Versorgung im Kindesalter interdisziplinär gestalten
Kinderaugen müssen augenärztlich untersucht werden – das ist die Haltung des Berufsverbandes der Augenärzte Deutschlands e.V. (BVA). Sehschwächen, Schielen, Krankheiten – all das sollte spätestens zwischen dem 30. und 42. Lebensmonat abgeklärt werden. Bei Auffälligkeiten und familiären Vorbelastungen auch früher. Dabei werden Augenärztinnen und Augenärzte vielerorts von Orthoptistinnen und Orthoptisten unterstützt. In Sachsen haben orthoptische Fachkräfte seit dem vergangenen Jahr die Möglichkeit, sich mit einer vereinfachten Heilpraktiker-Erlaubnis selbstständig niederzulassen und eigenständig Untersuchungen vorzunehmen. Der BVA beobachtet diese Entwicklung äußerst kritisch und fürchtet kostspielige Doppelstrukturen und Mehrbelastungen.
„Sehfehler bei Kindern erfordern frühzeitiges Handeln, sonst können lebenslange Beeinträchtigung im Sehen die Folge sein“, erklärt Prof. Klaus Rüther, Sprecher des Ressorts Kinder- und Neuroophthalmologie im BVA. Augenärztliche Untersuchungen im Kindesalter sind daher bedeutend. Orthoptistinnen und Orthoptisten leisten in den Augenarztpraxen und Augenkliniken im Rahmen der ärztlichen Delegation einen wichtigen Beitrag bei der Diagnose und Therapie von schielerkrankten Kindern. „Die Arbeit der Orthoptistinnen und Orthoptisten ist im Team sehr eng mit den Aufgaben der Augenärztinnen und Augenärzte verbunden“, so Rüther. Sie nehmen eine wichtige Rolle bei der Behandlung von Kindern, die schielen oder eine Amblyopie entwickelt haben, ein, arbeiten in der Sehschule, erheben qualifiziert Befunde und steuern in Absprache mit den Augenärztinnen und Augenärzten die verschiedenen Therapien. „Mit ihrem speziellen Fachwissen tragen sie erheblich zu einer guten Versorgung in den Augenarztpraxen und Kliniken bei“, betont Rüther.
Werden orthoptische Untersuchungen jedoch ohne augenärztlichen Hintergrund durchgeführt, bergen diese erheblichen Gefahren. „Die Ursachen von Sehschwächen müssen initial immer augenärztlich abgeklärt werden, um organische Ursachen, wie beispielsweise eine angeborene Linsentrübung (Katarakt) auszuschließen“, erklärt der Augenarzt. Erfolgt keine medizinische Abklärung, kann dies zu schweren und bleibenden Sehschäden führen. Auch das „Weittropfen“ der Pupille erfordert nach Auffassung des BVA eine ärztliche Verordnung und Supervision. Dabei wird die Pupille mittels spezieller Augentropfen erweitert, was insbesondere bei weitsichtigen und schielenden Kindern unabdingbar ist. „Getropfte Kinder müssen ärztlich überwacht werden“, so Rüther. „Bei der Gabe von zum Beispiel Zyklopentolat-Tropfen kommt es bei einer Vielzahl von Kindern zu mitunter deutlichen Reaktionen; zeitweise können Bewusstseins-, Wahrnehmungs- und Verhaltensänderungen auftreten. Etwaige weitere Nebenwirkungen wie zum Beispiel Allergien machen sofortiges ärztliches Handeln erforderlich. Eine alleinige Versorgung der (kleinen) Patientinnen und Patienten durch Orthoptistinnen und Orthoptisten ohne fachärztliche Anwesenheit lehnt der BVA daher strikt ab.
Seit dem letzten Jahr ermöglicht das Land Sachsen Angehörigen der Gesundheitsfachberufe eine sogenante Sektorale Heilpraktikererlaubnis zu erlangen. Orthoptistinnen und Orthoptisten können sich durch ein vereinfachtes Verfahren selbstständig niederlassen. Die bisherige fachärztliche Anbindung fällt dann weg. Heilpraktikerinnen und Heilpraktiker bieten Selbstzahlerleistungen an, die Eltern der Patientinnen und Patienten selbst übernehmen.
Quelle: BVA