunehmen.

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Abb. 2: Mit Hilfe von Operationssimulatoren konnten die Kursteilnehmer
bimanuelle Fähigkeiten und unterschiedliche Techniken schrittweise trainieren.

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Abb. 3: Verleihung von historischen Funduszeichnungen an die Gäste
Dr. Natrajan (Indien, von links) und Dr. Humayun (Los Angelas, USA) durch das
Ehepaar Koch und Oberarzt Dr. Scholtz (Frankfurt).

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