Universitäts-Augenklinik Gießen feiert 100-jähriges Jubiläum

Neue Ordinaria Prof. Dr. Birgit Lorenz vorgesellt
Die Universitäts-Augenklinik Gießen feierte im August ihr 100-jähriges Jubiläum und nutzte den Anlass, die neue Ordinaria für Augenheilkunde, Prof. Dr. Birgit Lorenz, vorzustellen. Auch hatte die Augenklinik zu einem Tag der offenen Tür eingeladen und trotz des gleichzeitig stattfindenden Stadtfestes kamen zahlreiche interessierte Besucher. Neben der Demonstration von verschiedenen Untersuchungen wurden Kurzvorträge zu diagnostischen Möglichkeiten und aktuellen Therapien angeboten. Zur offiziellen Feierstunde herrschte ein riesiger Andrang im überfüllten Hörsaal. Ein Bericht von Dr. Hannsjürgen Trojan.

Am 19. August 1907 wurde die neue Augenklinik der Universität Gießen eingeweiht. Der Neubau war von dem damaligen Ordinarius für Augenheilkunde, Prof. Dr. Karl Gottlieb Adolf Vossius erwirkt worden, exakt dreihundert Jahre nach der Gründung der Universität. Heute, hundert Jahre nach Einweihung der Augenklinik blickte man jedoch nicht nur in die Vergangenheit, sondern mit Vorstellung der neuen Ordinaria Prof. Dr. Birgit Lorenz auch in die Zukunft der Augenklinik.

Man habe es sich mit der Berufung eines Nachfolgers für Prof. Dr. Kaufmann nicht leicht gemacht, erklärte Prof. Dr. M. Kaps als Prodekan der Medizinischen Fakultät im Anschluss an die Begrüßungsworte des Präsidenten der Justus-Liebig-Universität, Prof. Dr. St. Hormuth. Die Verhandlungen hätten zwei Jahre gewährt und sei sich bewusst gewesen, dass man durch den hohen Standard, den Professor Kaufmann vorgegeben hatte, bei der Nominierung zum Erfolg verdammt gewesen sei. Finanzierungsengpässe waren voraussehbar. „Die Zeiten, dass mit Hosenknöpfen gepokert wird, sind vorbei“ so Kaps und fügte an Frau Lorenz gerichtet hinzu: „Es wird Ihnen hier sicherlich nicht langweilig werden“.

An die Wirren der letzten fünf Jahre, als die beiden Kliniken in Gießen und Marburg von der Rhön AG übernommen wurden und damit die erste Privatisierung im großem Stil erfolgte, erinnerte Dr. H. J. Hackenberg, Kaufmännischer Geschäftsführer des Universitätsklinikums Gießen und Marburg GmbH. Er erinnerte an die hohen Defizite, die in Gießen erwirtschaftet wurden „und man war sich zu diesem Zeitpunkt eigentlich nicht klar, ob Gießen weiterhin universitärer Standort bleiben soll“. Es galt zu klären, welche Leistung von welcher der drei hessischen Universitätskliniken erbracht werden müssen, „und der einzige Ausweg war die Privatisierung“, so Hackenberg weiter. Die Zusammenführung der beiden Kliniken Marburg-Gießen scheint aber noch nicht so richtig zu klappen, denn aus Marburg war niemand zur Feier erschienen.

Glückwünsche des BVA überbrachte der Bezirksvorsitzender Gießen/Wetzlar Dr. P. Baldauf und lobte die gute Zusammenarbeit zwischen Universität und den Niedergelassenen, die von gegenseitigem Respekt geprägt sei. Einzigartig in Hessen sei die Kooperation im Notfalldienst, im Wechsel getragen von den Niedergelassenen und den Klinikärzten, aber immer in den Räumlichkeiten der Augenklinik. Den Patienten bleibe so nachts oder am Wochenende ein lästiges Suchen erspart. Es bestehe der einhellige Wunsch, dass das so weiter läuft.

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Abb. 1: Vordere Reihe, von links: Dr. P. Baldauf, Prof. Dr. B. Lorenz, Prof. Dr. St. Hormuth, Dr. H. J. Hackenberg und Prof. Dr. M. Kaps.

Zur Geschichte der Augenklinik

Im Anschluss an die Grußworte gab der ehemalige Direktor der Klinik, Prof. Dr. Herbert Kaufmann, einen Überblick über die Geschichte der Augenklinik und die Zeit vor der Einweihung der damaligen neuen Augenklinik: Wegen unhaltbarer Mängel hatten die ersten beiden Direktoren (Sattler und von Hippel) die Klinik schon nach kurzer Zeit wieder verlassen. Erst Vossius erreichte, dass eine neue Klinik gebaut wurde. Am 19. August 1907 wurde sie eingeweiht und sei zu diesem Zeitpunkt die schönste und größte Augenklinik Deutschlands mit der stattlichen Zahl von 125 Betten gewesen. Sie wurde im 2. Weltkrieg zerstört. Nach dem Krieg war Gießen einige Jahre lang keine Universität. Das wurde sie erst wieder unter dem Namen Justus-Liebig-Universität im Jahre 1950.

1968 wurde Prof. Dr. Cüppers Leiter der Abteilung für Schielbehandlung. Er entwickelte in Zusammenarbeit mit den Firmen Leitz und Oculus eine Vielzahl von in der Strabologie heute weltweit verwendeter Geräte. Daneben wurde von ihm eine Reihe von entscheidenden Operationsverfahren eingeführt, um nur die Fadenoperation zu nennen. „Unter Cüppers hat sich die Augenklinik zum Mekka der Strabologie entwickelt“, so Kaufmann. Folgerichtig entstand hier die erste deutsche Lehranstalt für Orthoptistinnen. Aber auch sein Nachfolger, Professor Kaufman, hat sich weiter bevorzugt um die Strabologie gekümmert. Dennoch seien die anderen Augenabschnitte nicht zu kurz gekommen. Der Inhaber des anderen Lehrstuhls für Augenheilkunde, Prof. Dr. K.W. Jakobi, gilt als einer der Wegbereiter der Intraokularlinsenimplantation in Deutschland.

Die beiden Lehrstühle wurden nach Jakobis Emeritierung einige Jahre von Kaufmann in Personalunion geführt. Mit der Berufung von Frau Prof. Dr. Lorenz besteht jetzt auch eine juristische Zusammenführung.

Die Augenklinik heute

Abschließend berichtete die neue Ordinaria, Prof. Dr. Birgit Lorenz, die aus Regensburg berufen worden war, über ihre zukünftige Tätigkeit. Lorenz betonte, dass sie drei große Arbeitsgebiete als Ziel habe: die Grundlagenforschung, die klinische Forschung und eine optimale Patientenversorgung in Zusammenarbeit mit den niedergelassenen Kollegen. Sie werde sich allergrößte Mühe geben, die an sie gestellten Erwartungen zu erfüllen.

„Mein Steckenpferd ist die Ophthalmogenetik,“ so Lorenz im Anschluss an die Veranstaltung im Gespräch mit dem AUGENSPIEGEL. „Die Genetik spielt mittlerweile in alle Bereiche hinein und spielt eine große Rolle beim Verständnis der Pathophysiologie von Erkrankungen. Der operative Schwerpunkt muss natürlich weiter bestehen, weil das momentan der Bereich ist, wo man dem Patienten bei der Therapie am meisten bieten kann.“ Wichtig sei ihr die gute Zusammenarbeit mit den sehr erfahrenen Mitarbeitern, die sie in keinen Fall „überrennen“ wolle. Neben Lorenz ist Frau Dr. Jäger aus Regensburg nach Gießen gekommen, die schwerpunktmäßig die Kinderophthalmologie intensivieren und das Sceening-Zentrum für Frühgeborene betreuen wird. Verstärkt werde das Team um einen weiteren neuen Mitarbeiter, Dr. Friedburg jun., der sich verstärkt um die Elektrophysiologie und Psychophysik kümmern werde. Auch die objektive Diagnostik der Okulomotorik soll durch Dr. Wassill weiter intensiviert werden.

Die aktuellen Forschungsschwerpunkte seien derzeit die Erforschung der Genotyp-/Phänotyp-Korrelation von seltenen monogenen hereditären Augenerkrankungen, die Elektrophysiologie und Psychophysik bei hereditären Augenerkrankungen und in Zusammenarbeit mit der Universitäts-Augenklinik Regensburg und niedergelassenen Augenärzten ein multizentrisches Projekt für Telematik bei der Frühgeborenenretinopathie zur Vermeidung von Blindheit.

Birgit Lorenz studierte von 1968 bis 1974 Medizin an der LMU München und an der Sorbonne. 1974 promovierte sie mit summa cum laude und erhielt 1982 die Anerkennung als Augenärztin. 1989 habilitierte sie sich an der LMU und wurde 1991 Universitätsprofessorin auf Lebenszeit an der Universität Regensburg. Von 1969 bis 2007 leitete sie die selbstständige Abteilung für Pädiatrische Ophthalmologie, Strabismologie und Ophthalmogenetik an der Klinik und Poliklinik für Augen-heilkunde des Klinikums der Universität Regensburg. Lorenz ist Autorin von 150 wissenschaftlichen Publikationen, 50 Buchbeiträgen und verfasste 30 Beiträge in Proceedings. Sie ist Mitglied verschiedener Fachgesellschaften. So war sie von 2001 bis 2006 Vorsitzende der Bielschowski Gesellschaft und fungiert seit 2002 als Präsidentin der European Paedriatic Ophthalmological Society (EPOS).

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